Zwei Tänzerinnen tragen Origami-Basteleien und verwirbeln Papierfetzen auf der Bühne
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Club Origami von Choreograph Takeshi Matsumoto

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Tanzen für eine zerrissene Jugend - Festival "Think Big"

Tanzen für eine zerrissene Jugend - Festival "Think Big"

In München findet noch bis Samstag das Tanzfestival "Think Big" statt. Es richtet sich mit speziell konzipierten Performances hauptsächlich an Kinder und Jugendliche. Zum zehnten Geburtstag wird fast die halbe Stadt bespielt.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Aus Papier falten die Kinder geheimnisvolle Wesen: paradiesische Katzmäuse, Elefantinis und Schmetterlingspropeller. Mit ein paar Handgriffen, ein bisschen Rascheln und viel Fantasie erschaffen die Kleinen beim Stück "Club Origami" ihren Freund, ihre Begleiterin durch ein getanztes Abenteuer. So beschreibt es der Choreograf Takeshi Matsumoto aus Japan: "Ästhetisch, minimalistisch und verzaubernd ist das, wenn die Tänzer mit Fächern übermütige Flugversuche starten."

Zeitgenössischer Tanz statt Folklore

Im Zentrum von "Think Big" steht nicht das klassische Ballett oder die Folklore, sondern der zeitgenössische Tanz. Der zeichnet sich durch eine Stilvielfalt aus, durch das Einbeziehen von Theaterelementen und vor allem durch das Fehlen einer Dogmatik, erklärt Simone Schulte-Aladag aus dem künstlerischen Leitungsteam: "Jeder Künstler, jede Künstlerin hat einen eigenen Stil und nimmt Versatzstücke aus anderen Kulturen. Man entwickelt gemeinsam die Schritte – über Bilder, Improvisationen, Körperarbeit."

Ganz egal, ob man mit jungen Menschen arbeitet oder für sie eine Performance gestaltet, die Tanzschaffenden brauchen pädagogisches Handwerkszeug. Schließlich geht es um Körper, und allein schon deshalb ist ein besonderes Feingefühl notwendig. "Think Big" bietet den Künstlerinnen und Künstlern unterschiedliche Fortbildungsmöglichkeiten. Patricia Carolin Mai aus Hamburg leitet einen praxisbezogenen Workshop. Die Tänzerin, Choreografin und Dozentin gibt einen inspirierenden Denkanstoß aus dem Alltag. Die Teilnehmenden sollen sich an einen vollbesetzten Ampel-Übergang versetzen. "Nimm wahr, wie kommst du durch diese Menschen durch? Wählst du den direkten Weg und stößt womöglich mit jemandem zusammen. Oder findest du die einzelnen Lücken und musst die ganze Zeit ein bisschen Slalom gehen, weil du als ein sehr entschlossener Körper auftrittst?"

Tanz war vor Fußball und Yoga

Tanz ist eine natürliche Ausdrucksform. Bereits kleine Kinder tanzen, ohne die leiseste Ahnung von Choreografie zu haben. Damit steht der Tanz in der menschlichen Entwicklung als Bewegung vor Fußball, Yoga oder Tennis. Hinzu kommt: Tanz ist nonverbal. Ein großer Vorteil für die Vermittlung, meint Simone Schulte-Aladag: "Sogenannte Deutschklassen mit Jugendlichen, die erst noch Deutsch lernen, kommen gerne in unsere Stücke, weil wir eben keine Sprache haben. Das heißt, es ist sehr barrierearm."

Das Münchner Tanzfestival "Think Big" ist ein Ableger des bundesweiten Netzwerks "Explore Dance" und des Vereins "Fokus Tanz" in München. Seit mittlerweile achtzehn Jahren bringt das Netzwerk den Tanz in Schulen und in Kindergärten. "Explore dance" hat bundesweit über 520 Vermittlungsformate entwickelt. Zum zehnten Geburtstag bespielt "Think Big" dieses Jahr fast die halbe Stadt: unter anderem die Schauburg am Elisabethplatz, das Muffatwerk, das Hoch X und das Fat Cat, also die Räume im alten Gasteig.

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Chih Wen Chung tanzt das Stück "Polymer" in den Münchner Kammerspielen

"Polymer" in den Münchner Kammerspielen

Im Werkraum der Münchner Kammerspiele wird am Freitagvormittag eine taiwanesische Produktion gezeigt: "Polymer". Im Publikum sitzen Schülerinnen und Schüler einer Mittelschule. Die Prüfungen haben sie hinter sich, da war der Ausflug genau das Richtige.

Auf der Bühne markiert ein weißer Paravent einen Raum. Davor sitzt der taiwanesische Hip-Hop Tänzer Chih Wen Chung auf einem Hocker und erzählt in seiner Muttersprache die Geschichte eines verlassenen Hauses. Immer vertrauter wird einem mit der Zeit dieses hässliche Familienhaus aus Taipeh, in dem einstmals das Leben brummte, in dem gekocht und gefeiert wurde. Videoprojektionen und ein Modell des Gebäudes lassen es im Kopf der Zusehenden lebendig werden.

Performances für eine zerrissene Jugend

Im Kontrast dazu drückt der Tanz die innere Zerrissenheit eines jungen Menschen aus, der in genau diesem Haus seine Kindheit verbracht hat. Die Regisseurin Fang Yon-Lo verarbeitet in "Polymer" nicht nur ihre eigene Geschichte: "Dieses Haus ist ein bisschen wie unsere Situation. Unsere heißt, taiwanesisch. Dieses Land hat keine Kraft zu sagen, was können wir tun."

Mit kantigen, akrobatischen, kämpferisch anmutenden Schritten zeigt der Tänzer zu elektronischer Musik seine Sehnsucht nach einem Zuhause. Gleichzeitig aber weiß er, dass er seine eigene Identität finden will und dafür Abschied nehmen muss. In weniger als sechzig Minuten hat sich der taiwanesische Performer, barfuß, mit Shorts und Hütchen auf dem Kopf, die Sympathie des Publikums ertanzt. Weil er mit seinen Bewegungen genau das auszudrücken vermag, was die meisten der jungen Menschen beschäftigt: Wohin führt sie ihr Leben und wie finden sie eine Heimat?

Viel Applaus für "Polymer" beim Münchner Festival "Think Big", für eine gelungene Produktion, die Hoffnung in wirren Zeiten macht und das Gefühl ausdrückt, mit existenziellen Fragen nicht allein zu sein, ohne es explizit auszusprechen.

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