Porträt des russischen Milliardärs
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Oligarch Konstantin Malofejew will Renten streichen

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Wegen Geburtenknick: Russischer Oligarch will Renten abschaffen

Wegen Geburtenknick: Russischer Oligarch will Renten abschaffen

Russlands Bevölkerung schrumpft im Rekordtempo, weshalb Putins Propagandisten immer neue Gegenmaßnahmen vorschlagen. Milliardär Konstantin Malofejew regte an, Jüngeren die Renten zu streichen, damit sie mehr Kinder zeugen. Das sorgt für viel Wirbel.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Im Zarenreich habe ja auch nur ein "sehr begrenzter Personenkreis" Renten erhalten, begründet der rechtsextreme Milliardär und Medienunternehmer Konstantin Malofejew (externer Link) seinen aufsehenerregenden Vorschlag, die staatliche Altersversorgung in Russland mittelfristig abzuschaffen. Nur die Witwen von Offizieren hätten einst Renten erhalten. Ansonsten sei diese Sozialleistung früher gar nicht nötig gewesen, weil damals jede russische Frau im Durchschnitt sieben Kinder geboren habe, die hätten sich dann um ihre Eltern gekümmert.

"Sie hörten ganz auf, Kinder zu bekommen"

Erst seit der Einführung der "liberalen Demokratie" nach dem Untergang der Sowjetunion 1991 habe das staatliche Rentensystem den Kinderreichtum als Altersversorgung "ersetzt", so der Oligarch: "Karriere, Geld und Konsum wurden zum Lebensziel. Und sie hörten ganz auf, Kinder zu bekommen."

Damit sich das wieder ändert, schlug Propagandist Malofejew (1,13 Millionen Fans) vor, die Renten in zehn Jahren ganz abzuschaffen. Die jüngere Generation solle ihre Beiträge bis dahin zurückerstattet bekommen und selbst entscheiden, ob sie für das Alter sparen oder Kinder zeugen wolle, um sich dann von ihnen versorgen zu lassen. Der Milliardär und Medienunternehmer will seine Idee Mitte Juni auf einem "Zukunftsforum" debattieren lassen.

TV-Journalist: "Wollte niemandem wehtun"

Damit reagierte Malofejew auf einen angeblich ironisch gemeinten Einwurf des russischen TV-Journalisten Sergei Mardan, der in seiner Sendung die Abschaffung der Renten forderte, um dem Geburtenschwund entgegenzutreten. Russlands Geburtenrate ist so niedrig, dass der Kreml die statistischen Daten neuerdings als Verschlusssache behandelt (externer Link) und linientreue Politiker nahezu wöchentlich neue, mehr oder weniger absurde Vorschläge machen. Seit dem späten 18. Jahrhundert sollen nicht mehr so wenige Kinder geboren worden sein wie aktuell, weshalb Putins Ultranationalisten alarmiert sind.

Nachdem er einen Shitstorm ausgelöst hatte, ruderte Sergei Mardan zurück (externer Link), versicherte, er habe niemandem wehtun wollen und behauptete, er wolle ja gar nicht zum Kinderreichtum von vor 100 Jahren zurück, dafür müsse man wohl auch das damalige religiöse Leben wiederbeleben: "Aber eine normale Familie mit drei, vier oder fünf Kindern ist zumindest eine Chance, die Zukunft zu sichern. Übrigens gibt es Renten in Russland erst seit 1964 als obligatorische soziale Option. Die heutigen Neu-Rentner (die 63-Jährigen) wurden noch in einer Zeit geboren, als es noch nicht für jedermann Renten gab."

"Regierung plant, das Volk zu betrügen"

Militär- und Politblogger reagierten mit wütendem Protest. Für Putin ist die Debatte brandgefährlich, weil die Rentner zu seinen treuesten Anhängern gehören. Nicht wenige gehen davon aus (externer Link), dass Leute wie Mardan und Malofejew nur die Stimmung testen sollen und der Kreml dahintersteckt: "In der Gesellschaft setzt sich zunehmend die Meinung durch, dass die Behörden die Menschen damit auf eine mögliche Abschaffung der Altersvorsorge vorbereiten. Darüber hinaus weisen Nutzer sozialer Medien darauf hin, dass die Regierung plane, 'das Volk erneut zu betrügen', da es Pläne gebe, 'den Bürgern ihr hart verdientes Geld und ihre Ersparnisse zu stehlen'."

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Das sei so ähnlich, als ob Meinungsforscher in einen Operationssaal eindringen, den narkotisierten Patienten fragten, was er über die Abschaffung der Renten denke und dessen "Reaktionen" festhielten, so Politologe Maxim Scharow (externer Link) . Politblogger Anatoli Nesmijan schrieb (externer Link), die "traditionellen Werte" würden in Russland von Menschen vertreten, "die es nicht eilig" hätten, selbst danach zu leben: "Ihr Wunsch, uns ins Mittelalter oder gar in die Höhlen zurückzuversetzen, lässt uns nicht los."

Malofejew sei ein "Sozialdarwinist" und versuche, Russland auf das Niveau afrikanischer Staaten herunterzudrücken, argumentierte einer der wichtigen Debattenteilnehmer mit 124.000 Fans (externer Link) . Die Kreml-Elite spiele mit dem Feuer, war zu lesen. Die Renten-Debatte könne noch "sehr unangenehm" werden.

"Frage der nationalen Sicherheit"

Aus rechtlicher Sicht seien die Vorschläge zur Abschaffung der Renten "extremistisch und als Untergrabung der Grundlagen des russischen Staatssystems" einzustufen, wetterte ein weiterer Kommentator (externer Link) : "Ich hoffe sehr, dass die Strafverfolgungsbehörden in einer so schwierigen Zeit, wie sie das Land derzeit durchlebt, sehr hart auf alle Versuche reagieren, Panik und absurde Gerüchte in der Öffentlichkeit zu säen."

Der Geburtenschwund sei jedenfalls alarmierend, so Militär-Blogger Oleg Sarow (378.000 Fans), und obendrein sicherheitsrelevant (externer Link) : "In Russland wird das Problem durch die enormen Flächen und die geringe Bevölkerungsdichte noch verschärft. Der Bevölkerungsrückgang ist eine Frage der nationalen Sicherheit, da die Bevölkerung möglicherweise nicht ausreicht, um die erstaunlich großen Rohstoffreserven zu schützen."

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