(Symbolbild) Künstliche Intelligenz in der Medizin
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Dr. ChatGPT: Was taugt KI in der Medizin?

Dr. ChatGPT: Was taugt KI in der Medizin?

Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Medizin: von der Bildanalyse bis zur Diagnosestellung. Doch wie zuverlässig ist sie wirklich – und welche Rolle werden Ärztinnen und Ärzte künftig spielen?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Kann Künstliche Intelligenz (KI) eine Schwangerschaft auf einem Ultraschall erkennen? Ja: ChatGPT identifizierte korrekt eine Fruchthöhle als Anzeichen für eine frühe Schwangerschaft. Immer mehr Menschen nutzen solche Tools auch zur Auswertung von Blutwerten oder Symptomen – oft mit überraschend plausiblen Ergebnissen. Das wirft Fragen auf: Wie verlässlich sind KI-Diagnosen? Und wie verändert ihr Einsatz den medizinischen Alltag?

Medizinische Hilfe auf Knopfdruck

Nicht nur technikaffine Nutzerinnen laden ihre Blutbilder oder Symptome in ChatGPT hoch – auch Ärzte nutzen zunehmend KI-Modelle wie Sprachmodelle oder spezialisierte Tools zur Unterstützung.

Besonders unter jüngeren Ärzten ist der Einsatz von ChatGPT und ähnlichen Tools bereits weit verbreitet. Die KI wird häufig zur Unterstützung bei alltäglichen medizinischen Fragen herangezogen – etwa zur Absicherung von Verdachtsdiagnosen oder zur Orientierung bei unklaren Symptomen. Die Ergebnisse sind in vielen Fällen erstaunlich präzise und decken sich oft mit der ärztlichen Einschätzung.

Auch Studien zeigen klare Tendenzen: In Tests mit schriftlichen Fallbeschreibungen schnitt ein Sprachmodell bei der Diagnosestellung besser ab als Ärztinnen und Ärzte – selbst, wenn diese die KI unterstützend zur Seite hatten. Zwar handelte es sich dabei um kontrollierte Bedingungen und keine reale Klinikpraxis, doch das Ergebnis unterstreicht das diagnostische Potenzial Künstlicher Intelligenz.

🎧 Wie verändert KI unser Leben? Und welche KI-Programme sind in meinem Alltag wirklich wichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen diskutieren Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub jede Woche in "Der KI-Podcast" – dem Podcast von BR24 und SWR.

Die Grenze zwischen Hilfe und Hypochondrie

Doch mit den neuen Möglichkeiten wachsen auch die Risiken. Eine Hausärztin beschreibt in "Der KI-Podcast", dass viele Patientinnen mit falschen Erwartungen in die Praxis kommen – teils ausgelöst durch vorherige Online-Recherche, zunehmend auch durch KI-generierte Diagnosen. Komplexe, seltene Krankheiten, die gut zu den eingegebenen Symptomen zu passen scheinen, verdrängen dabei oft die wahrscheinlichere banale Ursache – wie eine Erkältung oder Magenverstimmung.

Gerade Chatbots verstärken solche Effekte. Sie spiegeln das wider, was ihnen gegeben wird, aber ohne kritische Rückfragen oder menschliches Feingefühl. Eine Diagnose basiert auf statistischer Wahrscheinlichkeit, nicht auf persönlichem Eindruck oder ärztlicher Erfahrung.

Zwischen Datenflut und Diagnosehilfe

Dass KI dennoch ein enorm hilfreiches Werkzeug sein kann, zeigt ein Beispiel aus der Augenheilkunde. Immanuel Seitz, Augenarzt an der Universitätsklinik Tübingen, erinnerte sich an einen Fall, bei dem er den Namen einer seltenen genetischen Erkrankung partout nicht finden konnte. "Ich habe ChatGPT gefragt, welche die häufigsten Organerkrankungen in dem Bereich sind – und da war sie dann auf der Liste."

Für spezialisierte Anwendungen wird KI schon heute erfolgreich eingesetzt. In England etwa analysieren KI-basierte Geräte bei Seh- und Augenexperten den Augenhintergrund, um frühzeitig Hinweise auf Netzhauterkrankungen zu geben – insbesondere bei Risikogruppen wie Diabetikern.

"Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können"

Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel sehen viele Ärztinnen und Ärzte die KI als wichtige Unterstützung. Seitz betont: "Wenn in zehn Jahren eine KI die Hälfte meiner Arbeit macht, habe ich wahrscheinlich noch genauso viel Arbeit wie vorher." In seinem Arbeitsalltag mit bis zu 60 Patienten täglich sei jede Form von Hilfe willkommen.

Die KI wird nicht den Arzt ersetzen, aber sie verändert seine Rolle. Statt ausschließlich Diagnostiker zu sein, könnten Ärztinnen künftig stärker als Therapiemanager agieren – die KI liefert die Analyse, der Mensch entscheidet mit Überblick und Erfahrung. Ein mögliches Zukunftsbild: Vor dem Praxisbesuch spricht der Patient erst mit der KI, die Anamnese wird vorbereitet, der Mensch ergänzt.

Klar ist: Die medizinische Versorgung der Zukunft wird ohne KI kaum denkbar sein. Und die beste Versorgung entsteht vermutlich dort, wo menschliche und künstliche Intelligenz gemeinsam arbeiten – nicht gegeneinander.

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