Lassana Diarra (Real Madrid) im Duell mit Lionel Messi (FC Barcelona).
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Lassana Diarra (Real Madrid) im Duell mit Lionel Messi

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Transfer-Fall Diarra: Kommt heute ein neues "Bosman-Urteil"?

Transfer-Fall Diarra: Kommt heute ein neues "Bosman-Urteil"?

Können Fußballer wie andere Arbeitnehmer bald problemlos vorzeitig aus ihren Verträgen aussteigen? Darüber wird vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt. Der Fall Lassana Diarra könnte den Transfermarkt verändern wie einst das Bosman-Urteil.

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Am Dienstagabend wurde der Münchner Fußballer Serge Gnabry in der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Auswärtsauftritt des FC Bayern bei Aston Villa gefragt, ob er in schwereren Zeiten und inmitten der Weggangs-Diskussionen in München eigentlich an einen Wechsel gedacht habe. Der inzwischen wieder rundum glückliche Gnabry antwortete unmissverständlich: "Eigentlich nicht, ich habe ja noch zwei Jahre Vertrag."

Diarra verklagt Fifa: Folgen für den gesamten Fußball?

Bei diesem Statement fällt auf: In diesem System sind die Spieler ganz schön fest an ihre Vereine gebunden. Einfach einseitig den Vertrag auflösen wie andere Arbeitnehmer? Schwierig - wegen der folgenden Sanktionen.

Doch das könnte sich bald ändern. Der Fußball-Transfermarkt steht möglicherweise vor einer seiner weitreichendsten Veränderungen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird am Freitag im Fall des Fußballspielers Lassana Diarra eine Entscheidung treffen. Der Franzose, der unter anderem für Real Madrid spielte, hat den Weltfußballverband FIFA auf Schadensersatz verklagt und könnte damit zum Revoluzzer werden. Das Urteil könnte für ähnliche Umwälzungen sorgen, wie es einst das Bosman-Urteil 1995 tat, schätzen Experten ein. FC Bayerns Manager Uli Hoeneß sah damals "mittelfristig das ganze System kaputtgehen".

Bosman-Urteil veränderte den Transfermarkt

Der Fußballer Jean-Marc Bosman erreichte 1995, dass Profifußballer in der Europäischen Union nach Ende des Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln dürfen - das war zuvor nicht möglich. Alle Klubs erhielten noch eine extra Entschädigung. Durch Bosman entwickelte sich erst das heutige Transfersystem, dass Spieler aus ihren Verträgen herausgekauft werden.

Zum anderen brachte der Fall die im europäischen Sport bestehenden Restriktionen für Ausländer zu Fall. Das heißt: Eine Ausländerbeschränkung gab es im Fußball fortan nicht mehr - in manchen anderen Sportarten ist das übrigens noch heute anders. "Bosman hat niemanden überrascht", sagt der Münchner Sportrechtsanwalt Mark-Eduard Orth ob der Rechtslage im Gespräch mit BR24Sport. Was auch heißt: Dieses Mal wäre es schon auch anders. Orth steht in Kontakt mit der Diarra-Seite und verfolgt die Urteilsfindung mit großem Interesse.

Auch der Diarra-Fall stellt das bestehende Transfersystem infrage

Generalanwalt Maciej Szpunar hat sich am 30. April in seinem Schlussplädoyer vor dem EuGH eindeutig für die Seite von Diarra positioniert - und somit gegen das Transfersystem des Weltfußballs.

Die Grundlage der Klage: Der heute 39-jährige Diarra unterschrieb im Jahr 2013 einen langfristigen Vertrag bei Lokomotive Moskau. Ein Jahr darauf löste er den Vertrag ohne triftigen Grund, wie der Internationale Sportgerichtshof CAS entschied, auf. Und dann begannen die Schwierigkeiten auf dem Fußball-Transfermarkt für Diarra: Neue Arbeitgeber wurden durch die FIFA-Regularien abgeschreckt, der mögliche neue Klub Charleroi befürchtete Sanktionen.

Transfersperre - 1. FC Köln hat das FIFA-Reglement schmerzlich erlebt

Denn: Das FIFA-Reglement sieht vor, dass bei vertragsbrüchigen Spielern der neue Klub eine Entschädigung zahlen muss. Zudem droht dem aufnehmenden Klub eine Transfersperre, falls er den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat. So wie es aktuell der 1. FC Köln erlebt - nach der Verpflichtung von Jaka Cuber Potocnik. "Diese Transfersperre setzt den alten Klub in eine starke Position", findet Orth. So stark, dass andere Vereine fast schon erpresst werden könnten.

Weil Diarra nicht nach Charleroi wechselte (sondern erst ein Jahr später in Marseille anheuerte und seine Karriere 2019 bei Paris St. Germain beendete), verklagte er die FIFA auf Schadensersatz. Nun geht es um die Fragen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Kartellverbot, gegen das das Sportsystem der FIFA verstoßen könnte. EuGH-Generalanwalt Szpunar erklärte in seinen Schlussanträgen vom 30. April, dass das nach seiner Sicht der Fall ist.

Sportrechtsanwalt Orth: "Viel größere Macht für die Sportler"

Würden die EuGH-Richter in ihrem Urteil diesen Anträgen folgen, sähe Orth das als "Empowerment" für die Athleten. "Aktuell sind die Spieler fast schon an den Klub gebunden" - wie es Gnabry ja selbst erläutert. Sollte der EuGH zu Gunsten von Diarra entscheiden, hätten Spieler "eine viel größere Macht, den Klub zu wechseln", erklärt Orth, der das aktuelle System für problematisch hält: "Wir haben riesige Auswirkungen auf den Athleten. Der kann sich nirgendwo anbieten. Wir reden nicht über Sklavenhandel, sondern freie Menschen, die sich frei ihren Arbeitsplatz aussuchen dürfen."

Der Kartellrechtsexperte Orth verweist auf das Beispiel der US-Tech-Firmen Apple, Google, Intel und Adobe, die sich absprachen, keine Mitarbeiter abzuwerben. Damit wurde die Wettbewerbsfreiheit der einzelnen Arbeitnehmer massiv beschränkt. Die Unternehmen zahlten in einem Vergleich letztlich mehrere Hundert Millionen Dollar, weil das Kartell der IT-Riesen unzulässig war. Ähnlich könnte es nun der FIFA mit ihren Regelungen ergehen. Das Kartellrecht ist der Schritt zu Veränderungen.

Gehören Ablösesummen der Vergangenheit an?

Bleibt also die Frage: Wären die Umstürze im Transfermarkt nach dem Fall Diarra auch so heftig wie nach dem Bosman-Urteil? Radikal gedacht könnte den Vereinen nach Szpunars Ansicht künftig gegen vertragsbrüchige Spieler nur noch ein Schadensersatzanspruch aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag zustehen. So könnten Spieler trotz langfristiger Verträge deutlich schneller ihren Arbeitsplatz wechseln - wie es anderen Arbeitnehmern auch zusteht. Die immer üppigeren Ablösesummen gehören der Vergangenheit an.

Orth, zu dessen Mandanten unter anderem internationale Sportverbände, und Bundesliga-Klubs gehören, hat aber trotz der positiven Aussichten in Lassana Diarras Fall eine gewisse Grundskepsis, dass es am Freitag zu einer ähnlichen Revolution wie bei Bosman kommt. Das liegt darin begründet, dass die FIFA ein gewisses "Beharrungsvermögen" erlernt habe, dem mittlerweile schwerer beizukommen ist. Zudem sei es auch denkbar, dass die FIFA in ihrer Verteidigungsstrategie auch schon minimale Veränderungen im Sinn hat, die das Transfersystem letztlich schützen. Dass noch einmal "das ganze System kaputtgeht", wie es einst Uli Hoeneß sah, dürfte vermutlich nicht vorkommen.

Im Video: Jean-Marc Bosman - Porträt eines Revoluzzers

Ein Transfermarkt-Revoluzzer? Lassana Diarra
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Ein Transfermarkt-Revoluzzer? Lassana Diarra

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