06.02.2025, Österreich, Saalbach-Hinterglemm: Ski alpin: Weltmeisterschaft, Super G, Damen. Emma Aicher aus Deutschland reagiert im Zielraum. Foto: Jens Büttner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Ski-Ass Emma Aicher: "Ich war überfordert"

Ski-Ass Emma Aicher: "Ich war überfordert"

Emma Aicher, das schwedisch-deutsche Ski-Ass, triumphiert im Weltcup trotz anfänglicher Überforderung. Vom Internat in Berchtesgaden bis zu ihren ersten Siegen in der Abfahrt und im Super-G: Ihre Geschichte ist inspirierend.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Der Watzmann liegt da, als wäre er eine kitschige Fototapete. Es hat frisch geschneit. Der weiße Überzug auf den Gipfeln glänzt in der Sonne, im Tal riecht es aber schon nach Frühling. Die Sonne strahlt über dem Berchtesgadener Land und der Christophorus Schule, wo Deutschlands größte Ski-Hoffnung den Grundstein für ihre Karriere legte.

Aicher - Rohdiamant mit außergewöhnlichem Skigefühl

In der Christophorus Schule trainiert die Elite des Deutschen Skiverbandes am Bundesstützpunkt. Mit 16 Jahren kommt Aicher von Schweden nach Deutschland. Sie zieht ins Internat nach Berchtesgaden und hat erstmal einen schweren Start: "Es war alles neu. Die Schule, die Lehrer, die Trainer und die Sprache. Ich war erstmal überfordert", gesteht die heute 21-jährige.

Ihre Mutter ist Schwedin, ihr Vater Deutscher. Sie wächst in Schweden auf, lebt als Kind aber drei Jahre in der Schweiz. Seit sie sich vor gut fünf Jahren für den Deutschen Skiverband entschieden hat, gilt sie als Rohdiamant mit einem außergewöhnlichen Skigefühl. Sie startet in allen vier alpinen Disziplinen. Ihr Skifahren sieht meistens leicht und unbekümmert aus. Wer allerdings Interviews nach ihren Rennen hört, erfährt nicht viel.

Lustig, locker und bei allen beliebt

Witzige und freche Fotos postet sie gerne auf ihren Social-Media-Kanälen. Mit Teamkolleginnen hat sie immer Spaß - die Gratulationen zu ihrem ersten Sieg kamen von Athletinnen aller Nationen, alle wollten mit ihr feiern. Sie ist sehr beliebt im Weltcupzirkus. Dort kann sie meistens Englisch sprechen - und über das, was sie liebt: das Skifahren.

Als BR-Moderatorin Julia Scharf Aicher Anfang April in Berchtesgaden trifft, erlebt sie genau diese lockere und lustige Emma. Wenn sie keine Live-Interviews direkt nach dem Rennen geben muss, dann ist sie entspannt. Manchmal muss sie noch überlegen, wie man die perfekte Formulierung im Deutschen findet, aber das gelingt ihr immer besser.

Sie plaudert drauflos über die Kindheit in Schweden: "Ich durfte alles ausprobieren, hab viele Sportarten gemacht und war viel draußen. Mein Papa war eher Langläufer. Das hab ich auch gemacht, aber das war nichts für mich. Ständig anschieben und man ist so langsam," lacht sie. Das Tempo, der Speed - das ist eher was für die 21-jährige.

Von Null auf Medaille - auf einmal hat es "Klick" gemacht

Im Jahr 2020 fährt sie ihre ersten Europacuprennen. Ohne einen einzigen Weltcupstart wird sie für die Weltmeisterschaft in Cortina d'Ampezzo 2021 nachnominiert und holt mit der Mannschaft sofort die Bronzemedaille. Ein Jahr später gewinnt sie bei den Olympischen Spielen in Peking im Teamwettbewerb sogar Silber.

Die ersten Medaillen bei Großereignissen holt sie, bevor sie überhaupt richtig im Weltcup-Alltag angekommen ist. Dort fährt sie alle Disziplinen. Das bedeutet ein unglaubliches Trainings- und Reisepensum. Schnell diskutieren Experten, ob es dem jungen Talent nicht zu viel wird, ob man nicht eine Disziplin weglassen sollte. Die Einschätzungen von außen lässt sie aber nicht an sich heran.

Aicher fährt alle vier Disziplinen -"für mich kein Problem"

"Die von außen kriegen ja nicht alles mit. Ich versuche mich an meinen Plan zu halten und von dem bin ich überzeugt. Und meine Trainer haben auch einen Plan. Wenn ich mal müde werden sollte, dann nimmt man mich halt raus. Aber weil es mir so Spaß macht, Rennen zu fahren, ist es für mich kein Problem."

Sie freut sich eher, dass sie das Vertrauen bekommt, alles fahren zu können. Im Slalom fährt sie schon Top-Ten-Ergebnisse ein. Bei der Weltmeisterschaft in Saalbach fühlt sie sich plötzlich auch auf den langen Ski richtig wohl. Nach guten Trainingsleistungen landet sie in der Abfahrt und im Super-G auf Platz sechs.

Aicher überrascht bei alpiner Ski-WM

"In Saalbach hatte ich eigentlich vom ersten Training an ein gutes Gefühl. Da war ich aber auch sehr überrascht, als ich im Ziel angekommen bin. Ich konnte von Anfang an so Skifahren, wie ich Skifahren wollte, ich konnte meinem Plan folgen und ab da hat’s irgendwie Klick gemacht", so die 21-Jährige.

Kurz danach fährt sie beim Weltcup im norwegischen Kvitfjell zum ersten Mal aufs Podest. Rang zwei in der Abfahrt. Einen Tag später dann der erste Sieg in der Abfahrt. Der Knoten ist geplatzt. Zwei Wochen später holt sie auch den ersten Sieg im Super-G.

Angekommen im Konzert der Großen

Sie ist die einzige, die für den DSV in dieser Saison ganz oben auf dem Podest steht. Experten und auch ihre Trainer wissen, dass sie irgendwann den Sieg im Gesamtweltcup anstreben kann.

Die letzte Deutsche, die das geschafft hat, ist Maria Höfl-Riesch im Jahr 2011. Aicher war damals gerade einmal zehn Jahre alt, doch Erinnerungen an Höfl-Riesch hat sie dennoch: "Ihr Skifahren sah immer so leicht und so sicher aus - es wirkte irgendwie einfach.“

Damit hat sie irgendwie auch ihren eigenen Stil beschrieben. Ein leichtes Schmunzeln verrät, dass ihr das auch gerade selbst auffällt. Und mit dieser Leichtigkeit steigt sie in ihr Auto und fährt Richtung Frühling - mit Blick auf den immer noch verschneiten Watzmann.