Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke spricht im Interview mit BR24 vom "Endspiel" der Ampel. Mit zwei getrennten Gipfeltreffen haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) unabhängig voneinander auf die Suche nach Wegen aus der Wirtschaftskrise gemacht.
Uneinigkeit in der Ampel in Wirtschaftspolitik
Der Industriegipfel, den Scholz vor zwei Wochen im Alleingang ohne seine Koalitionspartner in die Spur brachte, hat für viel Wirbel gesorgt. Die Reaktionen von Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) offenbarten, wie tief die Risse in der Koalition inzwischen sind.
Habeck legte ein Impulspapier vor, in dem er einen milliardenschweren Fonds für mehr Investitionen fordert, der mit Lindner und Scholz kaum zu realisieren ist. Lindners FDP-Fraktion stellte kurzerhand den Gegengipfel mit dem Arbeitgeberverband und Vertretern von Mittelstand und Handwerk auf die Beine.
Zwei Ampel-Gipfel mit der Wirtschaft an einem Tag
Spekulationen über ein nahendes Aus der Koalition mit SPD und Grünen wies Lindner am Dienstag zurück. "Es gibt auch so etwas wie eine Regierungsverpflichtung, und für Deutschland ist es allemal besser, wenn eine Regierung eine gemeinsame Richtung findet, sie beschreibt und umsetzt", sagte er.
Nur dreieinhalb Stunden nach dem von der FDP-Bundestagsfraktion organisierten Treffen im "Clubraum" des Reichstagsgebäudes kam Scholz nur wenige hundert Meter entfernt im Kanzleramt mit Industrieverbänden, Gewerkschaften und ausgewählten Großunternehmen zu einem vertraulichen Gespräch zusammen. Sein Ziel: Eine "neue industriepolitische Agenda" mit konkreten Maßnahmen für mehr Wachstum und für die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Kann sich die Ampel auf einen Etat einigen?
Ob die Koalitionäre sich bis zur Entscheidung über den Haushalt auf eine gemeinsame wirtschaftspolitische Linie einigen können, ist fraglich. Schon am 14. November ist die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, bei der die Abgeordneten den Etat für das kommende Jahr festzurren wollen.
Wenn sich die Koalition dann nicht darauf verständigt, wie sie die noch offenen Milliardenlücken stopfen will, steht sie am Abgrund.
Wirtschaft fordert einheitliche Linie der Ampel
Konkrete Ergebnisse waren für beide Treffen am Dienstag von vorneherein nicht geplant. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte die Regierung nach dem FDP-Gipfel eindringlich auf, ihre Differenzen zu überwinden und eine gemeinsame Strategie für alle Wirtschaftsbereiche zu entwickeln. "Sie muss gemeinsam – und ich betone gemeinsam – die richtige Wirtschaftspolitik machen, diesen Standort wieder wettbewerbsfähig zu machen."
Auch der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Martin Wansleben, fordert, dass die Ampel wieder an einem Strang ziehe. "Der erste Schritt ist jetzt mal aufhören zu diskutieren, ob der Haushalt durchkommt, sondern Haushalt durchbringen." Außerdem müssten der Bund-Länder-Beschleunigungspakt, das sogenannte Deutschland-Tempo umgesetzt, Energiekosten gesenkt und die Sozialabgaben reformiert werden. Die Situation der Wirtschaft sei aber so komplex, dass nicht ein Knopfdruck reiche, um das Problem zu lösen, so Wansleben. Deshalb erwartet er einen weiteren Dialog in der Ampel. "Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Bundesregierung sich intern ein bisschen sortieren muss, um sich die Karten zu legen, um zu wissen, was sie dann gemeinsam vorschlagen."
Mit Informationen der dpa.
Im Video: Wirtschaftskrise - Bundesregierung ohne Konzept?
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