Früherer Häftling der JVA Gablingen
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Früherer Häftling der JVA Gablingen

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"Ich lag gefesselt am Boden, dann traten sie mir ins Gesicht"

"Ich lag gefesselt am Boden, dann traten sie mir ins Gesicht"

Gegen die JVA Gablingen stehen Folter-Vorwürfe im Raum. Nun sprechen erstmals betroffene Häftlinge. Es geht um Misshandlungen und die Haft in speziellen Keller-Zellen. Demnach könnten die Übergriffe schon früher begonnen haben als bislang bekannt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Seinen Namen will der frühere Häftling der JVA Gablingen nicht veröffentlichen. Aber er will sprechen über das, was er in der Haftanstalt im Landkreis Augsburg erlebt hat. Vor allem über einen Tag im Wartezimmer des Anstaltsarztes.

Dem BR erzählt der junge Mann, damals seit Wochen an Übelkeit, Schwindel und Erbrechen gelitten zu haben. Doch noch bevor er ins Behandlungszimmer durfte, habe ihn ein Beamter wieder zurück in die Zelle schicken wollen. Der Häftling weigerte sich jedoch und blieb sitzen. "Der Beamte hat sich dann seine Handschuhe angezogen und gesagt: 'Letzte Chance'". Doch der Häftling sei weiter sitzen geblieben und habe betont, schon seit Wochen auf einen Arzttermin zu warten.

"Die Beamten schlugen weiter auf mich ein"

Dann habe der Beamte einen Knopf gedrückt. "Von überall kam Personal angerannt und sie haben auf mich eingeprügelt", so der Ex-Häftling. Anschließend hätten sie ihn auf eine Liege am Boden bugsiert. "Als ich schon an Händen und Füßen gefesselt war, schlugen und traten die Beamten weiter auf mich ein, darunter auch Tritte ins Gesicht, sowie Schläge mit dem Knie ins Gesicht."

Er habe starke Schmerzen gehabt und geblutet. In diesem Zustand sei er in einen der sogenannten "besonders gesicherten Hafträume" im Keller der JVA gesperrt worden. Der Mann berichtet, dass er nackt eingeschlossen wurde. Die Papierunterhose, die ihm zustand, habe er nicht bekommen. Drei bis fünf Tage sei er dort eingesessen. "Genauer kann ich es nicht sagen, da ich aufgrund der ständigen Dunkelheit kein Zeitempfinden mehr hatte."

Ex-Häftling der JVA Gablingen musste Blut von Zellwänden wischen

Am Wochenende hatten schon eine Anwältin und eine frühere Anstaltsärztin berichtet, wie sehr Häftlinge in den Keller-Zellen gelitten hätten. Ein weiterer früherer Häftling bestätigt diese Berichte. Er habe in der JVA Putz- und Säuberungsdienste übernehmen müssen: "Ich habe auch die besonders gesicherten Hafträume gesäubert. Dabei musste ich Blut von Böden und Wänden wischen. Ein Beamter erklärte mir in einem Fall, dass ein Inhaftierter mehrmals mit dem Kopf voraus auf den Boden gesprungen ist." Offenbar aus Verzweiflung. Bayerns Justizministerium erklärte, dass der Schutz der Gefangenen vor Selbstverletzung Priorität habe, "auch hinsichtlich der Ausstattung mit Kleidung, Decken und Matratzen".

Brisant: Die Prügel-Vorwürfe des Ex-Häftlings beziehen sich auf die Zeit, bevor die besonders in der Kritik stehende stellvertretende Gefängnisleiterin den Dienst begonnen hat. Demnach hätte es also auch schon davor Übergriffe gegeben.

Zugleich betonen die beiden Ex-Häftlinge, dass sich die Zustände noch verschlimmert hätten, als die jetzige stellvertretende Leiterin ihr Amt begonnen hatte. Die Stellvertreterin habe zuerst eine ganze Station mit normalen Zellen in Einzel-Arrestzellen umgewandelt – im Häftlings-Jargon "Bunker" genannt. Die bislang verfügbaren "Bunker"-Zellen seien nach ihrem Dienstantritt schon Monate im Voraus belegt gewesen. Das gemeinsame Mittagessen habe sie abgeschafft.

"Eine Aufseherin erwiderte: 'Halt die Fresse'"

Zudem sei das Personal immer gewalttätiger und herzloser geworden. Der frühere Häftling erinnert sich, wie er nach einem psychischen Zusammenbruch in seiner Zelle den Not-Knopf gedrückt habe und um Hilfe bat. Eine Aufseherin habe dann über Lautsprecher erwidert: "Halt die Fresse und setz Dich hin." Er habe sich daraufhin an die stellvertretende Leiterin gewandt. Doch die habe die Beschwerde einfach beiseite gewischt.

Aus seiner Zelle schrieb der Häftling Beschwerden an das zuständige Augsburger Amtsgericht, so berichtet er es. Bevor die stellvertretende Leiterin ihr Amt übernahm, habe er noch Antwort vom Gericht erhalten. "Nach dem Amtsantritt der Frau habe ich weitere Beschwerden ans Amtsgericht geschickt. Doch ich habe nie mehr Antworten zurückerhalten. Meine Vermutung ist, dass sie die JVA-Poststelle veranlasst hat, Briefe zu öffnen und nicht weiterzuleiten."

Anwälte weisen Anschuldigungen kategorisch zurück

Der Bayerische Rundfunk hat die JVA Gablingen und die Anwälte der stellvertretenden Leiterin zu den Anschuldigungen befragt. Diese schreiben zu den neuerlichen Vorwürfen: "Wir nehmen die Vorwürfe ernst und unsere Mandantin hat ein elementares Interesse daran, bei der Aufklärung zu unterstützen und die Anschuldigungen auszuräumen. Alle Maßnahmen, die in der Justizvollzugsanstalt von unserer Mandantin getroffen wurden, erfolgten ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und unter sorgfältiger Abwägung der Umstände des Einzelfalls." Bayerns Justizministerium hat jedoch inzwischen gegen die Frau ein Betretungsverbot für die JVA erlassen.

Die beiden früheren Häftlinge saßen wegen Körperverletzung bzw. Betruges in der JVA Gablingen ein. Beide haben zu ihren Haft-Erfahrungen eidesstattliche Erklärungen abgegeben. Sie ist ein in bestimmten Fällen vor Gericht zugelassenes Mittel der Beweisführung.

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