Zwei führende Wirtschaftsverbände in Bayern sind sich uneins. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) fordert, einen der 13 Feiertage im Freistaat abzuschaffen. Das stößt auf Widerstand beim Bayerischen Industrie- und Handelskammertag, BIHK. Dies sei weder gesellschaftspolitisch durchsetzbar noch unbedingt erforderlich, so BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz.
Grundsätzlich einig sind sich beide aber, dass eine Ausweitung der Jahres- und Lebensarbeitszeit ökonomisch nötig sei. Denn Lohnnebenkosten und Sozialausgaben stiegen, während die Zahl der Arbeitenden künftig stark abnehmen werde. Doch der BIHK formuliert ganz klar: Mehrarbeit ja, weniger Feiertage nein.
Was spricht für die Streichung eines Feiertags?
- Deutschland habe im europäischen Vergleich die meisten Feiertage, heißt es von Befürwortern, wie zuletzt der vbw. Doch das stimmt so nicht ganz. Spitzenreiter in Europa ist mit 15 Feiertagen die Slowakei, gefolgt von Malta, Griechenland, Zypern, Tschechien und Bulgarien mit jeweils 14 Feiertagen. Und auch unser Nachbar im Süden, Österreich, hat mit 13 Feiertagen mehr als Deutschland mit seinen bundesweit nur zehn Feiertagen. In Bayern sieht es etwas anders aus. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat der Freistaat mit 13 Feiertagen deutlich mehr als andere Bundesländer wie Brandenburg, Berlin oder Hessen mit lediglich 10. Da könnte ein Feiertag weniger möglicherweise verkraftbar sein.
- Die angeblich so fleißigen Deutschen arbeiten weniger als viele europäische Nachbarn. Laut EU-Statistikamt (externer Link) waren es 2022 im Schnitt knapp 35 Wochenstunden. In Griechenland hingegen wird 41 Stunden pro Woche gearbeitet, in Bulgarien, Polen oder Portugal rund 40 und sogar in Schweden, Spanien, Italien und Frankreich sind es zwischen 38 und 37 Wochenstunden. Die Abschaffung eines Feiertags würde in Zeiten, in denen Deutschland im internationalen Vergleich immer weiter zurückfalle, den Standort stärken, der ohnehin durch hohe Lohnnebenkosten belastet ist. Gerade für international aufgestellte Unternehmen sei es teurer Luxus, Arbeitskräfte in Deutschland zu beschäftigen statt zum Beispiel in Spanien, Italien oder Südkorea, heißt es von Befürwortern.
- Mit der Abschaffung eines Feiertags würde dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) zufolge das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schnell und effektiv steigen. Ein zusätzlicher Arbeitstag erhöhe das deutsche BIP um bis zu 8,6 Milliarden Euro, haben die Wirtschaftsforscher ausgerechnet. Laut IW-Präsident Michael Hüther sei die Streichung von Feiertagen hierzulande durchaus machbar und verweist auf die Abschaffung des Buß- und Bettags im Jahr 1995.
Was spricht dagegen?
- Ganz anderer Meinung ist Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Der Arbeitskräftemangel hierzulande werde nicht durch weniger Feiertage oder steuerliche Privilegien für Überstunden in Vollzeit gelöst. Der Schlüssel sei vielmehr der Abbau der zahlreichen Hürden für die Erwerbstätigkeit von Frauen, Geflüchteten und Menschen aus dem Ausland.
- Haupthindernis für die Mehrarbeit, gerade von Frauen, ist immer noch die schlechte Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf. Viele Frauen arbeiten ja nur deshalb Teilzeit, weil sie Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, würden aber gerne mehr Stunden in ihrem Beruf tätig sein. Statt Feiertage abzuschaffen, sollten hier Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, meinen die Gegner der Streichungspläne, z.B. mit flexibleren Angeboten von Arbeitgebern oder besseren Betreuungsangeboten.
- Was auch fehlt, sind Investitionen von Unternehmen in die Qualität der Arbeitsplätze, um die Produktivität zu erhöhen. Diese Investitionen sind ähnlich wie bei der staatlichen Infrastruktur seit Jahren rückläufig. Ein zusätzlicher Werktag lockt keine Fachkräfte ins Land, er ändert nichts an der ausufernden Bürokratie, bringt Digitalisierung nicht voran, sichert nicht die Sozialsysteme und setzt der alternden Gesellschaft nichts entgegen, so meinen Gegner der Streichung eines Feiertags.
- Der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern lehnt längere Arbeitszeiten grundsätzlich ab, auch die Streichung von Feiertagen. Viele Beschäftigte seien schon jetzt extrem be- und überlastet. Stressbedingte Erkrankungen bei den Beschäftigten hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sagte der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl.
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