"Wir haben zehn Jahre lang auf diesen Tag gewartet", sagte der Kläger Saúl Luciano Lliuya vor Beginn der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht. Er fordert als Kläger von RWE, sich an Schutzmaßnahmen gegen den Klimawandel in seiner Heimat zu beteiligen.
Ist RWE mitverantwortlich für die Gletscherschmelze?
Lliuya, der als Bergführer und Landwirt tätig ist, erhebt gegen RWE den Vorwurf, dass das Unternehmen als einer der größten Treibhausgasemittenten Europas und Betreiber von Kohlekraftwerken mitverantwortlich dafür sei, dass der Andensee Palcacocha wegen einer Gletscherschmelze überlaufen könnte. Die dann entstehende Flutwelle würde seine Heimatstadt Huaraz etwa 1.500 Meter unterhalb des Sees bedrohen, so Lliuya. RWE müsse sich an daraus resultierenden Kosten etwa für Schutzbauten beteiligen.
Wenn die Klage Erfolg hat, könnte dies weitere Verfahren zum Thema Klimawandel stärken, sagten Lliuya und seine Anwältin Roda Verheyen vor der Verhandlung. Auch die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und die Stiftung Zukunftsfähigkeit unterstützen die Klage.
Gutachter bewerten zunächst das Ausmaß der Gefahr
Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht hat schon jetzt international für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Gericht hatte 2017 entschieden, dass es einen zivilrechtlichen Anspruch zum Schutz von durch die Klimakrise Betroffenen gegen einen großen Emittenten wie den Energiekonzern RWE grundsätzlich für schlüssig hält. Damit wurde der Eintritt in die aktuell laufende Beweisaufnahme beschlossen.
Diese beginnt nun mit der Anhörung von Gutachtern zu der Frage, ob überhaupt die hinreichende Gefahr einer Flutwelle für Lliuyas Haus besteht. Erst wenn das Gericht diese Gefahr sieht, geht es zu einem späteren Zeitpunkt um einen möglichen Einfluss von RWE und eine anteilige Haftbarkeit des Unternehmens.
Jurist: Ein Stein könnte "ins Rollen kommen"
Der Fall habe über Deutschland hinaus eine große Bedeutung, sagte Jan-Erik Schirmer von der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder dem WDR. Zu der Frage, ob ein Unternehmen für CO2-Emissionen haften könne, sei dies in Deutschland "der erste maßgebliche Fall". Wenn eine solche Klage Erfolg habe, könne ein "Stein ins Rollen kommen", so der Jurist. Konzerne, die sich auf ein fossiles Geschäftsmodell gründen, müssten sich dann fragen, ob dieses Geschäftsmodell noch eine Zukunft habe.
RWE verweist auf Einhaltung von Vorschriften
RWE weist die Vorwürfe zurück. Der Konzern argumentiert unter anderem, sich immer an staatliche Vorgaben für Treibhausgasemissionen gehalten zu haben. Inzwischen verfolge das Unternehmen auch das Ziel, bis 2040 CO2-neutral zu werden. Zudem gibt es laut einem Unternehmenssprecher "keine Rechtsgrundlage für die Haftung einzelner Emittenten für global wirkende Vorgänge wie den Klimawandel".
Mit Informationen von AFP und EPD
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