Fachkräftemangel
In Bayern arbeitet jeder vierte Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe, insgesamt sind es fast 1,4 Millionen Männer und Frauen. Allerdings zählt die Bundesagentur für Arbeit 18.000 Beschäftigte weniger als zu Beginn des Jahres 2024. Zum Verarbeitenden Gewerbe gehören alle Firmen, die Erzeugnisse be- oder verarbeiten, also vom Möbelbauer über den Tabakverarbeiter bis hin zur Automobilindustrie mit ihren Zulieferern. Deshalb wirkt die Konjunkturkrise nicht auf alle Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe und deren Beschäftigten gleichermaßen.
Die Unsicherheit habe dennoch in diesem Wirtschaftszweig zugenommen, sagt der Chef der bayerischen Arbeitsagenturen, Markus Schmitz - besonders im Automotive-Bereich, also der Automobilbranche, und in den metall- und elektroverarbeitenden Industrien. Die Arbeitsagenturen beobachteten allerdings, dass der Stellenabbau auch sozialverträglich ablaufe. Etwa dadurch, dass die Stellen der rentennahen Jahrgänge über Abfindungen und Frühverrentungsprogramme abgebaut werden. "Man will die Menschen nicht entlassen“, sagt Schmitz.
Gießerei mit 20 Arbeitszeitmodellen
Viele würden versuchen, ihre Stammbelegschaft zu halten: Das gilt auch für das Guss-Unternehmen Krause im mittelfränkischen Pappenheim. In der Halle mit der Gießerei entstehen aus unterschiedlichen Metallen Formen, die in Medizintechnik, in Windrädern oder in Schiffen verbaut werden. Erich Kuhn fängt hier um 3.30 Uhr in der Früh an und bereitet die Schmelzöfen vor. Er dürfte eigentlich schon in Rente gehen. Aber er arbeite einfach gerne, sagt der 64-Jährige, der seit 27 Jahren in der Gießerei arbeitet. Das Unternehmen versuche, auf jede Lebenslage der Beschäftigten einzugehen, erklärt Betriebsleiter und Prokurist Jochen Strunz. Deshalb gebe es etwa 20 Arbeitszeitmodelle im Betrieb.
Konjunkturschwäche und Transformationsdruck
Das Verarbeitende Gewerbe reagiert stärker auf die Konjunktur als andere Wirtschaftszweige, heißt es vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Die anhaltend schwache Wirtschaftslage erhöhe den Transformationsdruck. Das bedeutet, dass sich die Unternehmen beispielsweise auf digitalisierte Arbeitsabläufe und die Nutzung von erneuerbaren Energien umstellen, um klimaneutral zu arbeiten. Beim mittelfränkischen Guss-Unternehmen liegen Pläne für eine Photovoltaik-Anlage auf dem Betriebsgelände bereit. Außerdem werden Arbeitsabläufe automatisiert. Zwei Roboter im Unternehmen bearbeiten etwa die in der Gießerei gefertigten Formen weiter. Die Belegschaft hat den Maschinen Namen gegeben: "Erwin" und "Rainhard". Es sind die Namen von Kollegen, die in Rente gegangen sind.
Transformation sei kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf, sagt Jochen Strunz. Und sei mit großen Investitionen verbunden. Für ihn ist es wichtig, dass die Mitarbeiter einbezogen und die Herausforderungen angesprochen werden. Denn aus der Belegschaft kämen gute Initiativen. "Es werden auch Ideen entwickelt oder auch Vorschläge generiert, um gemeinsam in diese Richtung zu gehen, um auch keinen zu verlieren", so der Betriebsleiter.
Ausbildung nach wie vor angesagt
Zehn Prozent der rund 90 Mitarbeiter starken Belegschaft im Pappenheimer Unternehmen sind Auszubildende. Sie werden zu 100 Prozent übernommen, sagt Jochen Strunz. Die Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe investierten weiterhin stark in Ausbildung, erklärt der Chef der bayerischen Arbeitsagenturen, Markus Schmitz. Und das Risiko, in diesem Bereich arbeitslos zu werden, sei geringer als in anderen Wirtschaftszweigen.
Auch Harald Höglmeier beobachtet Veränderungen in der Branche. Er ist Geschäftsführer des familiengeführten Recycling-Unternehmens HP-T Höglmeier Polymer-Tech GmbH im mittelfränkischen Ellingen. Für seine Firma, die auch Kunden aus der Autobranche hat, seien die vergangenen beiden Jahre herausfordernd gewesen. Aber er profitiert auch davon. "Insbesondere, wenn die Industrie, die großen Unternehmen schwächeln, ist das immer die Chance für uns Mittelständler, gutes Personal zu rekrutieren", sagt Höglmeier.
Beim Bauunternehmen Michael Pichler im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zieht die Auftragslage bereits wieder an.
Zum Video: Wie die schwache Konjunktur den Fachkräftemangel kaschiert
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