Die Silhouette eines Bauarbeiters zeichnet sich auf einer Baustelle vor dem verfärbten Morgenhimmel ab.
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Im Kampf gegen den Fachkräftemangel fordert ein IAB-Experte ein grundlegendes Umdenken. (Symbolbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Julian Stratenschulte
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Im Kampf gegen den Fachkräftemangel fordert ein IAB-Experte ein grundlegendes Umdenken. (Symbolbild)

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Wie die Wirtschaftskrise den Fachkräftemangel verschärft

Wie die Wirtschaftskrise den Fachkräftemangel verschärft

Der Fachkräftemangel ist in vielen Betrieben seit Jahren ein massives Problem. Die Wirtschaftskrise dürfte die Entwicklung nochmals verschärfen. Experten fordern ein grundsätzliches Umdenken.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Schon im Januar waren sich Expertinnen und Experten ziemlich sicher: Auch heuer geht es für die Wirtschaft in Deutschland weiter bergab. So unterschiedlich die Herausforderungen der einzelnen Firmen auch sein mögen, ihre Reaktionen sind meist gleich: Es werden Stellen gestrichen. Oft läuft das sozialverträglich ab. Praktisch heißt das in vielen Fällen, dass die Unternehmen älteren Beschäftigten nahelegen, sich früher in den Ruhestand zu verabschieden – durch Altersteilzeitlösungen.

Dann stehen sie dem Arbeitsmarkt allerdings nicht mehr zur Verfügung. Experte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fordert bei dieser Praxis einen Kurswechsel – mit dem Ziel, den Arbeitsmarkt zu stärken.

Verfrühter Ruhestand "dank" Stellenabbau-Programmen

Egal ob bei Schaeffler, Brose, ZF oder Bosch: Stellenabbau-Programme haben so gut wie alle größeren Industrie-Unternehmen in der Region in den vergangenen Monaten angekündigt. Zuletzt sogar Siemens, trotz Milliardengewinnen. Meist läuft so ein Stellenabbau sozialverträglich ab, wie die Firmen dann immer betonen. "Das heißt, man versucht die Stellen nicht so zu streichen, dass Menschen wirklich in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Sondern – normalerweise – in den Vorruhestand", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Gerade schicken Firmen ältere Beschäftigte immer früher in den Vorruhestand, um ihre Stellenabbau-Programme sozialverträglich umsetzen zu können. Nach BR24-Informationen werden dafür in Extremfällen bei einzelnen Firmen sogar schon die Geburtsjahrgänge 1970 herangezogen. Heute 55-Jährige können dann "dank" der Stellenabbau-Programme teils in drei Jahren mit 58 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Ein Extrembeispiel, wohlgemerkt.

Realistischer ist ein um zwei bis drei Jahren verfrühter Renteneintritt. In jedem Fall gibt es finanzielle Einschnitte. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Viele Menschen arbeiten auch im Rentenalter weiter. Und das nicht nur, weil sie es aus finanzieller Sicht müssen.

Statt Vorruhestand: Arbeitskräfte lieber weiterentwickeln

Angesichts des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung fordert Arbeitsmarktexperte Enzo Weber bei dieser Praxis ein grundlegendes Umdenken. Denn trotz allgemeiner Wirtschaftskrise gebe es Bereiche, in denen Beschäftige gesucht würden. "Wir müssen dafür sorgen, dass Arbeitskräfte nicht einerseits 'aus dem Verkehr gezogen' werden – denn dann fehlen sie auf der anderen Seite", so Weber. Da gerade viele technische Berufe ähnliche Grundqualifikationen hätten, sei es besser, Beschäftigte weiterzuentwickeln, als sie vorzeitig in den Ruhestand zu schicken.

Das sei aber eine "Kooperationsaufgabe". Nicht nur die Firmen seien gefragt. Weber meint: "Arbeitspolitik muss das unterstützen." So spricht der Experte von sogenannten "Paketlösungen". Neben Qualifizierung, Vermittlung und Beratung könnte man auch "Teile einer Abfindung, die sonst für den Vorruhestand bezahlt würden, einsetzen (…) damit Menschen in anderen Jobs weiterarbeiten", so Weber. Diese Zahlungen schlägt er übergangsweise vor. Solange, bis die Job-Wechsler "wieder das gleiche Lohnniveau" erreicht hätten. Arbeitsmarkt sei mittlerweile auch Wirtschaftspolitik, begründet der Experte seinen Vorstoß.

Vorruhestands-Welle als Belastung für die Generationen-Gerechtigkeit

Dass wegen der Krise und der Stellenabbau-Programme der Firmen derzeit vermehrt Arbeitnehmer weit vor ihrem 67. Lebensjahr in den Ruhestand gehen, stellt auch die Generationengerechtigkeit vor neue Herausforderungen. Wenn weniger in die Rentenkassen eingezahlt wird, kippe das Rentensystem noch weiter, sagt Heiko Maas vom Institut für Generationenforschung in Augsburg. Wenn einerseits öffentlich über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters diskutiert werde, andererseits aber mehr Menschen verfrüht in den Ruhestand gehen, wirke das "schon sehr unrealistisch" auf jüngere Generationen, so Maas.

Mit Blick auf die Höhe der Rentengelder und die Kaufkraft sagt der Generationenforscher: "Was wir den Jüngeren da hinterlassen an Rente, ist natürlich ein Witz." Immerhin hätten heute 20- oder 30-Jährige noch Jahrzehnte Zeit, um gegenzusteuern und privat für die Rente vorzusorgen, sagt Maas.

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