Jemand steckt eine EC-Karte in einen Geldautomaten, um Bargeld abzuheben.
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Das Bargeld als Zahlungsmittel ist in der EU geschützt

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Wie eine angebliche Bargeldabschaffung Ängste schüren soll

Wie eine angebliche Bargeldabschaffung Ängste schüren soll

Rechtspopulisten warnen vor einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung, um Angst vor "totaler Überwachung" zu verbreiten. Wieso sich dieses Thema so gut dafür eignet und welche Rolle Verschwörungstheorien dabei spielen. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Darum geht's:

  • Das Recht auf Bargeld als Zahlungsmittel ist in der Europäischen Union auf Verfassungsebene verankert. Damit Bargeld abgeschafft werden könnte, müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.
  • Behauptungen zu einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung kursieren seit Jahrzehnten. Sie knüpfen häufig an Mythen einer jüdischen Finanzverschwörung an.
  • Besonders häufig verbreiten Akteure aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum Aussagen zu einer angeblichen Abschaffung des Bargelds.

In der Europäischen Union diskutieren Politiker und Wirtschaftsexpertinnen momentan über den digitalen Euro. Einige User im Netz leiten daraus die Sorge ab, das Bargeld werde bald abgeschafft. Solche Pläne hat die EU nicht. Stattdessen will die EU-Kommission mit einem anderen Gesetzentwurf die Verfügbarkeit von Bargeld weiter stärken und zum Beispiel dafür sorgen, dass Bargeld weiterhin in Geschäften akzeptiert wird.

Akteure wie die AfD-Politiker oder Anhänger der Querdenken-Bewegung schüren dennoch Ängste, mit der Warnung vor einem vermeintlich bevorstehenden Überwachungsstaat als Folge einer Bargeldabschaffung. Warum sich das Thema so gut dafür eignet, wer es immer wieder aufgreift und wo dabei an Verschwörungstheorien angeknüpft wird, zeigt dieser #Faktenfuchs.

Was hat die EU geplant?

Der digitale Euro soll, wenn es nach der EU geht, neben Bargeld und Kartenzahlung eine weitere Möglichkeit sein, zu bezahlen. Dazu hat die EU-Kommission im Juni einen Gesetzentwurf vorgelegt. Bargeldloses Bezahlen soll mit dem digitalen Euro gebührenfrei möglich sein. Der Gesetzentwurf wird derzeit noch debattiert – Expertinnen und Experten warnen etwa, dass er nicht genügend Schutz der Privatsphäre biete.

  • Das sollten Sie über den digitalen Euro wissen

Wie ist Bargeld rechtlich geschützt?

Der digitale Euro würde nach EU-Plänen Bargeld als Zahlungsmittel nur ergänzen, nicht ersetzen. Letzteres ginge schon alleine rechtlich nicht, schreibt Martin Selmayr, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Europarecht der Universität Passau und Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, in einem Post auf X (ehemals Twitter).

Das Bargeld ist auf EU-Ebene rechtlich auf Verfassungsebene verankert – anders als Forderungen, das Bargeld in die Verfassung Österreichs oder Deutschlands aufzunehmen, vermuten lassen.

Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union regelt, dass die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten die einzigen Banknoten sind, die in der Europäischen Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.

Laut Selmayr stellte auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil von 2021 fest, dass das EU-Recht einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die die Abschaffung des Bargeldes "bezweckt oder bewirkt".

Um Artikel 128 abzuändern und den Euro als Bargeld abzuschaffen, müssten alle 27 Mitgliedstaaten der EU zustimmen, bestätigt auch Rechtsanwältin Daniela Bergdolt im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Sie ist Spezialistin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht des Deutschen Anwaltvereins.

Es gibt Einschränkungen zur Bargeldnutzung

Auch wenn eine angebliche Bargeldabschaffung im Euro-Raum immer wieder im Netz in den Kommentarspalten und seitens politischer Parteien thematisiert wird (dazu später mehr): Es gibt derzeit keine konkreten Vorstöße, etwa der EZB, Bargeld abzuschaffen. Dafür gebe es "überhaupt keine Anzeichen", sagt Bergdolt.

Was es gibt, sind Maßnahmen, um etwa Geldwäsche einzudämmen. Seit 2019 geben die nationalen Banken in der EU zum Beispiel keine 500-Euro-Scheine mehr aus – mit Verweis darauf, "dass diese Banknote illegalen Aktivitäten Vorschub" leisten könnte. Weitere Maßnahmen, die als Einschränkung der Nutzung von Bargeld gelten: Immobilien dürfen in Deutschland schon jetzt nicht mehr bar bezahlt werden und diskutiert wird außerdem ein EU-weites Limit von 10.000 Euro für die Barzahlung.

Wie die untenstehende Karte zeigt, haben etliche andere EU-Länder bereits selbst festgelegt, bis zu welchem Betrag maximal bar gezahlt werden darf. Laut Europäischem Verbraucherzentrum Deutschland liegt diese Obergrenze zum Beispiel in Belgien bei 3.000 Euro, in Griechenland bei 500 Euro.

Grafik: Höchstgrenzen für Bargeldzahlungen in Europa

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Höchstgrenzen für Bargeldzahlungen in Europa.

Schweden: Bargeld kaum mehr genutzt

Nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen und Obergrenzen, auch die Gewohnheiten der Einwohner beeinflussen die Bargeldnutzung. Etwa in Schweden. Dort gibt es zwar weiterhin Bargeld, viele Geschäfte nehmen allerdings keine Barzahlung mehr an, die Bezahlapp Swish ist sehr beliebt. Der Anteil derjenigen, die bar zahlen, sank in den letzten Jahren stark, wie Zahlen der Schwedischen Nationalbank zeigen. 2022 gaben nur 8 Prozent der befragten Schweden an, bei ihrem letzten Einkauf bar bezahlt zu haben. 2010 waren es noch 39 Prozent.

Bargeld in Deutschland sehr beliebt

In Deutschland dagegen ist Bargeld laut einer Analyse der Deutschen Bundesbank (Seite 12) zum Zahlungsverhalten in Deutschland nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel. Die Befragung wird alle drei Jahre durchgeführt, zuletzt 2021. Damals zahlten 58 Prozent aller Befragten bar. Für 30 Prozent war Bargeld das bevorzugte Zahlungsmittel.

Einen Vorteil darin, bar zu zahlen, sahen über die Hälfte der Befragten darin, dass sie anonym bleiben und ihre Privatsphäre schützen könnten. Knapp die Hälfte gab an, durch das Zahlen mit Bargeld einen guten Überblick über ihre Ausgaben zu haben.

Grafik: Ergebnisse einer Umfrage: Vorteile von Barzahlungen gegenüber Kartenzahlungen

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Vorteile von Barzahlungen gegenüber Kartenzahlungen

Dominik Enste, Leiter des Kompetenzfelds Verhaltensökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, sagt im Interview mit dem #Faktenfuchs: "Wenn man keinerlei Spuren hinterlässt, kann das auch ein Stück Freiheit sein." Gerade die deutsche Geschichte mit dem DDR-Regime oder dem Nazi-Regime zeige, was passieren könne, wenn man keine Möglichkeiten mehr habe, unterhalb der Wahrnehmung des Staats Transaktionen zu tätigen.

Man könne beispielsweise in China sehen, welche Risiken bargeldloses Bezahlen bergen kann. In China ist Bargeld weitgehend als Zahlungsmittel verschwunden, stattdessen werden Apps wie WeChat zum Bezahlen genutzt. Diese werden allerdings von der chinesischen Regierung als Instrument zur Überwachung eingesetzt.

Wer verbreitet Spekulationen zur Abschaffung des Bargelds?

Spekulationen zu einer angeblichen Bargeldabschaffung gebe es in Deutschland schon seit Jahrzehnten, sagt Josef Holnburger, Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Sie kämen besonders dann auf, wenn es neue Regelungen zum Bezahlen mit Bargeld gibt - oder aktuell die Diskussion um den digitalen Euro.

Dominik Enste hält es für richtig, kritisch über bargeldloses Bezahlen zu diskutieren. Er führt insbesondere Sorgen um die Privatsphäre und Nachverfolgbarkeit an. Doch auch er beobachtet, dass sich manche diese Diskussion für Wahlplakate oder Kampagnen im Internet zunutze machen.

Laut Holnburger sind die wiederholten Warnungen zu diesem Thema vor allem von Akteuren aus dem rechtsextremen, verschwörungsideologischen oder auch populistischen Spektrum auffällig. "Da ist Bargeld über die letzten Jahrzehnte schon immer ein sehr beliebtes Thema gewesen, das haben wir immer wieder beobachtet."

Insbesondere die Querdenken-Bewegung habe sich den Kampf gegen eine vermeintliche Bargeldabschaffung als zentrales Thema auf die Fahnen geschrieben. In mehreren der einschlägigen regionalen Telegram-Gruppen der Bewegung wird der "Erhalt des Bargeldes" über Monate als zentraler Teil der politischen Forderungen aufgelistet, es gibt mehrmals Aufrufe dazu, an die Geldautomaten zu gehen und so viel Bargeld wie möglich abzuheben. Diese Forderung ist zum Beispiel auch auf einem Transparent bei einer Demo in Memmingen zu sehen.

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Transparent auf einer Demo.

Das Thema war schon während der Corona-Pandemie präsent. In dem Sammelband "Fehlender Mindestabstand" beschreibt der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume wie bei einer Querdenken-Rede in Stuttgart im Mai 2020 Corona und die Bargeldabschaffung als "zwei Seiten einer Medaille" und "Geschäftsmodelle" bezeichnet wurden.

Das zeigt laut Holnburger, wie virulent das Thema in der verschwörungsideologischen Szene ist. Auch die AfD setze sich wiederholt dafür ein, Bargeld zu erhalten - obwohl es hierzulande gar nicht bedroht sei. Erst im Juli behauptete die bayerische Spitzenkandidatin der AfD für die Landtagswahl, Katrin Ebner-Steiner, in einer Rede im Landtag, die EU habe die Wahl des Zahlungsmittels faktisch abgeschafft und "die endgültige Bargeldabschaffung vorbereitet" unter dem "Deckmantel der Geldwäschebekämpfung". Sie spricht von der "totalen Kontrolle über das Eigentum der Deutschen", die von der EU-Kommission geplant werde. Wie dargelegt, ist dies falsch.

Doch die Spekulationen verfangen bei den Usern im Netz. Nur zwei Beispiele: "Achtung!!! Bargeld soll weg!!!", schreibt ein User auf X. In der Kommentarspalte unter einem Artikel zum Thema schreibt wieder ein anderer: "Die wollen die totale Kontrolle und es wird kommen, so oder so."

Welche Rolle spielen Verschwörungstheorien dabei?

Die "totale Kontrolle" und der "Überwachungsstaat"- solche Formulierungen fallen immer wieder auf, wenn es um eine angeblich geplante Bargeldabschaffung geht. Es sind die Stichworte, die populistische Akteure nutzen, wenn sie über eine Bargeldabschaffung sprechen.

Diese Rhetorik, die den Totalitarismus und Überwachungsstaat beschwört, ist laut Holnburger von CeMAS "im deutschsprachigen Kontext auf jeden Fall immer wieder mit Verschwörungserzählungen verwoben." Natürlich gebe es auch legitime Kritik und Warnungen – Verschwörungserzählungen spielten aber im Gegensatz hierzu auf vermeintlich existierende geheime Pläne an und unterstellten den vermeintlichen Verschwörern absolute Boshaftigkeit.

Das beobachtet auch Christoph Schiebel, freischaffender Politikwissenschaftler, der sich in seiner Dissertation unter anderem mit rechtspopulistischen Verschwörungstheorien zur Bargeldabschaffung auseinandergesetzt hat. Dafür untersuchte er das Grundsatzprogramm der AfD. Er ordnet die Behauptungen zur Bargeldabschaffung darin als rechtspopulistische Verschwörungstheorie ein. Im Gespräch mit dem #Faktenfuchs sagt er: "Es wird von einer Elite ausgegangen, die nicht offen handelt, sondern im Verborgenen." Das sei typisch für Verschwörungstheorien.

In diesen Verschwörungstheorien wird häufig an bereits seit langem kursierende antisemitische Verschwörungsmythen wie die einer jüdischen Welt- beziehungsweise Finanzverschwörung angeknüpft. "Das ist etwas, auf das solche Verschwörungserzählungen, wenn sie jetzt kursieren, einzahlen", sagt Holnburger. Der Antisemitismus müsse dafür gar nicht immer konkret mit eingewoben sein, aber die Behauptungen zielten häufig darauf ab, dass es eine Weltverschwörung gebe. "Und da sind häufig jüdische Personen und Familien gemeint."

Ein Beispiel seien Verschwörungstheorien zur Europäischen Zentralbank (EZB), die sich auch auf ähnliche Erzählungen zur US-Notenbank Federal Reserve beziehen und die laut Schiebel auch AfD-nahe Nutzer verstärkt teilen. Die Zentralbanken werden als Institutionen betrachtet, die im Verborgenen eigentlich die Macht hätten und die Strippen zögen. Schiebel sagt: "Da wird davon ausgegangen, dass diese sinistren Mächte einem sehr schädlichen Plan folgen. Da ist dann auch von den Rothschilds oder anderen jüdischen Familien und Akteuren die Rede."

Der antisemitische Attentäter von Halle beispielsweise bezog sich auf solche Verschwörungstheorien zur EZB und Federal Reserve.

Warum eignet sich dieses Thema so gut, um Angst zu schüren?

Ob Bargeld tatsächlich in nationalen Verfassungen abgesichert werden muss oder ob wirklich eine Abschaffung droht, können Bürgerinnen und Bürger oft nicht einschätzen. Genau solche Themen, bei denen die Zusammenhänge komplex sind, eignen sich dafür, Ängste zu schüren. Holnburger sagt: "Weil das Thema Finanzen, Bargeld und Co. ein so komplexes ist, kann man dann ein unterkomplexes Weltbild anbieten."

Auch Dominik Enste verweist auf vereinfachte Zusammenhänge: "Da entstehen dann Ängste, die unnötig sind."

Eine vermeintliche Bargeldabschaffung ist nicht nur ein komplexes Thema. Es ist auch ein emotionales. Viele Menschen verbinden etwas mit Bargeld, sagt Enste: Weil man es als Kind zugesteckt bekommen hat, weil man – anders als bei der Kreditkartenzahlung – durch Bargeld einen besonderen Bezug zu Geld hat. Laut der Wirtschaftspsychologin Julia Pitters von der IU Internationalen Hochschule profitiert Bargeld durch "Haptik, Tradition, Bewährtheit". Und auch unser Gehirn reagiere auf Bargeld besonders, so Pitters in einem Beitrag des Informationsdiensts Wissenschaft: "Bargeld ist wie Drogen oder Essen. Im Hirn sind Areale ausgebildet, die auf den Geldreiz ansprechen. Sehen wir Geld, wird ein Belohnungszentrum aktiviert."

Werden dann Verschwörungstheorien dazu verbreitet, kann das Ängste auslösen, ein klassisches Merkmal von Desinformation, wie der #Faktenfuchs hier erklärt. Und ein Mechanismus, der seinerseits wiederum dazu beiträgt, dass solche Behauptungen verbreitet werden.

Fazit

In der Diskussion um den digitalen Euro schüren vor allem Akteure aus dem rechtspopulistischen Spektrum sowie Querdenken-Anhänger mit einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung Ängste. Sie knüpfen dabei häufig an Verschwörungsmythen an, die einen antisemitischen Kern haben.

Anders als diese Akteure suggerieren, ist Bargeld in der EU auf Verfassungsebene verankert. Derzeit gibt es weder Gesetze noch sind Gesetzesinitiativen bekannt, mit dem Ziel Bargeld abzuschaffen. Tatsächlich hat die EU-Kommission kürzlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem sie laut eigenem Bekunden Bargeld stärken möchte. Die EU-Kommission will aber eine Obergrenze für Bargeldkäufe einführen. In Deutschland gibt es außerdem ein Barzahlungsverbot für Immobilien.

Bargeld gewährleistet Anonymität und den Schutz von Privatsphäre – deshalb schätzen es viele Deutsche. Es ist ein emotionales und komplexes Thema – und deshalb anfällig für Verschwörungserzählungen, die ein vereinfachtes Weltbild anbieten.

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