Beim Bauunternehmen Michael Pichler im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zieht die Auftragslage bereits wieder an.
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Beim Bauunternehmen Michael Pichler im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zieht die Auftragslage bereits wieder an.

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Wie die schwache Konjunktur den Fachkräftemangel kaschiert

Wie die schwache Konjunktur den Fachkräftemangel kaschiert

Unter den größten Problemen der Wirtschaft scheint der Fachkräftemangel derzeit weniger präsent. Doch das Problem ist nicht behoben, sondern wird nur von der schwachen Konjunktur verdeckt. Am Bau und im Handel wächst der Bedarf bereits wieder.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das größte Problem für die deutsche Wirtschaft? Keine Frage: der Fachkräftemangel – so hieß es jahrelang ohne Zögern von den Unternehmen. Doch inmitten von Klagen über Bürokratie, Steuern oder Energiekosten scheint das Problem zuletzt in den Hintergrund gerückt zu sein.

Dabei ist der Fachkräftemangel mitnichten verschwunden. Vielmehr wird er derzeit von der schwachen Konjunktur überlagert, wie Statistiken und Umfrage zeigen. Tatsächlich dürfte er auch in den kommenden Jahren die neue Bundesregierung auf eine harte Probe stellen.

Fachkräftemangel in Bayern: Leichte Entspannung – aber nicht langfristig

Zwar entspannte sich die Situation auf den ersten Blick zuletzt leicht: Mitte 2023 konnten in Bayern rechnerisch noch gut 157.400 offene Stellen nicht mit passend qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern besetzt werden – der bisherige Höchststand. Vergangenes Jahr waren es hingegen nur noch 133.600, was rund 15 Prozent weniger entspricht. Diese regionalen Zahlen hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) exklusiv für BR24 ausgewertet.

Allerdings offenbaren regelmäßige Umfragen unter Unternehmen teils große Unterschiede – je nach Branche. Laut dem halbjährlich erscheinenden KfW-ifo-Fachkräftebarometer (externer Link) beeinträchtigt der Fachkräftemangel in der bayerischen Industrie Ende 2024 nur noch knapp 21 Prozent der Firmen (Ende 2022: knapp 47 Prozent).

Im Handel und im Baugewerbe stieg der Prozentsatz dagegen zuletzt zweimal in Folge an, auf rund 31 beziehungsweise 34 Prozent (in beiden Fällen ausgehend von 27 Prozent). Hier verschärfte sich der Fachkräftemangel also tendenziell wieder.

Grafik: KfW-ifo-Fachkräftebarometer für Bayern

Wirtschaftlicher Aufschwung bringt Fachkräftemangel geballt zurück

Dass sich die Branchen in verschiedene Richtung entwickeln, ist kein Zufall. Die Industrie benötigte deshalb so viel weniger Personal, weil dort "die Absatz- und Auftragsrückgänge am stärksten sind", erklären KfW und ifo-Institut.

"Sobald die Wirtschaft aber wieder in Schwung kommt und vermehrt Personal nachfragt, ist mit einem sehr großen Anstieg zu rechnen", sagt Jurek Tiedemann, der am Institut der deutschen Wirtschaft forscht.

Es ist, als hätte die schwache wirtschaftliche Lage beim Fachkräftemangel derzeit die Pause-Taste gedrückt.

Bauwirtschaft: Bedarf an Fachkräften wächst bereits wieder

Richard Bäuerle weiß, was das bedeutet. Er arbeitet für das Bauunternehmen Michael Pichler im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Die Firma beschäftigt rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, könnte nach eigener Aussage jedoch aus dem Stand direkt zehn Prozent mehr einstellen.

Bauleiter Bäuerle beobachtet bereits jetzt, dass die Bauwirtschaft allmählich wieder aus ihrem Tal kommt. Zieht die Konjunktur aber erst richtig an, ließe sich das Geschäft nicht unbegrenzt steigern. "Wenn man keine Fachkräfte hat, kann man natürlich auch weniger Aufträge annehmen", sagt er.

Wie dem Bauunternehmen dürfte es bei einem Aufschwung vielen Firmen gehen. Ohne genügend qualifizierte Beschäftigte aus dem Ausland, bleibt der deutsche Arbeitsmarkt ein Nullsummenspiel: Firma A wirbt Firma B einen Mitarbeiter ab – und verlagert damit das Problem der fehlenden Arbeitskraft nur, ohne es für den gesamten Markt zu lösen.

Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel: Wie passt das zusammen?

Als Folge dürfte der Fachkräftemangel früher oder später auch die Agenda der neuen Bundesregierung erreichen. Nur Milliarden mit einem Schuldenpaket für die Infrastruktur zu verteilen, baut noch lange keine Straßen oder Gebäude.

Einen Vorgeschmack gab es kürzlich bereits auf der Internationalen Handwerksmesse in München. Dort forderten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft neben anderen Reformen auch eine "umfassende Gesamtstrategie", bei der insbesondere die berufliche Bildung gestärkt werden müsse.

Bildung und Weiterbildung sind auch deshalb zentral, weil der Arbeitsmarkt von einem sogenannten "Mismatch" geprägt ist: "Betriebe, die einstellen möchten, suchen andere Qualifikationen als die verfügbaren", erläutert die Deutsche Industrie- und Handelskammer auf Basis ihres jüngsten Fachkräftereports (externer Link). Das zeigt: Mehr Arbeitslose und Fachkräftemangel schließen sich nicht gegenseitig aus.

Mögliche Folgen für Kunden: Längere Wartezeit und höhere Preise

Auch für Kundinnen und Kunden dürfte es Folgen haben, wenn die Auftragsbücher der Firmen voller werden: Zum einen dürfte es wieder länger dauern, einen Handwerker zu bekommen. Zum anderen könnte es auch teurer werden, da Arbeit als knappes Gut seinen entsprechenden Preis hat.

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