Verhaltener Applaus, ernste Mienen – die Stimmung beim Deutschen Arbeitgebertag spiegelt die wirtschaftliche Lage hierzulande wider. Deutschlands Wirtschaft schrumpft. Das geht weder an Wirtschaftsvertretern noch an Politikern spurlos vorbei. Können beide aktuell nicht miteinander?
"Es geht nicht um das 'Miteinander-Können'", meint Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) auf BR24-Anfrage. "Es geht um die Inhalte. Es fehlen wesentliche Impulse der Bundesregierung, der Deindustrialisierung entgegenzuwirken."
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Wirtschaft: Zu viel Bürokratie - zu wenig Investitionen
Der Ton für den Deutschen Arbeitgebertag in Berlin ist gesetzt. In der Hauptstadt treffen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Arbeitgeberpräsident Reiner Dulger aufeinander. Dulger will nicht klagen, wie er sagt, stimmt dann aber doch ein Klagelied an: "Der Standort Deutschland hat für Investoren an Attraktivität verloren."
Dulger sieht auch die Ampel-Regierung mit dafür verantwortlich, nennt unter anderem das geplante Rentenpaket "verkorkst", kritisiert das Bürgergeld. Die Forderungen der Wirtschaft - auf Bundesebene sowie in Bayern - sind klar: Bürokratie abbauen, Energiekosten senken, mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, das Bürgergeld umbauen.
Kanzler Scholz zwischen warnen und werben
Und die Antwort des Kanzlers? Er verweist zwar darauf, was die Ampel-Regierung alles auf den Weg gebracht habe: beispielsweise Bürokratieabbau und schnellere Einwanderung von ausländischen Fachkräften. Außerdem vergehe kaum eine Woche, in der nicht ein weiterer Teil der sogenannten "Wachstumsinitiative" der Regierung beschlossen werde – also Maßnahmen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Doch der Kanzler wirkt auch ratlos und resigniert, wenn er die Schuld an der wirtschaftlichen Lage an die EU abschiebt: "Da sind irgendwie die Gäule durchgegangen", so Scholz, als er EU-Vorgaben beim Thema Nachhaltigkeit als Beispiel nennt.
In einem Punkt scheinen sich Wirtschaft und Politik aber einig: "Wir müssen gemeinsam rauskommen aus dieser unguten Lage, in der schlechte Zahlen zu schlechter Stimmung führen und schlechte Stimmung zu noch mehr schlechten Zahlen", so Scholz.
Unternehmer kaum Vertrauen in Ampel-Regierung
Der Applaus wirkt verhalten. Der SPD-Kanzler kommt bei den Arbeitgebern nicht gut an. Das zeigt auch die aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): Demnach antworteten 90 Prozent der Unternehmer und 85 Prozent der Bevölkerung mit "nein" auf die Frage, ob die Bundesregierung durchdachte Konzepte zur Bewältigung der aktuellen Krisen hat. Für die Umfrage wurden 1.008 Bürger ab 18 Jahren sowie 280 Mitgliedsunternehmen der BDA befragt.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen tritt in Berlin auf die Bühne, will beschwichtigen, wenn er sagt: Die Kritik an denen "da oben" sei falsch: "Es ist nicht richtig, dass ´da oben` irgendwie eine abgekoppelte Kaste ist, das ist das falsche Bild auf eine Demokratie. Wir sind auf Zeit gewählt, wir sind Bürger dieses Landes, und wir müssen als Bürger dieses Landes am Ende alle einen gemeinsamen Weg suchen."
Wirtschaftsstandort Bayern mit Forderungen
Geht es nach den Arbeitgebern, muss die Politik jetzt Lösungen für die Wirtschaft suchen und finden, um den Wirtschaftsstandort wieder wettbewerbsfähig zu machen – auch in Bayern. Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) meint auf BR24-Anfrage: "Die gute Nachricht ist, dass in Bayern eine Vielzahl an hochinnovativen Start-ups und Hidden Champions zu Hause ist. Sie sind Eckpfeiler der bayerischen Wirtschaft und werden mit ihrer Innovationskraft die Märkte von morgen bedienen." Dafür müssten die Unternehmenssteuern schrittweise gesenkt werden.
Auch Bertram Brossardt von der vbw sieht etwas Positives: Die Ankündigung der Bundesregierung, beim Arbeitszeitgesetz und beim Lieferkettengesetz Verbesserungen vorzunehmen, "könnten in die richtige Richtung gehen." Aber: "Wenn man ehrlich ist, läuft derzeit nicht viel wirklich gut", so Brossardt.
Noch knapp ein Jahr hat die aktuelle Ampel-Regierung bis zur nächsten Bundestagswahl Zeit, um etwas zu ändern. Ob Politik und Wirtschaft einen gemeinsamen Weg finden? Das zumindest hat Kanzler Scholz angekündigt und zum Industriegipfel am 29. Oktober eingeladen. Dann wird sich zeigen, ob die "schlechte Stimmung" gedreht werden kann – das wollen sowohl die Bundesregierung als auch die Wirtschaft.
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