Ein Teller voller Tabletten. Viele Menschen, die abnehmen wollen, sehen Tabletten oder Spritzen - sogenannte Appetitzügler - als ihre einzige Chance.
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Tabletten sind meistens nicht der richtige und schon gar nicht der einzige Weg zum Abnehmen.

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Appetitzügler: Gefährlicher Hype oder sinnvolle Therapie?

Appetitzügler: Gefährlicher Hype oder sinnvolle Therapie?

Beim Kampf um eine schlanke Figur sehen viele Abnehmwillige Appetitzügler als Chance. Doch wem helfen die sogenannten Anorektika wie die Abnehmspritze Wegovy? Für wen sind sie gefährlich? Ein Pharma-Forscher und ein Ernährungsmediziner im Gespräch.

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Der Tesla-Milliardär Elon Musk hat es getan, die Influencerin Kim Kardashian und viele andere Prominente und weniger Prominente auch: Sie posteten ihre Abnehmerfolge in den sozialen Medien, die sie dank sogenannter Appetitzügler erreicht haben wollen. Doch was ist dran an den Appetitzüglern, wie sie in den Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy enthalten sind? Wem können sie wirklich helfen und für wen können sie gefährlich sein? Und wie gefährlich sind Produkte aus dem Internet, die ebenfalls den Appetit zügeln und zu einer guten Figur verhelfen sollen? Welche Rolle spielen dabei die Wirkstoffe Sibutramin und Amfepramon, die in Deutschland nicht mehr in Medikamenten zum Abnehmen enthalten sein dürfen?

Hans Hauner, Ernährungsmediziner der TU München sowie Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, und Timo Müller, Leiter der Abteilung für Molekulare Pharmakologie am Institut für Diabetes und Adipositas am Helmholtz Zentrum München, erklären die Wirkung, den Nutzen und die Gefahren von Appetitzüglern.

Was sind Appetitzügler genau? Wie funktionieren sie?

Appetitzügler sind "Medikamente, die den Appetit dämpfen", erklärt der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der TU München. Sie wirken im Gehirn, genauer: im wichtigsten Steuerungszentrum des vegetativen Nervensystems, dem Hypothalamus, beeinflussen das Sättigungsgefühl und sollen so das Gewicht senken. Davon zu unterscheiden sind "Schlankheitsmittel", wie der Mediziner die Produkte nennt, die frei verkäuflich sind und ebenfalls laut Angabe der Anbieter einen den Appetit zügelnden Effekt haben sollen. Laut Hauner sind die Versprechen der Anbieter nicht bewiesen, diese Präparate wirkten nicht und seien zudem sehr teuer.

Neben den Appetitzüglern gibt es Medikamente, die im Darm wirken, nicht im Gehirn. Sie sind eigentlich keine Appetitzügler, sondern "gewichtsreduzierende Medikamente", wie Timo Müller, Pharma-Forscher am Helmholtz Zentrum München, sagt. Die Medikamente, durch die Fette einfach wieder ausgeschieden werden und die so zur Gewichtsreduktion führen, werden oft auch als Appetitzügler bezeichnet.

Sind medikamentöse Appetitzügler generell verschreibungspflichtig?

Appetitzügler, wie zum Beispiel das Präparat Wegovy, sind generell verschreibungspflichtig – und recht teuer: Eine Vier-Wochen-Ration kostet rund 300 Euro.

Für wen sind Appetitzügler sinnvoll – und für wen gefährlich?

Appetitzügler seien für Menschen gemacht worden, bei denen es "eine medizinische Notwendigkeit gibt, das Gewicht zu reduzieren", betont Timo Müller. Das sei bei Menschen mit einem BMI von 30 der Fall, weil ab dann die Risiken für viele Erkrankungen, wie bestimmte Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen steigen. "Es kann aber auch sein, dass jemand schon ab einem BMI von 27 eine medikamentöse Therapie [mit Appetitzüglern, Anm. der Redaktion] braucht, wenn es bestimmte Begleiterkrankungen gibt, wie zum Beispiel Diabetes [...], bei zu viel LDL-Cholesterin oder zum Beispiel Krebserkrankungen", sagt der Forscher.

Sowohl der Pharma-Forscher Müller als auch der Ernährungsmediziner Hauner raten von einem missbräuchlichen Gebrauch der Appetitzügler ab. Einerseits seien die Präparate nicht dafür gemacht, "damit wir uns eine Bikini-Figur machen – drei Monate vor dem Urlaub", andererseits sei der gewichtsreduzierende Effekt der Appetitzügler umso schwächer, je weniger Körperfett man habe, sagt Müller.

Ist der Hype um Appetitzügler gefährlich?

Als Nebenwirkungen der Appetitzügler können vor allem Übelkeit und Erbrechen auftreten. Der Ernährungsmediziner Hauner sieht den Hype um vermeintliche Appetitzügler, wie sie im Internet angeboten werden, aber noch aus einem ganz anderen Grund kritisch: In diesen Produkten steckten zum Teil Substanzen drin, "die wir schon vom Markt genommen haben", so Hauner – wie zum Beispiel der Wirkstoff Sibutramin. Der ist in Medikamenten in Deutschland mittlerweile verboten.

Erst vor Kurzem warnten Behörden vor Produkten mit dieser Substanz, weil sie "gravierende Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Herzinfarktrisiko für Herz-Kreislauf-Patienten, Blutdruckerhöhung, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit" verursachen könnten, hieß es in der Warnung des Landratsamts Ostalbkreis. Teilweise seien Todesfälle aufgetreten, wird die Behörde in einer Pressemitteilung zitiert.

Auch Medikamente mit dem Wirkstoff Amfepramon, der unter anderem den Appetit unterdrückt, sind wegen negativer Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System in der EU vom Markt genommen worden.

Was ist schuld am ständigen Hunger?

Warum jemand ständig Hunger hat, kann verschiedene Ursachen haben. Bei "normalen, gesunden Menschen" führe eine Magenfüllung nach dem Essen zu einem Sättigungssignal ans Gehirn, sagt Hauner. Bei manchen Menschen funktioniere dieser Mechanismus nicht so gut. "Und bei denen ist die Gefahr groß, dass sie dann doch mehr essen, als sie brauchen", erklärt der Ernährungsmediziner.

Ein weiterer Faktor, der zu übermäßigem Essen führt, ist zum Beispiel Stress: "Wir haben selber mal eine Umfrage gemacht und gefunden, dass etwa 40 Prozent der Menschen angeben, dass sie, wenn sie Stress haben, gerne was essen und auch mehr essen und dann eher ungesunde Sachen essen", erzählt der Mediziner. Warum manche Menschen bei Stress mehr essen, andere nicht, ist nicht klar. Die ständige Verlockung zum Essen ist ein weiterer Grund, warum "viele einfach zugreifen und auch ohne Hunger sich dann irgendwas einverleiben", erläutert Hauner: "Wo immer wir hinkommen, riecht es gut oder es wird uns etwas angeboten, obwohl wir gar keinen Hunger haben."

Auch Gene und ein zu großer Magen spielen bei ständigem Hunger und daraus folgendem Übergewicht eine Rolle. Außerdem: Wenn wir mehr essen als eigentlich notwendig, "gewöhnt sich unser Gehirn an das 'Mehr' und will das dann auch nicht mehr missen", erklärt der Forscher des Helmholtz Zentrums, Timo Müller. Einen Nährstoff- oder Vitaminmangel sieht er bei ständigem Hunger und übermäßigem Essen nicht. "Ich wäre da sehr vorsichtig, zu sagen, dass jemand, der solche Massen an Energie zu sich nimmt, irgendeinen Mangel hat", sagt er.

Tipps: Alternativen und natürliche Appetitzügler

Es gebe "in dem Sinn keine natürlichen Appetitzügler", sagt Hauner. Aber über die Magendehnung durch bestimmte Nahrungsmittel könne schneller ein Sättigungsgefühl erzeugt werden. Deshalb rate er seinen Patienten mit Gewichtsproblemen zu einer pflanzlich betonten Kost mit vielen Ballaststoffen. "Vor allem die löslichen führen dann schneller zu einer Sättigung und zu einer anhaltenderen Sättigung mit weniger Kalorien", so Hauner.

Seine Ratschläge lauten:

  • Zwei, drei Mahlzeiten am Tag reichen aus, nicht zwischendurch essen
  • Bei Süßigkeiten Grenzen setzen
  • Eine Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und weniger hoch verarbeiteten Lebensmitteln, weniger Fast-Food, wenig Zucker
  • Statt zuckerhaltiger Getränke Wasser und ungesüßten Tee trinken

Und: viel bewegen. "Vielleicht am Tag eine halbe Stunde, besser noch eine Stunde spazieren gehen, flott spazieren gehen, das sind dann vielleicht auch 300 Kalorien, die Sie dabei verbrauchen – oder kurze Wege mit dem Fahrrad fahren, Treppensteigen. Ganz einfache Dinge, die jeder ohne Aufwand umsetzen kann", sagt der Ernährungsfachmann. Denn: Appetitzügler sind laut Hauner und Müller immer das letzte Mittel der Wahl – nämlich dann, wenn alle anderen empfohlenen Verhaltensmaßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben.

Dieser Artikel ist erstmals am 08.08.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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