Polizisten haben bei Einsätzen Waffen eingesammelt. Fotos davon haben sie in einer Polizeistation an die Wand geheftet.
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In einer Wache in Stockholm haben Polizisten Fotos von Waffen an die Wand geheftet, die sie bei Einsätzen an sich genommen haben.

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#Faktenfuchs: Behauptungen zur Schweden-Wahl im Check

#Faktenfuchs: Behauptungen zur Schweden-Wahl im Check

Rechtspopulisten sind jetzt die zweitstärkste Kraft im schwedischen Parlament. Auf Twitter sagen manche: Weil linke Politiker zu viele Flüchtlinge ins Land gelassen, Parallelgesellschaften und steigende Kriminalität ignoriert hätten. Was ist da dran?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Es waren Themen wie Einwanderung und Bandenkriminalität, die den schwedischen Wahlkampf monatelang dominiert hatten. Auch weil die rechtspopulistischen Schwedendemokraten diese von Anfang an zum Thema machten. Und schon früh zeigte sich, dass sie damit offenbar einen Nerv trafen: Es zeichnete sich ab, dass sie diesmal sogar die zweitstärkste Kraft im Parlament werden konnten.

Meinungen in den sozialen Netzwerken

Die Stimmen waren noch nicht zu Ende ausgezählt, da hatten auf Twitter einige schon ihre Schlussfolgerungen aus der schwedischen Parlamentswahl gezogen: "Die schwedische #AfD ist zweitstärkste Kraft in #Schweden geworden. Schweden ist eine Vorschau auf die Zustände, die wir in Deutschland ein paar Jahre später bekommen. In Schweden sehen wir, zu was eine naive Migrationspolitik führt. #Bandenkriminalität", schrieb eine Userin. "Grenzenlose Naivität und linke Ideale bei der Flüchtlingsaufnahme sind derart gescheitert, dass es im Land für jeden klar ersichtlich ist. Weil einen die Kriminalität und die Parallelgesellschaften überall in Schweden einholen. Deshalb wählt nun jeder 4te die #Schwedendemokraten", schrieb ein anderer.

Es waren Themen wie Einwanderung und Bandenkriminalität, die den schwedischen Wahlkampf monatelang dominiert hatten. Auch weil die rechtspopulistischen Schwedendemokraten diese von Anfang an zum Thema machten. Und schon früh zeigte sich, dass sie damit offenbar einen Nerv trafen: es zeichnete sich ab, dass sie diesmal sogar die zweitstärkste Kraft im Parlament werden könnten.

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Die Stimmen waren noch nicht zu Ende ausgezählt, da hatten auf Twitter einige schon ihre Schlussfolgerungen aus der schwedischen Parlamentswahl gezogen:

"Die schwedische #AfD ist zweitstärkste Kraft in #Schweden geworden. Schweden ist eine Vorschau auf die Zustände, die wir in Deutschland ein paar Jahre später bekommen. In Schweden sehen wir, zu was eine naive Migrationspolitik führt. #Bandenkriminalität", schrieb eine Userin.

"Grenzenlose Naivität und linke Ideale bei der Flüchtlingsaufnahme sind derart gescheitert, dass es im Land für jeden klar ersichtlich ist. Weil einen die Kriminalität und die Parallelgesellschaften überall in Schweden einholen. Deshalb wählt nun jeder 4te die #Schwedendemokraten", schrieb ein anderer.

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Auf Twitter verbreiteten User allerlei Behauptungen rund um die schwedische Wahl.

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KACHEL

Narrativ der gestiegenen Kriminalität

Solche und ähnliche Äußerungen fanden sich viele in den sozialen Netzwerken. Das Narrativ: "Linke" Politiker hätten zu viele Flüchtlinge ins Land gelassen. Das wiederum habe zu Parallelgesellschaften und steigender Kriminalität im ganzen Land geführt. Auch deshalb hätten viele Wähler und Wählerinnen für die Rechtspopulisten gestimmt.

Doch stimmt das Narrativ von der gestiegenen Kriminalität? Und wenn ja, wie hängt das mit der Flüchtlingskrise 2015/16 zusammen? Das sind die Fragen, mit denen sich dieser #Faktenfuchs befasst - zunächst mit einem Blick auf die Form der Kriminalität, die tatsächlich zugenommen hat (tödliche Schießereien), dann auf die Kriminalität insgesamt sowie abschließend auf die Integrationspolitik.

Tödliche Schießereien: Seit 2005 steigt die Zahl

Richtig ist: Die Zahl der tödlichen Schießereien ist in Schweden in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das belegt ein Bericht, den der Schwedische Nationalrat für Kriminalprävention im Mai 2021 über schwedische Waffenmorde im europäischen Vergleich vorgelegt hat. Der Nationalrat ist dem Justizministerium unterstellt und dient als Zentrum für Forschung und Entwicklung im Justizwesen. Das Ergebnis: In weiten Teilen Europas sank die Zahl der tödlichen Schießereien in den vergangenen 20 Jahren oder stieg nur unregelmäßig an. In Schweden aber haben tödliche Schießereien seit 2005 zugenommen.

Bis 2013 stieg dadurch allerdings nicht die Zahl der Mordopfer insgesamt, weil andere Tötungsarten, wie tödliche Gewalt in der Partnerschaft, zurückgingen. Von 2013 an zeigte sich der Anstieg dann auch in der Gesamtzahl der Opfer, wie dieser Bericht des Nationalen Rats zur Kriminalitätsprävention in Schweden zeigt.

Täter sind meist abgehängte Jugendliche aus Problemvierteln

Richtig ist auch, dass überwiegend Jugendliche mit ausländischen Eltern für diese Schießereien verantwortlich sind. Auf die Aufnahme von Geflüchteten, die zum Großteil im Jahr 2015 kamen, kann das aber nicht zurückgeführt werden. Denn der steigende Trend bei den Schießereien begann schon 2005.

Zudem leben viele der Täter bereits in zweiter Generation in Schweden; sie sind dort geboren und aufgewachsen. Das bestätigt Stina Holmberg vom Schwedischen Nationalrat für Kriminalprävention. Zwar werde der Migrationshintergrund in Kriminalitätsstatistiken nicht erhoben, sagt Holmberg dem #Faktenfuchs, ihr Rat schaue sich aber jede einzelne Tötung an und könne daher Aussagen über die Beteiligten treffen.

Dabei zeige sich, dass der Großteil der Schießereien zwischen organisierten Banden in migrantisch geprägten Vorstadtvierteln stattfinde. In dem oben genannten Bericht des Nationalrats heißt es dazu konkret, dass acht von zehn tödlichen Schießereien in diesem "kriminellen Milieu" geschehen - und nicht etwa, wenn Männer ihre Partnerinnen umbringen oder es im Zuge eines alkoholisierten Streits zum Totschlag kommt. Allerdings: Auch die Opfer dieser Art von Bandengewalt seien - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ausschließlich andere Gang-Mitglieder.

Kriminalität: Zahl der anderen Straftaten stabil oder abnehmend

Falsch ist, dass Schweden insgesamt unsicherer geworden sei, wie viele der Kommentare auf Twitter es suggerieren. Im Gegenteil: In den meisten Bereichen sei die Zahl der Straftaten relativ stabil oder nehme sogar ab, sagt Felipe Estrada Dörner dem #Faktenfuchs, der die Kriminologie an der Universität Stockholm leitet. Und das treffe auch auf Jugendkriminalität insgesamt zu - der Trend ähnele hier dem in vielen anderen Ländern Europas.

Die Zunahme an Schießereien sei also nicht repräsentativ dafür, wie sich Kriminalität in Schweden insgesamt entwickle, sagt Estrada Dörner. "Es ist nicht die Spitze des Eisbergs. Es ist ein isolierter Trend, der seine eigenen Dynamiken und Ursachen hat." Und der räumlich klar begrenzt ist. Denn der Eindruck, dass diese Art von Gewalt die Menschen nun "überall in Schweden" einhole - wie manche behaupten - ist falsch: Die Schießereien finden fast ausschließlich in Problemvierteln am Rande von Großstädten wie Stockholm, Göteborg oder Malmö statt, sagt Stina Holmberg vom Schwedischen Nationalrat für Kriminalprävention.

Für Menschen in anderen Stadtvierteln oder etwa im Norden Schwedens hat sich das Risiko, Opfer einer tödlichen Gewalttat zu werden, also nicht wesentlich erhöht. Offenbar hat das erhöhte mediale Interesse daran aber trotzdem Auswirkungen: Das subjektive Sicherheitsempfinden ist gesunken. So glauben etwa 80 Prozent der Bevölkerung fälschlicherweise, dass die Zahl der Straftaten steige, wie diese Studie - ebenfalls vom Schwedischen Nationalrat für Kriminalprävention - zeigt.

Und: Gerade dort, wo es kaum Schießereien gebe, fühlten sich die Menschen besonders unsicher, sagt Holmberg. "Aber dort, wo man denken könnte, dass Menschen betroffen sind, hat das Unsicherheitsgefühl nicht zugenommen."

Die Ursachen: Folge einer verfehlten Integrationspolitik?

Doch woran liegt es, dass die Zahl der tödlichen Schießereien seit Jahren zunimmt? Die Ursachen für diese Art von Gewalt sind vielfältig und komplex. Das betonen alle Experten, die der #Faktenfuchs dazu befragt hat. Der schwedisch-deutsche Migrationsforscher Bernd Parusel etwa, der früher bei der schwedischen Asyl- und Migrationsbehörde tätig war und heute als Senior Researcher am Swedish Institute for European Policy Studies (SIEPS) arbeitet, sieht ein Hauptproblem darin, dass verschiedene Regierungen aus unterschiedlichen Lagern zugelassen haben, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Schweden immer weiter auseinanderklafft.

Insbesondere im Bereich Wohnen hat das laut Parusel dazu geführt, dass Zuwanderer mit geringem Einkommen in sogenannten Brennpunktvierteln landen, wo die Mieten für sie bezahlbar sind. Diese migrantisch geprägten Viertel am Rande großer Städte seien gekennzeichnet dadurch, "dass es dort eine relativ hohe Arbeitslosigkeit gibt, wo die Leute ein schlechteres Einkommen haben als in anderen Stadtteilen, dass dort die Schulen schlechter und die Bildungschancen nicht so gut sind", so Parusel.

Da auch der Staat in diesen Vierteln wenig Präsenz zeige, hätten Drogenprobleme und Bandenkonflikte sei etwa zehn Jahren zugenommen. Viele der dort lebenden Jugendlichen seien frustriert und ohne Hoffnung. Sie hätten das Gefühl, von der schwedischen Gesellschaft vergessen worden zu sein und rechnen sich wenig Chancen aus, auf regulärem Weg den sozialen Aufstieg zu schaffen. "Und so gelingt es dann häufig diesen kriminellen Banden, neue Mitglieder zu rekrutieren, die darin eine schnellere Möglichkeit zu einem sozialen Aufstieg sehen", sagt Parusel.

In nur einem Viertel der Fälle wird ein Täter ermittelt

Hinzu kommen weitere Gründe für die Zunahme der Gewalt: etwa der, dass die schwedische Polizei lange schlechte Aufklärungsraten bei Schießereien hatte. Rund 75 Prozent der Fälle würden nicht aufgeklärt, sagt der Kriminologe Estrada Dörner von der Universität Stockholm: "Was bei Bandenkriegen natürlich bedeutet, dass eine Tötung zur nächsten führt, da diese Menschen ja im Konflikt miteinander sind." Inzwischen würden mehr junge Männer verurteilt - oft allerdings nur für weniger schwere Straftaten wie Waffenbesitz.

Was dabei wichtig ist: Mit Herkunft oder Kultur der Täter - wie von Rechtspopulisten oft suggeriert - habe all das nichts zu tun, sagt Estrada Dörner: Zwar seien die Kinder von Einwanderern in Kriminalitätsstatistiken überrepräsentiert. Doch sobald man die sozialen Ressourcen der Eltern oder das Schulversagen berücksichtige, nehme diese Überrepräsentation ab oder verschwinde. Sein Fazit: "Es geht nicht um Hautfarbe, es geht um soziale Ressourcen" - also etwa die Möglichkeiten der Eltern, ihre Kinder bei Hausaufgaben zu unterstützen oder ihnen hilfreiche Kontakte zu vermitteln, die bei Eltern aus anderen Schichten mehr gegeben sei.

"Linke" Migrationspolitik - von Konservativen mitgetragen

Falsch ist auch, dass die Fehler der letzten Jahrzehnte vor allem "linker" Integrationspolitik zu verdanken seien. Zumindest im schwedischen Parteienkontext ist das nicht richtig. Denn in dem Zeitraum, seit dem die Schießereien zunehmen (ab 2005), waren keineswegs nur Sozialdemokraten oder Grüne an der Macht. Von 2006 bis 2014 etwa regierte ein konservativ-liberales Bündnis. Daran beteiligt: Die bürgerlich-konservative "Moderate Sammlungspartei", die ebenfalls bürgerlich-liberale Zentrumspartei, die "Volkspartei Die Liberalen" und die Christdemokraten.

Diese Koalition hatte die vergleichsweise liberale Einwanderungspolitik jahrelang mitgetragen. Erst im Zuge der Flüchtlingskrise wurde ab dem Jahr 2016 der Zuzug nach Schweden erschwert. So führte die damalige Regierung Grenzkontrollen ein und erließ ein Gesetz, das Schutzberechtigten nur noch für bis zu drei Jahre Schutz gewährt. Auch der Familiennachzug wurde erschwert. All das wurde aber nicht etwa von Konservativen angestoßen, sondern von der damaligen sozialdemokratischen Partei, zum Teil mit Unterstützung der Grünen und der Zentrumspartei.

Auch in diesem Wahlkampf stimmten fast alle Parteien Schwedens - quer durch das politische Spektrum - darüber ein, dass es mehr repressive Maßnahmen brauche: etwa mehr Polizei und härtere Strafen für Täter. "Es ist also nicht so, dass nur die rechte Seite Verschärfungen wollte", so der Migrationswissenschaftler Bernd Parusel. Die Parteien variierten vor allem darin, ob sie neben den repressiven auch soziale Maßnahmen forderten. Und darin, wie sehr sie all das zum Thema machten.

Fazit: Richtig ist, dass die Zahl der tödlichen Schießereien in Schweden seit 2005 gestiegen ist. Seit 2013 sogar so sehr, dass auch die Gesamtzahl der Todesopfer zugenommen hat, obwohl andere Tötungsarten im selben Zeitraum gesunken sind. Richtig ist auch, dass diese Art von Waffengewalt vor allem von jungen Männern ausgeht, deren Eltern im Ausland geboren sind. Allerdings: Sie sind zugleich auch die fast alleinigen Opfer dieser Art von Gewalt, die vor allem in Brennpunktvierteln stattfindet.

Dass junge Männer mit Migrationshintergrund in den Schießereien derart überrepräsentiert sind, hat nach Ansicht von Kriminologen nichts mit Herkunft und Kultur zu tun, sondern mit einer verfehlten schwedischen Integrationspolitik, die sowohl von linken als auch rechten Regierungen mitgetragen wurde. Es ist also zu einfach, die Fehler der Vergangenheit allein "linker" Politik zuzuordnen.

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