Ein Europäischer Grauwolf im Gehege eines Wolfcenters.
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Symbolbild: Ein Europäischer Grauwolf im Gehege eines Wolfcenters. Auch in Bayern leben mittlerweile wieder Wölfe.

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#Faktenfuchs: Wie verbreitet sind Wölfe in Bayern?

#Faktenfuchs: Wie verbreitet sind Wölfe in Bayern?

Wölfe sind in Deutschland und Bayern wieder heimisch geworden. Über ihre Verbreitung und Vermehrung kursieren viele Gerüchte und Behauptungen. Ein #Faktenfuchs mit Zahlen und Gründen für die Ansiedlung des Wolfs in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Darum geht’s:

  • Bereits seit Jahren siedeln sich Wölfe in Deutschland an und verbreiten sich
  • In Bayern gibt es im bundesweiten Vergleich relativ wenig Wölfe
  • Wölfe vermehren sich nicht ungebremst - es gibt eine natürliche Obergrenze

Seit den 1990er-Jahren gibt es wieder Wölfe in Deutschland. Seit 2006 werden sie auch in Bayern nachgewiesen. Seit einigen Jahren spielen die Wölfe in der öffentlichen Diskussion eine immer größere Rolle.

Der Umgang mit dem Wolf ist ein gesellschaftliches Reizthema, in der Politik, wie zuletzt bei der Hauptalmbegehung, bei Naturschützern, Landwirten, Jägern. Es beschäftigt auch viele bayerische Bürger, das zeigen die zahlreichen Kommentare unter Artikeln von BR24 und in den sozialen Netzwerken. Dabei werden immer wieder Behauptungen aufgestellt, vor allem zum Bestand und zur Verbreitung der Wölfe.

Wie viele Wölfe gibt es in Deutschland und Bayern und wie sieht es mit der Vermehrung tatsächlich aus? Der #Faktenfuchs hat sich die offiziellen Zahlen zu Wölfen angeschaut und mit Biologen gesprochen.

230 Wolfsterritorien in Deutschland nachgewiesen

Seit Ende der 1990er-Jahre ist die Zahl der in Deutschland nachgewiesenen Wölfe stark angestiegen. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf, kurz DBBW, fasst die Zahlen der Länder bundesweit zusammen.

Im Monitoringjahr 2021/2022 gab es laut DBBW 230 Wolfsterritorien in Deutschland. Diese Territorien haben 162 Rudel, 47 Paare und 21 territoriale Einzeltiere unter sich aufgeteilt. Ein Rudel umfasst laut DBBW überwiegend fünf bis zehn Tiere.

Doch wie viele Wölfe gibt es insgesamt? Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gibt auf Nachfrage an, dass für 2021/22 mit Stand 28. November 2022 1.175 Einzeltiere in Deutschland nachgewiesen wurden. Davon waren laut BfN 423 Tiere erwachsen, 550 Welpen (also im ersten Lebensjahr) und 98 Jährlinge (im zweiten Lebensjahr). Bei etwas mehr als 100 Wölfen sei die Altersbestimmung nicht genau möglich gewesen.

Zahl der Wölfe schwankt im Jahresverlauf

Das BfN weist darauf hin, dass der Fokus des Monitorings auf den Rudeln und den Paaren liege. "Da die Erhebung der Individuenzahl nicht im primären Fokus des Wolfsmonitorings liegt, werden diese Daten nicht systematisch und standardisiert durch die Bundesländer erhoben." Die Zahl der Individuen sei von der Intensität des Monitorings abhängig und könne als Mindestzahl verstanden werden.

Deutschlandweite Zahlen zu Individuen sind für Carsten Nowak von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit Vorsicht zu genießen. Der Biologe ist Fachgebietsleiter der Naturschutzgenetik, sein Labor untersucht für das deutsche Monitoring Proben von Luchsen und Wölfen. "Im Mai werden die Welpen geboren, die nicht alle überleben. Im Winter hat man dann weniger Tiere", sagt Carsten Nowak. Dadurch schwanke die Zahl im Jahresverlauf.

Außerdem sei es schwierig, alle Individuen verlässlich zu zählen. Entscheidend sei letztlich, so Nowak, die Anzahl der Rudel. Diese zu zählen, sei bei Wildtieren üblich. "Bei den Steinadlern in den Alpen gibt man auch etwa die Brutpaare oder die Horste an."

Bayerns Anteil am deutschen Wolfsbestand relativ gering

Von den 230 Territorien entfielen laut DBBW im Monitoringjahr 2021/22 sechs auf Bayern, die meisten Wolfsterritorien gab es in dem Zeitraum in Brandenburg (61), gefolgt von Niedersachsen (49) und Sachsen (40). Drei der 162 erfassten Rudel lebten in Bayern. "Bayern hat bisher einen sehr geringen Anteil an der Wolfspopulation", so Biologe Nowak.

Das für das bayerische Wolfsmonitoring zuständige Landesamt für Umwelt (LfU) gibt auf seiner Internetseite derzeit neun Regionen mit standorttreuen Tieren an (Stand August 2023). Ein Wolf gilt als standorttreu, wenn er "über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nachgewiesen wird oder wenn ein Wolfsrüde und eine Wolfsfähe gemeinsam ihr Territorium markieren bzw. eine Reproduktion belegt ist."

Zwei der vom LfU angegebenen Regionen überlappen sich mit Hessen (Wildflecken) und Thüringen (Zella-Röhn) und werden im Monitoring den anderen beiden Bundesländern zugeordnet. Die Gebiete in den Allgäuer Alpen und im Bayerischen Wald liegen in den Grenzregionen Tschechien und Österreich. Weitere Nachweise von standorttreuen Wölfen in Bayern gibt es laut LfU im Altmühltal, im Manteler Forst, bei Grafenwöhr und im Veldensteiner Forst sowie am Staffelsee.

Wolfspopulationen in ganz Europa wachsen

Bayern liegt geografisch gesehen zwischen zwei unterschiedlichen Wolfspopulationen, erklärt Biologe Nowak. "Die mitteleuropäische Wolfspopulation stammt aus Polen, zu ihr gehören die meisten deutschen Wölfe." Die Alpenpopulation stammt hingegen aus Italien, so Nowak. Bayern sei das Land, wo beide Populationen aufeinandertreffen.

Wölfe können sehr große Strecken zurücklegen, bis zu mehreren hundert Kilometern. Ein junger Wolf, der 2006 am Starnberger See überfahren wurde, stammte laut LfU von einem Rudel aus Südfrankreich, wie genetische Untersuchungen nachweisen konnten.

Neben den standorttreuen Wölfen gibt es aber immer auch durchziehende Tiere. Insgesamt seien diese laut Carsten Nowak deutlich in der Minderzahl, im Vergleich zu den standorttreuen Wölfen. "Aber eine genaue Zahl an durchziehenden Tieren hat man nicht."

Nicht nur in Deutschland und Bayern, in ganz Europa siedeln sich wieder mehr Wölfe an. "Die meisten Wolfspopulationen in Europa wachsen. Ein paar sind stabil, abnehmend sind keine. Das ist der allgemeine Trend der letzten 20 Jahre", sagt Luigi Boitani. Er ist Professor für Zoologie an der La Sapienza Universität in Rom und Vorsitzender der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE), einem europäischen Expertennetzwerk zu Großraubtieren.

Artenschutz und Nahrungsbestände entscheidend für Wiederansiedlung

Laut einer Untersuchung unter Leitung von Luigi Boitani sind in Europa vor allem die Wolfspopulationen in Ost- und Südosteuropa prägend, das bestätigt auch Carsten Nowak. In den Karpaten, vor allem in Rumänien, gebe es tausende Wölfe, im Gegensatz zu Mitteleuropa sei der Wolf dort nie ausgerottet worden. Auch auf der iberischen Halbinsel, in Skandinavien, im Baltikum sowie in Italien gibt es - neben der Population in Deutschland und Polen - bedeutende Bestände.

Dass sich der Wolf in Europa wieder verbreitet, liegt laut den Experten vor allem an zwei Gründen. "Ein Hauptgrund ist der strenge und effektive Artenschutz in der Europäischen Union", sagt Biologe Nowak.

Auch dass es insgesamt mehr Wildtiere gibt, spielt für den Wolf eine wichtige Rolle. Nowak sagt: "Nahrungsverfügbarkeit ist vielleicht der wichtigste Faktor. Deswegen haben Wölfe in einem großen Teil von Deutschland gute Überlebensbedingungen." Rehe, Hirsche und Wildschweine machen laut DBBW rund 90 Prozent der Nahrung von Wölfen hierzulande aus.

In Diskussionen wird auch häufig die Rolle von Nutztieren bei der Ansiedlung von Wölfen ins Spiel gebracht. Den Einfluss von Nutztieren beschreibt Luigi Boitani als "sehr, sehr gering. Europa war in den letzten Jahrhunderten nicht mehr so voll mit Wildtieren wie jetzt. Wir hatten lange nicht so viele Rehe und Hirsche. Im Vergleich dazu spielen frei lebende Nutztiere kaum eine Rolle."

Gerissene Nutztiere: Schafe besonders betroffen

Das zeigt auch die Erhebung des DBBW - demnach machen Nutztiere 1,4 Prozent der Wolfsnahrung aus. Laut Carsten Nowak gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Weidetiere die Wolfspopulation beeinflussen: "Es gibt keine Hinweise darauf, dass hohe Dichten an Nutztieren die Besiedlung von Wölfen befördern. Das tröstet den Schafhalter aber natürlich nicht."

Die DBBW erhebt auch die Zahl der gerissenen Nutztiere: Schafe machten 2022 mit mehr als 80 Prozent den größten Anteil der vom Wolf verursachten Schäden an Nutztieren aus.

Seit Anfang der 2000er-Jahre, seit sich wieder Wölfe in Deutschland ansiedeln, ist die Zahl der Risse kontinuierlich angestiegen, im vergangenen Jahr gab es laut DBBW bundesweit 1.136 Übergriffe, wobei ein Übergriff mehrere Tiere betreffen kann. Von den 1.136 Übergriffen 2022 entfielen 18 auf Bayern, die meisten gab es in Brandenburg (297), Niedersachsen (296) und Sachsen (184). Bei einem Übergriff wurden im Schnitt rund vier Tiere gerissen.

Von den 38 im Labor untersuchten Verdachtsfällen in Bayern im Zeitraum 2021/2022 wurde laut LfU in sieben Fällen der Wolf als Verursacher bestätigt, in anderen Fällen konnte er nicht ausgeschlossen werden oder eine genetische Bestimmung war nicht möglich. In 13 Fällen wurde ein anderes Tier als Verursacher festgestellt (in acht Fällen ein Hund, in vier Fällen ein Fuchs und in einem Fall ein Goldschakal).

Natürliche Grenze für Wolfspopulationen

Nahrung ist genug da, die Wolfspopulationen wachsen - doch wie rasant verbreiten sich Wölfe? Im Netz gibt es zahlreiche User, die behaupten, der Wolf vermehre sich "ungebremst" oder "unkontrolliert". Stimmt das?

Es sei korrekt, dass Wolfspopulationen "relativ schnell anwachsen" können, sagt Carsten Nowak, um "etwa ein Drittel im Jahr, unter sehr günstigen Bedingungen". Das habe man hierzulande in den ersten Jahren der Wolfsbesiedlung auch beobachtet, mittlerweile sei es "deutlich abgeflacht".

Außerdem gebe es eine natürliche Obergrenze. "Wölfe regulieren sich hauptsächlich über die Verfügbarkeit von Raum", sagt Nowak. "Wie viele andere Großraubtiere auch haben sie ein sehr, sehr großes Territorium, das ein Rudel oder auch ein einzelner Wolf beansprucht." Das Gebiet habe meist eine Größe von rund 200 Quadratkilometern, was in etwa der Stadtfläche von Nürnberg entspricht.

Luigi Boitani sagt: "In einem Territorium gibt es dann auch nur ein Rudel, das limitiert die Zahl der Wölfe ganz natürlich. Selbstverständlich kann es auch viele Territorien geben, und ein Rudel kann wachsen. Aber Wölfe verbreiten sich nicht ohne Limit."

Irgendwann gebe es dann kein Populationswachstum mehr, erklärt Nowak. In der Lausitz etwa sei es bereits zum Erliegen gekommen.

Viele geeignete Lebensräume für Wölfe in Deutschland

Wie weit sind Deutschland und Bayern von diesem Limit noch entfernt? Das BfN verweist auf eine Studie im eigenen Auftrag, die deutschlandweit 700 bis 1.400 mögliche Territorien mit geeignetem Lebensraum aufweist. Das gelte unter der Annahme, dass die Größe der Territorien bei etwa 200 Quadratkilometern liegt. Das BfN schreibt dazu: "In Deutschland sind viele geeignete Lebensräume für Wölfe vorhanden. Das bedeutet: Wölfe könnten in weiten Teilen Deutschlands sesshaft werden und es muss damit gerechnet werden, dass sie auch die weiteren Gebiete durchwandern."

Biologe Carsten Nowak verweist ebenfalls auf diese Modellierung, sagt aber wie das BfN auch, dass dies keine Vorhersage sei. "Wenn man eine ganz, ganz grobe Zahl ansetzen würde, könnte es sein, dass irgendwann einmal - wenn der Mensch nicht stärker eingreift - etwa tausend Wolfsrudel in Deutschland leben könnten, aber ganz genau weiß das niemand."

Bisher geringe Besiedlung Bayerns überraschend

Was weiteren möglichen Lebensraum angeht, erfüllt Bayern für Nowak viele Voraussetzungen: Als sehr wald- und wildreiches und gleichzeitig relativ dünn besiedeltes Bundesland sei es eigentlich für den Wolf sehr geeignet, dennoch ist die Wolfspopulation im Vergleich zu Nord- und Ostdeutschland sehr gering. Sachsen, wo mehr Wölfe ansässig sind, hat etwa eine höhere Bevölkerungsdichte als Bayern.

Abgesehen von Metropolregionen wie München oder Nürnberg sei Bayern für Wölfe prinzipiell ein passender Raum zum Leben, sagt Nowak. "Was nicht heißt, dass sie das wirklich dauerhaft tun werden." Das gelte neben Bayern auch für andere Mittelgebirgsregionen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Die aktuelle Verteilung der Wolfspopulationen in Deutschland sei daher durchaus überraschend, meint Nowak. "Das ist etwas, was die wissenschaftlichen Modelle so nicht vorhergesagt haben. Man hätte gedacht, diese Regionen werden schneller besiedelt - und wir wissen noch nicht, warum das nicht der Fall ist."

Bisher sei die Ausbreitung dort nur sehr langsam, trotz der günstigen Bedingungen. "Ob die vielleicht aus bestimmten Gründen nie ganz besiedelt sein werden oder ob das irgendwann in den nächsten Jahren auch so eine Dynamik annimmt wie im Flachland, ist eigentlich nicht sicher vorherzusagen", sagt Nowak.

Es gebe Hypothesen, woran das liegen könnte. Ein ausgeprägtes Straßennetz könnte eine Rolle spielen, die meisten Wölfe sterben hierzulande nach Angaben des DBBW bei Verkehrsunfällen. Auch die Herkunft der Wölfe könnte ausschlaggebend sein, sagt Nowak. "Die Wölfe stammen aus dem Baltikum, wo es sehr ähnliche Bedingungen wie in der Lausitz oder der Lüneburger Heide gibt, wo die ersten Wolfsrudel aufgetaucht sind. Möglicherweise gibt es da eine Prägung."

Fazit

In Bayern sind Wölfe ansässig und verbreitet - jedoch deutlich weniger stark als in anderen Regionen Deutschlands. Von 230 Territorien entfielen laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf im Monitoringjahr 2021/22 sechs auf Bayern. Ein Territorium wird von jeweils einem Wolfsrudel (bzw. Paar oder Einzeltier) beansprucht; ein Rudel umfasst meist fünf bis zehn Tiere.

Auch die Zahl der Nutztierrisse ist in Bayern deutlich geringer als in anderen Bundesländern. Die meisten registrierten Wölfe und Nutztierrisse gibt es in Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen.

Dass die Wolfspopulation in Bayern vergleichsweise gering ist, überrascht Wissenschaftler. Die geringe Bevölkerungsdichte sowie der hohe Wild- und Waldanteil im Freistaat böten gute Voraussetzungen für die Wolfsansiedlung. Wissenschaftliche Modellierungen aus der Vergangenheit vermuteten einen größeren Zuwachs in Bayern als bislang beobachtet.

Ungebremst verbreiten, wie oft behauptet, wird sich der Wolf aber laut Experten nicht: Pro Territorium siedelt sich ein Rudel (bzw. Paar oder Einzeltier) an, das begrenze die Zahl der Wölfe ganz natürlich. Wölfe verbreiteten sich nicht ohne Limit, sagen Fachleute.

Disclaimer: Am 25.08.2023 um 11:15h wurde im Fazit ein Satz ergänzt.

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