Die Geburtenrate ist in Deutschland während der Coronakrise ungewöhnlich stark gesunken. Weltweit geht das Bevölkerungswachstum aber noch weiter.
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Die Geburtenrate ist in Deutschland während der Coronakrise ungewöhnlich stark gesunken. Aber: Weltweit geht das Bevölkerungswachstum weiter.

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Krisen und Corona: Geburtenrate in Deutschland sinkt massiv

Krisen und Corona: Geburtenrate in Deutschland sinkt massiv

Die Geburtenrate ist in Deutschland stark gesunken: von 1,57 Kindern pro Frau im Jahr 2021 auf 1,36 im Jahr 2023. Ursache: die Coronakrise. Weltweit wächst die Bevölkerung noch. Aber Prognosen sagen langfristig fast überall weniger Geburten voraus.

Innerhalb der vergangenen beiden Jahre ging die Geburtenrate in Deutschland von 1,57 Kindern pro Frau im Jahr 2021 auf rund 1,36 im Jahr 2023 zurück. Damit ist das Fertilitätsniveau auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen. Die Zahlen basieren auf einer Veröffentlichung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und der Universität Stockholm vom 22. Januar 2024 im European Journal of Population.

Auch in Bayern gab es während Corona weniger Geburten

Für Bayern gibt es Zahlen aus dem Jahr 2022 vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg: Im Jahr 2022 sanken "sowohl die Zahl der Geburten (von 134.000 auf 125.000) als auch die zusammengefasste Geburtenziffer (von 1,62 auf 1,49) in Bayern erstmals wieder." Mit 1,49 Kindern pro Frau liegt die bayerische Quote etwas über dem bundesdeutschen Durchschnitt, aber noch weit unter dem internationalen Wert, der mit 2,30 Geburten pro Frau angegeben wird.

Weltweit werden die Geburtenraten künftig sinken

Am 20. März 2024 veröffentlichte das Fachmagazin The Lancet eine Prognose zu weltweiten Geburtenraten, die langfristig gesehen zurückgehen werden. Bis 2050 werden demnach mehr als drei Viertel der Länder dieser Erde keine ausreichend hohen Geburtenraten haben, um die Bevölkerungsgröße aufrechtzuerhalten. Das werde dazu führen, dass sich Gesellschaften und Weltwirtschaft neu sortieren müssen.

In der Studie heißt es: "Diese Veränderungen werden aufgrund der alternden Bevölkerung und des Rückgangs der Arbeitskräfte in Ländern mit höherem Einkommen weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen haben, verbunden mit einem steigenden Anteil an Lebendgeburten in den ohnehin ärmsten Regionen der Welt."

Ungewöhnlich starker Rückgang der Geburten in Deutschland

In Deutschland war die Geburtenrate während der ersten Zeit der Coronakrise stabil geblieben, sank dann aber im Verlauf Pandemie ab Januar 2022 auf 1,4 und erholte sich im Sommer 2022 wieder auf 1,5 Kinder pro Frau. Im Jahr 2023 fiel die Geburtenrate erneut weiter ab und betrug nach vorläufigen Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung im Durchschnitt der Monate Januar bis November 1,36 Kinder pro Frau. Der starke Rückgang wird als ungewöhnlich bewertet, weil sich Phasen sinkender Geburtenraten in der Vergangenheit langsamer vollzogen haben.

Frauen wollten erst nach Coronaimpfung schwanger werden

Hauptautor der Studie zu den deutschen Zahlen, Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden, sieht Coronaimpfungen als einen Grund an, warum Frauen seltener schwanger geworden sind: "Der Zusammenhang zwischen dem Beginn der Massenimpfungen und dem anschließenden Rückgang der Fruchtbarkeit deutet darauf hin, dass Frauen ihr Verhalten angepasst haben, um sich vor der Schwangerschaft impfen zu lassen." Generell war die Impfrate aber bei schwangeren Frauen geringer als in der Allgemeinbevölkerung.

Wirtschaftliche Probleme senken die Geburtenrate

Außerdem sieht Martin Bujard wirtschaftliche Probleme, die durch die globale Pandemie ausgelöst wurden, als weiteren "Mechanismus, der mit verringerten Fruchtbarkeitsabsichten und vermindertem Geburtsverhalten zusammenhängen könnte. Ein negativer Zusammenhang zwischen Beschäftigungsinstabilität, Gesamtarbeitslosigkeit und Fertilität ist bekannt." Das zeigte sich auch nach der großen Rezession in Europa in den Jahren 2007 und 2008, die zu sinkenden Geburtenraten führte.

Hoch entwickelte Länder haben eine niedrige Geburtenrate

Das würde für die Zukunft bedeuten: Wenn Schwangerschaften aus wirtschaftlichen Gründen oder weil noch kein Impfstoff verfügbar war, verschoben würden, müsste sich nach der Coronakrise eine umgekehrte Entwicklung einstellen. Martin Bujard rechnet "bald mit einer Rückkehr zu den Fruchtbarkeitstrends vor der Pandemie".

Dem entgegen steht die Lancet-Studie, die voraussagt, dass die weltweite Fruchtbarkeit weiter zurückgehen wird, vor allem in gut entwickelten Ländern der Erde. Das werde dazu führen, dass es auch in Deutschland weniger Erwerbstätige geben wird und das Wirtschaftssystem umgebaut werden müsse.

Gebildete Frauen haben weniger Kinder

Sinkende Geburtenraten haben weltweit gesehen den positiven Aspekt, dass die Erde nicht durch immer mehr Menschen belastet wird, die auch gar nicht mehr ernährt werden könnten. Der norwegische Arzt und Mitautor der Lancet-Studie Stein Emil Vollset: "In vielerlei Hinsicht sind sinkende Geburtenraten eine Erfolgsgeschichte, die nicht nur auf eine bessere und leicht verfügbare Empfängnisverhütung zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass sich viele Frauen dafür entscheiden, die Geburt ihrer Kinder zu verschieben oder weniger Kinder zu bekommen, sowie auf mehr Möglichkeiten für Bildung und Beschäftigung."

Das weltweite Bevölkerungswachstum hält noch an

Im November 2022 überschritt die Weltbevölkerung, laut United Nations, die Acht-Milliarden-Marke. Im Jahr 2080 soll ein Höchststand von rund 10,4 Milliarden Menschen auf der Welt erreicht sein. Danach wird sich - so die Prognose im Fachblatt The Lancet - die Weltbevölkerung reduzieren. "Bis zum Jahr 2100 werden voraussichtlich nur sechs von 204 Ländern und Territorien (Samoa, Somalia, Tonga, Niger, Tschad und Tadschikistan) eine Geburtenrate von mehr als 2,1 Geburten pro Frau aufweisen“, sagt Stein Emil Vollset.

Bei 2,1 Kindern pro Frau bleibt die Bevölkerung stabil

Nach allgemeiner Auffassung ist für eine stabile Bevölkerung genau diese Fertilitätsrate von 2,1 Kindern je Frau notwendig. Die meisten Länder werden künftig unter diesem Wert liegen. In Deutschland ist das bereits seit 1970 der Fall - einige Jahre nach Einführung der Antibabypille. Ob die Rate so niedrig bleibt, lässt sich nicht zuverlässig voraussehen.

Catherina Hinz, geschäftsführende Direktorin am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: "Projektionen, die mehr als 25 Jahre in die Zukunft gehen, sind super unsicher". Schließlich könne niemand mit absoluter Gewissheit vorhersagen, wie sich Wirtschaft, Gesellschaft und Gesundheit in den Regionen der Welt entwickeln.

Im Video: Jetzt sind wir acht Milliarden: Wie machen wir das Beste draus?

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Entwicklung der Weltbevölkerung

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