"Biergarten-Trauermarsch" zur Rettung der Bayerischen Biergartenkultur der Großhesseloher Waldwirtschaft in Pullach. Aufgrund eines Streits mit dortigen Nachbarn, sollte laut einem Gerichtsentscheid das Ausschenken von Bier nach 21.00 untersagt werden. Tausende Münchner demonstrierten im Jahr 1995 mit der "1. bayerischen Biergartenrevolution" schließlich erfolgreich dagegen.
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Aus Protest gegen eine strengere Sperrzeit für die Waldwirtschaft in Großhesselohe gingen tausende Menschen auf die Straße.

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30 Jahre Biergartenrevolution: "Rettet Bayerns Biergärten!"

30 Jahre Biergartenrevolution: "Rettet Bayerns Biergärten!"

Vor genau 30 Jahren, am 12. Mai 1995, fand auf dem Münchner Marienplatz die "Erste bayerische Biergartenrevolution" statt. Zehntausende Menschen sollen daran teilgenommen haben. Ihre Forderung: "Rettet Bayerns Biergärten!"

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Die 15.000 bis 30.000 Menschen, die Schätzungen zufolge am 12. Mai 1995 auf dem Münchner Marienplatz demonstrierten, hatten klar ein gemeinsames Ziel vor Augen - zum Greifen nah wie einen Maßkrug: Jenes "Schandurteil" rückgängig machen, mit dem Richter einer Klage von Anwohnern im Münchner Vorort Pullach im schönen Isartal stattgegeben hatten.

Protest vor dem Münchner Rathaus

Vordergründig ging es um die sogenannte "Wawi", die Waldwirtschaft Großhesselohe im Süden von München. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte geurteilt, dass der Biergarten der Wawi nach 21 Uhr keine Maß mehr ausschenken dürfe und die Gäste bereits um 21.30 Uhr heimgehen müssten. Und alle zwei Wochen sollten die Biergärten sogar ganz zu bleiben. Anwohner waren wegen Biergartenlärm - unter anderem, weil die Maßkrüge zu laut klapperten - vor Gericht gezogen. Und die Verteidiger von Bayerns Bierkultur zogen daraufhin vors Münchner Rathaus.

"A bisserl arg fria" sei der Biergartenschluss um 21 Uhr, raunte die Menge, da könnte man ja gleich in Bayern den Maßkrug abschaffen - das sei "der volle Hohn", so die Demonstranten. Dass die Richter die Biergartengäste der Wawi nach 21 Uhr aufs Trockne setzten, das könne Schule machen in ganz Bayern, fürchteten sie.

Ein Trauermarsch und eine Revolution

Als Anführer des Protests stellt sich Manfred Schauer an die Spitze, Betreiber des Traditionstheaters Schichtl auf dem Münchner Oktoberfest. Was wolle man denn in Bayern schon anderes machen, als nachmittags um 21 Uhr im Biergarten zu sitzen, fragt er nicht ohne Ironie und nicht ohne Erfolg. Und klagt: "Bloß weil fuchzg Leit nammidags um neun miad san, sollen Hunderttausend schlafen gehn!" Bierernst kocht er den Sturm im Maßkrug zum Orkan hoch und ruft - so wörtlich - die "Erste Bayerische Biergartenrevolution" aus.

An besagtem 12. Mai 1995 ist es dann so weit: Das Volk folgt seinem Revolutionsführer, geschätzt bis zu 30.000 Menschen protestieren. Vorn mit dabei ist auch das Münchner Kindl - von weitem schon zu sehen, das ohne Maßkrug gar nicht denkbar ist und das ohne Trinkgefäß quasi seinen Beruf sauber verfehlt hätte. Tage zuvor haben sie schon einen Trauermarsch inszeniert, auf dem sie symbolisch die Biergartenkultur zu Grabe getragen haben. 200.000 Unterschriften sammelt allein die Münchner Zeitung "tz" damals gegen die frühe Sperrstunde.

Wie Stoiber den Volkszorn besänftigte

Wer wollte oder konnte so einer Menge geballter bayerischer Zorneskraft widersprechen? Politiker aller wichtigen Parteien stimmten den Forderungen nach Erhalt der bayerischen Biergartenkultur zu. Dann zogen die Revolutionäre unter den Klängen des bayerischen Defiliermarschs vom Marien- zum Odeonsplatz vor ihren damaligen bayerischen Landesfürsten Edmund Stoiber. Der fühlte den Furor des Volkes und versprach mit bierorkratisch-prophetischen Worten, er beziehungsweise die Regierung würden "nächste Woche, spätestens am Dienstag in acht Tagen, eine Landesverordnung zum Schutz unserer Biergärten erlassen", eine eigene Bayerische Biergartenverordnung. Und bei seinem Versprechen soll Stoiber kraftvoll die Faust in die Höhe gereckt haben, wie man das von den ganz großen Politikern kennt.

Sperrstunde: Leere Bänke und volle Gäste

Seitdem darf die Musi im Biergarten bis 22 Uhr spielen und die letzte Biergarten-Maß wird um 22.30 Uhr gezapft. Zum Dank spielte das Revoluzzervolk dem Landesfürsten die Bayernhymne. Eine Sperrstunde setzt aber auch die Verordnung, die bis heute gültig ist. Um spätestens 23 Uhr müssen Bänke und Stühle, Tische und Biergärten leer sein, nur die Gäste dürfen noch voll sein, wenn sie nach Hause gehen. Still sollen sie aber trotzdem dabei sein, ohne unanständige Lieder zu grölen und ohne unterwegs Wände anzupinkeln, auch wenn das gar nicht extra in der Biergartenverordnung steht. Das versteht sich aber ja von selber. Kiffen ist übrigens verboten im Biergarten, Rauchen aber nicht. Ob das alle gut finden? Wie sagt der Bayer? "Lem und lem lossn".

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