Laut einer Statista-Umfrage wurde im Jahr 2022 in 85 Prozent der deutschen Büros mit Microsoft Office gearbeitet: Emails, Video-Gespräche, Textverarbeitung. Die Programme sind etabliert und einfach zu bedienen. Der Nachteil: Der US-Konzern Microsoft hat damit einen immensen Hebel in der Hand: technisch und politisch.
Microsoft als politisches Druckmittel
Was das heißt, darüber wird gerade beispielsweise in Dänemark heftig diskutiert. Das Land liegt im Clinch mit den USA wegen der Insel Grönland. Die gehört völkerrechtlich zu Dänemark, die US-Regierung wirbt aber um einen Anschluss Grönlands an die USA. Nun geht bei den Skandinaviern die Sorge um, die Trump-Administration könnte US-Tech-Konzerne veranlassen, ihre Software-Dienste aus der Ferne beispielsweise zu blockieren. Und dadurch die dänische Verwaltung lahmlegen.
Big-Tech aus USA: Risiko für Bayern?
Der bayerische Digitalminister Fabian Mehring von den Freien Wählern vergleicht die Abhängigkeit von den US-amerikanischen Tech-Giganten mit der Abhängigkeit vom russischen Gas: "Wir sind einigermaßen eingeklemmt zwischen Putin auf der Ostseite und Trump auf der Westseite. Wir dürfen nicht in Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter geraten, im Sinne dessen, dass wir erpressbar sind", sagte Mehring dem BR. Doch was heißt das konkret?
Kein Überblick über Stand der digitalen Souveränität Bayerns
Am wenigsten erpressbar wären bayerische Behörden, wenn sie sogenannte Open-Source-Angebote nutzen, also Software, deren Baupläne offen nachvollziehbar sind. Und bei denen klar ist, wo die Daten gespeichert sind und wer auf sie Zugriff hat.
In Bayern gebe es viele vereinzelte Projekte in diese Richtung, die teilweise auch vom Freistaat gefördert werden. Das Bayerische Digitalgesetz sieht vor, dass bei Neuanschaffungen offene Software verwendet werden soll. Allerdings mit der Einschränkung, soweit dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Wie viele bayerische Kommunen Open-Source-Angebote konkret nutzen, wie "digital souverän" Bayern ist – darüber hat das Digitalministerium keinen Überblick.
Schleswig-Holstein und Kommunen Vorreiter bei Open-Source-Umstellung
Anders in Schleswig-Holstein: Die dortige Landesverwaltung ist von Microsoft Office komplett auf Open-Source-Lösungen umgestiegen. Betroffen sind 30.000 Mitarbeiter in sämtlichen Landeseinrichtungen, von der Staatskanzlei bis zu Justiz- und Polizeibehörden.
Auch in Bayern scheinen einzelne Kommunen die digitale Souveränität schneller anzustreben als der Freistaat. Die Landeshauptstadt München hatte bereits im Jahr 2003 die freie Software "Linux" eingeführt, um unabhängig von Microsoft und Co. zu werden. Das Projekt zog weltweite Aufmerksamkeit auf sich, scheiterte jedoch damals einige Jahre später. Dennoch nutzt die Stadt heute etliche Open-Source-Angebote in begrenzten Bereichen, beispielsweise bei der Verkehrszählung. Außerdem betreibt die Stadt ein eigenes Rechenzentrum für sensible Daten, um unabhängig von Cloud-Diensten zu sein.
München prüft eigene digitale Souveränität
Aktuell prüft die Landeshauptstadt München die eigene IT-Landschaft auf digitale Souveränität und steht zu dem Thema auch mit dem Land Schleswig-Holstein im Austausch. Ein konkreter Ausstieg aus Microsoft-Office-Anwendungen ist derzeit nicht geplant. Ein Umstieg von einer vertrauten Software auf eine neue, freie Software dürfte bei den Mitarbeitenden eher unpopulär sein. Andererseits sei auch freie Software mittlerweile immer intuitiver zu bedienen, betont Laura Dornheim, IT-Referentin der Landeshauptstadt München.
Digitalminister: Politische Bereitschaft zu digitaler Souveränität hoch
Im Digitalministerium ist man mitunter skeptisch, freie Alternativen zu Microsoft Office anzuwenden. Die Einführung der Open-Source-Software OpenDesk, die vom Bund entwickelt wurde, schließt der bayerische Digitalminister derzeit sogar für sein eigenes Ministerium aus: Sie sei zu umständlich zu bedienen, es dürften keine Abstriche beim Service für die Bevölkerung entstehen. Die digitale Unabhängigkeit sei nicht das einzige Interesse des Freistaats, sondern auch die Leistungsfähigkeit, so der FW-Politiker.
Auch will sich Digitalminister Mehring nicht auf konkrete Zahlen festlegen oder Stichtage angeben, bis wann der Freistaat eine digitale Souveränität erreicht haben will. Dass das Thema derzeit eine untergeordnete Rolle im Freistaat spielt, diesem Eindruck tritt er aber entgegen: Die politische Bereitschaft, auf Open-Source-Angebote zu setzen, sei derzeit höher denn je, was insbesondere mit der geopolitischen Lage zu tun habe.
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