Björn Höcke steht auf einer Bühne - bei einer AfD-Veranstaltung.
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Der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke ist an zwei Tagen in Bayern aufgetreten.

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AfD Bayern: Wie groß ist die Nähe zu rechten Extremisten?

AfD Bayern: Wie groß ist die Nähe zu rechten Extremisten?

Während die AfD gegen ihre Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" klagt, sucht die Bayern-AfD weiter die Nähe zu Extremisten. Die Partei habe einen Drang zur Radikalisierung, erklärt ein Experte.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

200 Eintrittskarten habe er im Vorfeld verkauft, weitere 50 Tickets vor Ort, sagt der AfD-Landtagsabgeordnete Franz Schmid. Mitte Mai findet seine "Sommerfeier" in einem Industriegebiet im Landkreis Neu-Ulm statt. Angekündigt hatte er ein Fest mit Rednern aus Partei und Vorfeld. Gekommen sind Parteimitglieder, Burschenschafter und Aktivisten der Identitären Bewegung.

Wie wichtig Franz Schmid dieses "Vorfeld" ist, macht er in seiner Rede klar: "Schauen wir der Wahrheit ins Gesicht! Wir wären heute nicht da, wo wir stehen - vorne in den Umfragen, verankert in der Bevölkerung -, wenn es da draußen nicht dieses mutige, unbeugsame, patriotische Vorfeld und die Parteimitglieder, die ehrenamtlich Politik fürs Land machen, gäbe."

Identitäre Bewegung: Erst Ausreiseverbot, dann Hauptredner

Dieses Vorfeld habe "über Remigration gesprochen, bevor darüber in Parlamenten diskutiert wurde", sagt Schmid. "Ich jedenfalls distanziere mich nicht von denen, die sich aufrecht und friedlich für unsere Heimat einsetzen." Sie kämpften für "das Wesentliche, und zwar für Deutschland".

Wie diese Aktivisten kämpfen, schildert einer von ihnen: "ArminiusDD", so nennt sich der junge Mann in Sozialen Netzwerken. Er gehört zum Kern der Identitären Bewegung in Bayern und tritt nach Schmid ans Mikrofon.

Anfang Mai hatte die Polizei ihm und weiteren Aktivisten die Ausreise zum "Remigration Summit" untersagt, einem rechtsextremen Kongress in Italien. Im Internet veröffentlichten Mitglieder der Gruppe Auszüge aus der Begründung für das Ausreiseverbot: Eine Teilnahme an dem Kongress würde dem Ansehen der Bundesrepublik schaden. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass die Veranstaltung dazu dienen könnte, "finanzielle Mittel zu erschließen".

Aktivist der rechtsextremen IB spricht auf Sommerfeier von AfD-Abgeordnetem

"ArminiusDD" reiste dennoch nach Italien, sprach auf der Bühne mit Martin Sellner - dem Gesicht der Identitären Bewegung im deutschsprachigen Raum - darüber, wie er sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzte und nach Italien reiste. Auf der Sommerfeier von Franz Schmid berichtet er davon – und erntet Applaus.

Zum Ende seiner Rede fordert er politische Mitbestimmung: "Die besten Leute unserer Generation gehören nicht in Warteposition, sondern in die Wirkung. Das kann die Straße sein, das kann die Gemeinde sein, es kann die Landesliste sein."

Ebner-Steiner: "Remigration, Remigration, Remigration"

Am selben Tag begrüßt die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bayerischen Landtag, Katrin Ebner-Steiner, in Neutraubling bei Regensburg rund 300 Teilnehmer. Der Begriff "Remigration" fällt schnell in ihrer Rede: "Remigration, Remigration und Remigration. Wir werden abschieben, bis die Startbahnen glühen, notfalls mit eigenen bayerischen Abschiebefliegern, mit AfD-Logo."

Im BR-Interview konkretisiert die Fraktionschefin: "Remigration heißt von der AfD aus, dass wir alle ausweisen wollen, die nicht hier sein dürfen, die Straftäter sind, aber auch solche, die sich den deutschen Pass erschlichen haben."

Laut bayerischem Verfassungsschutz verstehen Rechtsextreme unter "Remigration", dass auch deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte Deutschland verlassen müssen - ein Bruch mit dem Grundgesetz.

Unter Jubel fügt Ebner-Steiner hinzu: "Wir brauchen Mathe-Fachkräfte und keine Messer-Fachkräfte. Wir brauchen Raketen-Experten und keine Macheten-Experten." Danach kündigt sie den Hauptredner für den Tag an: Björn Höcke.

Höcke für zwei Termine in Bayern

Begleitet von "Höcke, Höcke"-Rufen tritt der Thüringer Landtagfraktionschef vors Publikum. Es ist sein zweiter Termin in Bayern an diesem Wochenende. Höcke nennt den Verfassungsschutz "Institut eines Unrechtsstaates", fordert eine Annäherung an den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und den russischen Machthaber Vladimir Putin.

Richtung Ebner-Steiner sagt er: "Wir haben uns das Klartext-Sprechen nicht abgewöhnt, sondern wir haben Kurs gehalten, und es war richtig, dass wir diesen Weg zusammen beschritten haben." Ebner-Steiner bekräftigt im BR-Interview: "Es gibt keine unterschiedlichen Strömungen mehr in unserer Partei."

Der bayerische Landesvorsitzende Stephan Protschka beantwortet eine Anfrage des BR zunächst nicht, später sagt er ein Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers zu.

Würzburger Jurist: "Drang zur Radikalisierung"

Die Aussagen von Ebner-Steiner, die Einladung von Höcke, das Treffen mit Vertretern der "Identitären Bewegung" - der Rechtswissenschaftler Kyrill Schwarz von der Universität Würzburg ordnet das im Interview mit dem BR so ein: "Man merkt zunehmend den Drang zur Radikalisierung." Die Feststellung des Verfassungsschutzes habe keinerlei Abschreckungseffekt, keinerlei mäßigende Wirkung auf die Partei.

Anfang Mai hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt gegeben: Es sehe sichere Anhaltspunkte dafür, dass die Gesamt-AfD rechtsextremistisch sei. Die Partei klagt dagegen. Bis zur Gerichtsentscheidung verzichtet der Verfassungsschutz auf die Formulierung "rechtsextremistisch", kann jedoch weiter öffentliche Äußerungen von führenden Parteimitgliedern sammeln.

Die Treffen und Veranstaltungen in Bayern seien, sagt Schwarz, ein weiterer Mosaikstein für "alles, was bisher ausreichend war, um zu rechtfertigen, dass die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft wird".

White Power-Geste vor AfD-Plakat

Zurück in Neu-Ulm. Dort beginnt nach den Reden der informelle Teil der "Sommerfeier". Tickets gab es auf der Plattform Eventim Light für zehn Euro, Bratwürste und Bier inklusive. In weiten Teilen finanziere er das Fest persönlich, sagt der Abgeordnete Franz Schmid.

Am späteren Abend posieren rund ein Dutzend IB-Aktivisten vor einer AfD-Stellwand und posten das Bild in Sozialen Medien. Zahlreiche Gesichter sind verpixelt. Einige zeigen die rassistische "White Power"-Geste. Die meisten lachen in die Kamera.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version hieß es, dass das Industriegebiet im Landkreis Senden ist, es ist der Landkreis Neu-Ulm. Wir haben die Angaben korrigiert.

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