Sieben Jahre sind vergangen, seit Philipp Hörmann Hinweise bekommen hat, die er damals erst einmal nicht glauben konnte: Auf einem Hof eines Großbauern in Bad Grönenbach solle es zu schweren Verstößen kommen, erfuhr er 2018. Hörmann stammt aus einer Bauernfamilie im selben Ort. Der Hof, um den es geht, war Bayerns größter Milchviehbetrieb. Damals ein Vorzeigebetrieb mit vielen Besuchern. "Für mich war klar, da kann keine Tierquälerei passieren, ohne dass es entdeckt wird", sagt Hörmann heute.
Beobachtung: Verletztes Tier auf Hänger geprügelt
Doch weil die Hinweise so konkret sind, entschließt er sich, ihnen doch nachzugehen. Der gelernte Metzger setzte sich schon damals für Tierrechte ein.
Hörmann will beobachtet haben, wie der Junior-Betriebsleiter des Großbetriebs versuchte, ein Rind zu verladen. Das war seinen Angaben zufolge verletzt und konnte nicht gehen. "Das Tier wurde in den Hänger geprügelt", schildert Hörmann. Dabei habe der Landwirt mit einem spitzen Gegenstand in die Flanke des Tieres geschlagen. "Das war für mich der Einstieg", sagt Hörmann. Er meint monatelange Recherchen, die dazu führen, dass auf dem Großbetrieb in Bad Grönenbach mutmaßliche Missstände dokumentiert werden. Gemeinsam mit der Tierrechtsorganisation SOKO Tierschutz bringt Hörmann das im Juli 2019 an die Öffentlichkeit.
Sonderkontrollbehörde nun für große Rinderbetriebe zuständig
"Dass erst durch heimliche Beobachtungen von Tierrechtsaktivisten Missstände aufgedeckt werden, statt von Kontrollbehörden, das wäre auch 2025 noch möglich", sagt Kai Braunmiller, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz. Es gebe schlichtweg zu wenig Amtsveterinäre, um die rund 53.000 bayerischen Höfe, die Tiere halten, regelmäßig zu kontrollieren.
Eine Folge der Vorfälle in Bad Grönenbach ist: große rinderhaltende Betriebe ab 600 Tieren werden seit 2020 nicht mehr von den Veterinären im Landkreis, sondern von der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) in Kulmbach kontrolliert. Braunmiller wertet das als einen ersten, richtigen Schritt.
Tiergesundheitsdatenbank: Verstöße früher erkennen
Doch damit sich Fälle wie diese nicht wiederholen, brauche es weitergehende Konsequenzen. Braunmiller fordert, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, um Problembetriebe frühzeitig zu erkennen. Dann könnte gezielter und effizienter überwacht werden – etwa mit einer zentralen Datenbank für Amtsveterinäre. "Wenn wir Tiergesundheitsdaten aus den einzelnen Ställen mit Daten vom Schlachthof zusammenführen, und dann noch die Befunde von den Tierkörperbeseitigungsanlagen konsequent auswerten, dann könnten Betriebe, bei denen es Defizite gibt, frühzeitig identifiziert werden". Braunmiller schlägt außerdem vor, dass die Kontrollbehörden Betriebe, bei denen es zu schwerwiegenden Verstößen kommt, mit Videokameras ausstatten und überwachen könnten. Zudem brauche es eine Meldepflicht für Tierschutzverstöße für Hofbesucher.
Eine Sprecherin des Umweltministeriums sieht den Bund in der Pflicht. Der müsse rechtliche Grundlagen für so eine Datenbank schaffen. Das bayerische Landwirtschaftsministerium verweist auf ein im Jahr 2024 abgeschlossenes Projekt, in dem ein Beratungstool entwickelt wurde, das als Frühwarnsystem dienen soll. Haltungs-, Fütterungs- und Leistungsdaten aus der Tierhaltung werden mit Schlachthofbefunden verknüpft. Tierhalter können dann zum Beispiel Tierärzte bemächtigen, umfassende Rückschlüsse auf das Tierwohl zu ziehen. Das Ganze ist freiwillig. Eine verpflichtende Einführung sei nicht vorgesehen, so ein Sprecher. Braunmillers Vorschlag ginge da deutlich weiter.
Juristische Aufarbeitung dauert an
Eine Meldepflicht für Hofbesucher lehnen beide Ministerien ab. Obendrein zeige ein Fall wie in Bad Grönenbach die Grenzen des Systems auf: Wenn Kontrolleure vor Ort seien, werden die Vorgaben eingehalten. Ställe könnten aber nicht rund um die Uhr kontrolliert werden, so eine Sprecherin des Umweltministeriums.
Die juristische Aufarbeitung des Bad Grönenbacher Skandals dauert unterdessen weiter an. Zwar sollte der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Hauptverantwortlichen und vier Angestellte im Oktober 2023 eröffnet werden, das Gericht entschied aber, das Verfahren gegen die beiden Männer im Mittelpunkt abzutrennen. Laut einem Gerichtssprecher sucht die zuständige Strafkammer mit den Verteidigern noch nach Terminen. Verhandelt werde voraussichtlich ab Januar 2026.
Die ganze Recherche hören Sie im Funkstreifzug am 1.10.2025 um 12:17 Uhr im Radioprogramm von BR24 oder als Podcast in der ARD Audiothek.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!