500 Menschen sitzen in großem Saal und verfolgen eine Rede bei der Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Würzburg
Bildrechte: BR/Christoph Schneider
Audiobeitrag

500 Teilnehmende bei der Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Würzburg

Audiobeitrag
>

"Armut ist weiblich" - Bundeskonferenz fordert Konsequenzen

"Armut ist weiblich" - Bundeskonferenz fordert Konsequenzen

Die Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten nimmt in Würzburg die Frauenarmut in den Fokus. Sie prangert an, dass Frauenarmut sowohl durch rechtliche Strukturen als auch durch Gewalt gefördert wird.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Besonders im Alter, als Alleinerziehende, mit Migrationshintergrund oder mit Behinderungen sind Frauen häufiger von Armut betroffen. Frauen verdienen im Schnitt immer noch weniger als Männer und leisten häufiger unbezahlte Arbeit, was niedrigere Renten zur Folge hat. Diese "Pay"- beziehungsweise "Pension-Gaps" bestätigen beispielsweise Erhebungen des Statistischen Bundesamtes. Die Bundeskonferenz fordert Konsequenzen.

Istanbul-Konvention umsetzen, Gewalthilfegesetz einführen

"Wir könnten mal damit beginnen, die Dinge, die schon ratifiziert sind, tatsächlich umzusetzen", sagt Juliane Fischer-Rosendahl, eine Sprecherin der Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, und meint damit unter anderem die "Istanbul-Konvention": Ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, dass 2011 verabschiedet wurde und 2018 in Deutschland in Kraft getreten ist.

Gemeint ist auch das Gewalthilfegesetz, das laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) noch in dieser Wahlperiode umgesetzt werden soll. Es soll Frauen besser vor Gewalt schützen, mit rechtlichem Rahmen für einen Anspruch auf Schutz und Beratung, mehr Frauenhausplätze, sowie durch einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser. Das ist in den Bundesländern noch sehr unterschiedlich. Viel beruht auf Freiwilligkeit der Kommunen, sagt Theresa Jörg, die Leiterin eines Frauenhauses im Sozialdienst katholischer Frauen in Würzburg.

"Steuerliche Vorteile bisher für besserverdienende Familien"

"Es würde vielen Alleinerziehenden helfen, wenn das ganze Behörden-Gerenne einmal unterbrochen würde und schnelle Hilfe geholt werden könnte", sagt Fischer-Rosendahl in Bezug auf die Kindergrundsicherung. Dazu kritisiert Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK im "Stadt Land Leute"-Interview auf Bayern 2: "Bisher profitieren besserverdienende Familien mehr durch die Steuerentlastung, die man für die Kinder erhält, als ärmere Menschen von der Unterstützung, die sie für ihre Kinder bekommen."

Auch das Ehegattensplitting sei nicht mehr zeitgemäß, so Bentele. Vielmehr brauche es ein Familiensplitting als steuerliche Entlastung, bei der im Vordergrund steht, wer sich um die Kinder kümmert oder Pflegeaufgaben übernimmt. "Viele Frauen machen ja unglaublich viel! Erziehung, Pflege – viele Arbeiten, die nicht ausreichend bezahlt sind, die nicht sozialversicherungspflichtig sind und eben keine Rente abgeführt wird." "Frauen leisten häufiger unbezahlte Arbeit als Männer", bekräftigt auch Juliane Fischer-Rosendahl.

Armutsfalle im Alter

Insgesamt war im vergangenen Jahr in Deutschland jeder fünfte Rentner durch Armut gefährdet. Insbesondere Frauen: Laut dem Statistischen Bundesamt lag die "Rentenlücke" 2023 in Deutschland bei knapp 40 Prozent. So viel weniger Rente bekamen Frauen als Männer bei eigenen Rentenansprüchen.

Viele Frauen hätten wegen geringer Renten einen Anspruch auf Grundsicherung, führt Verena Bentele aus. Die Erfahrung aus Beratungsgesprächen zeige aber, dass etwa zwei Drittel der Frauen darauf verzichten würden. Aus Sorge, dass jemand aus dem Umfeld etwas von der beanspruchten Sozialleistung mitbekäme.

Gewalt gegen Frauen fördert Frauenarmut

Nicht nur Scham, gesellschaftlicher Druck sowie rechtliche und institutionelle Strukturen fördern Frauenarmut, auch Gewalt gegen Frauen, wobei die Formen der Gewalt vielfältig sind, sagt Theresa Jörg. Ihre Erfahrung in Beratungsgesprächen zeige, dass die ökonomische Gewalt den größten Einfluss auf Armut bei Frauen hat. Ihnen wird verboten zu arbeiten, der Zugriff auf Konten und Papiere verwehrt. "Sie haben wirklich nichts, wenn sie gehen. Sie verlassen den Mann und starten bei null, wenn sie im Frauenhaus ankommen."

Sorge bereitet Theresa Jörg demnach auch die Verweildauer der Betroffenen in den Frauenhäusern. Waren es im Würzburger Frauenhaus des Sozialdienstes katholischer Frauen vor 2023 noch 60 Tage, sind es jetzt 115. "Das liegt nur daran, dass wir keine bezahlbaren Wohnungen finden", kritisiert Jörg.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!