Mike Zehle füllt im Süßigkeitenstand seiner Familie Popcorn ab, von der Decke hängen Lebkuchenherzen.
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Mike Zehle ist mit seiner Familie und dem Knusperhaus gerade auf dem Augsburger Plärrer.

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Auf dem Rummel zu Hause: Kein Traum von einem anderen Leben

Auf dem Rummel zu Hause: Kein Traum von einem anderen Leben

Der 17-jährige Mike Zehle kommt aus einer Schausteller-Familie. Sein Leben lang ist er schon von Rummel zu Rummel unterwegs, harte Arbeit inklusive. Zurzeit wohnt und arbeitet er auf dem Augsburger Plärrer. Etwas anderes wollte er nie machen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Mike Zehle hat nie in einem Haus gewohnt. Der Weg zu seinem Zuhause führt vorbei am nach gebrannten Mandeln duftenden Knusperhaus seiner Eltern, über Kabel auf engen Gassen zwischen Wohnwägen hindurch, zu seinem eigenen Wohnwagen. Hier, auf dem Augsburger Plärrer, steht er aktuell, seit drei Jahren hat er ihn schon. Drinnen ist es ruhig, aufgeräumt, beinahe steril: zwei Betten, eine kleine Küche mit Herd, ein Fernseher an der Wand. Im Zentrum steht ein wuchtiger Verstärker, rund einen Meter hoch. "Am wichtigsten sind die zwei Musikboxen unter der Sitzbank, und auch die hier", sagt der 17-Jährige mit den blonden zurückgekämmten Haaren, lächelt, klopft auf den Verstärker: "Das Kennzeichen vibriert manchmal, wenn ich aufdrehe."

Rund 20 Schulen besucht

Mike wurde ins Schaustellerdasein hineingeboren. Mit seiner Familie ist er schon sein Leben lang unterwegs: in Deutschland, Österreich und der Schweiz – immer dort, wo Rummel ist. Mike und seine Schwester Sally haben in ihrem Leben viele Schulen besucht. 20 könnten es gewesen sein, schätzt Mike. Das liegt nicht etwa daran, dass sie ihn überall hinausgeschmissen hätten. Er hat Mittlere Reife, Schwierigkeiten habe er in der Schule keine gehabt. Aber alle zwei bis drei Wochen mussten er und seine Schwester umziehen. Neue Schulen, neue Leute, immer wieder neu anpassen.

Sally sieht das positiv: "Welches Kind kann sagen, dass es in 15 verschiedenen Städten Freunde hat. Es war einfach sehr besonders", erinnert sich die 22-Jährige. Auch für Mike ist es ein Gewinn, immer neue Menschen kennenzulernen: "Ich könnte mir nichts anderes vorstellen."

Bis zu 15 Stunden Arbeit am Tag

Daran ändert auch die harte Arbeit nichts: Die ganze Familie packt mit an. Die Arbeitstage sind lang, manchmal bis zu 15 Stunden. "Wenn das Fest läuft, kann man nicht auf die Uhr schauen", weiß Josef Diebold, Vorsitzender des schwäbischen Schaustellerverbands. Der Umgangston bleibt bei Familie Zehle trotzdem meistens locker. "Klar gerät man manchmal aneinander, aber das gehört ja dazu", sagt Mike und lächelt verlegen. "Du kannst schon sagen, der Alte nervt ab und zu. Das war bei meinem Papa auch nicht anders gewesen", stichelt sein Vater Michael.

Der Lärm vom Rummel hat Mike nie gestört, er ist ihn gewohnt. Für seinen Vater Michael gehört er sogar dazu: "Der Jahrmarkt ist mein Zuhause. Laute Musik zu hören, das ist für mich ein Stück Vertrautheit." Schon Michaels Urgroßmutter hat im Zirkus gearbeitet, auch Mikes Mutter Tanja ist in eine Schaustellerfamilie hineingeboren worden.

Schausteller über Generationen

Dass ein Schaustellerbetrieb über Generationen weitergegeben wird, ist nicht selbstverständlich, aber schon die Regel, sagt Schausteller-Chef Diebold. Dabei hätten Mike und seine Schwester Sally immer die Wahl gehabt, versichert ihre Mutter Tanja: "Wir bestehen da nicht drauf, unsere Kinder könnten auch etwas anderes machen."

Mike will das gar nicht: "Ich stelle mir den normalen Alltag langweilig vor", sagt er und versichert, er wolle auf jeden Fall Schausteller bleiben. Sein Vater Michael lächelt: "Die Kinder haben einen leichteren Start, wenn sie das hier weitermachen. Das, was wir heute haben, geht von Generation zu Generation weiter."

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