Es geht um die Siemensstraße in Bamberg. Es geht um elf oder zwölf Bäume und es geht um 220.000 Euro oder noch mehr. Die Stadt möchte aus Bundesfördermitteln und im Rahmen des Bamberger Projekts "MitMachKlima" mehr Grün in den Osten bringen. Doch bei den Bürgern fand der Plan keinen großen Anklang. Einen erarbeiteten Kompromissvorschlag lehnen sie ebenfalls ab. Jetzt will die Stadt am Dienstag über die mittlerweile hochbrisante Baumpflanzung entscheiden. Es geht hier schon lange nicht mehr um das Grün an sich, sondern um Bürgerbeteiligung, um die Rettung von beantragten Fördermitteln und sogar mittlerweile um den Schutz von Teilen der Innenstadt bei Starkregen.
Siemensstraße: Ein Drama in vielen Akten
Es gibt mehrere Arten des Dramas: Komödie, Tragödie, das Bürgerliche Trauerspiel oder auch das Epische Theater. In Bamberg wird im Falle der Siemensstraße gleich alles in einem auf die Bühne gebracht.
Elf Bäume wollte die Stadt in der Siemensstraße pflanzen. Gezahlt aus Bundesmitteln für den Klimaschutz. 220.000 Euro hat die Verwaltung dafür veranschlagt. 19 Parkplätze sollten in der Straße mit vier Hochhäusern wegfallen. Die Argumentation: Mehr Grün, mehr Schatten, bessere Luft.
Bei Veranstaltungen zeigte sich jedoch, dass die Bewohner diese Idee überhaupt nicht gut finden. Sie wehren sich nicht gegen mehr Grün und Klimaschutz, sondern argumentieren, dass diese Straße bereits ausreichend begrünt, fußläufig der Hauptsmoorwald zu erreichen sei und Parkplätze schon jetzt fehlen würden. Drei Anträge auf sofortigen Stopp der Pläne wurden von den Bürgern des Viertels eingereicht. Die Stadt zog argumentativ nach und verwies darauf, dass bei Starkregen die Straße gefährdet sei.
Kompromissvorschlag der Stadt: "Das wird teuer"
In einem Gespräch am 24. November präsentierten Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und Bürgermeister Jonas Glüsenkamp (Grünes Bamberg) den drei Vertretern der Bürgerschaft einen neuen, überarbeiteten Plan. Der Alternativvorschlag sieht nun die Pflanzung von bis zu zwölf Bäumen vor und den Wegfall von nur zwei Parkplätzen. Alle anderen können demnach erhalten bleiben. Die Baumwurzeln würden dadurch relativ nahe an die unterirdisch verlaufenden Versorgungsleitungen heranrücken, erklärt Michael Böhm von Bamberg Service in der Pressemitteilung. Die Ausführung werde dadurch "technisch deutlich anspruchsvoller". Was so viel heißt wie: "Das wird teuer."
Der Bausenat entscheidet am Dienstag
Am Dienstag wird nun über die neue, "technisch deutlich anspruchsvollere" Variante entschieden. Die Zeit drängt, denn die Mittel, die im Rahmen des "MitMachKlimas" abgerufen werden können, laufen 2024 aus. Bis dahin muss das Projekt umgesetzt sein.
Der Druck auf die Stadtspitze und die Stadträte wächst: So ist auch in der Vorlage zur entscheidenden Bausenats-Sitzung zu lesen: "Ein Komplettausstieg aus der beschlossenen Maßnahme würde einen vorsätzlich herbeigeführten Vermögenseigenschaden bedeuten, für welchen die Entscheider die volle Verantwortung übernehmen müssten."
Die würden doch gerne wissen, was die neue Variante überhaupt kosten soll. Am Montag erging dazu ein Dringlichkeitsantrag der parteilosen Stadträtin Karin Einwag und des CSU-Fraktionsvorsitzenden Gerhard Seitz mit der Frage, ob die Kosten für die Pflanzung pro Baum nach den neuen Plänen noch höher als 20.000 Euro werden.
"Alle Menschen entlang der Kanalführung betroffen"
In der Vorlage für den Bausenat wird aber vor allem klargemacht, wie entscheidend diese zwölf Bäume für die gesamte Stadt Bamberg sind. Der Baureferent der Stadt, Thomas Beese, führt darin aus, dass im Grunde die Entsiegelung in der Siemensstraße dafür sorgt, dass ein großer Teil von Bamberg bei Starkregen nicht überflutet wird. Da der Abwasserkanal von der Siemensstraße bis in die Innenstadt führe, seien alle Menschen entlang der Kanalführung betroffen.
"Es greift entschieden zu kurz anzunehmen, dass das Schicksal der Siemensstraße isoliert betrachtet oder isoliert entschieden werden könnte“, heißt es in den Ausführungen von Bambergs Baureferent, Thomas Beese. Die Siemensstraße liege höher als die Innenstadt. Heißt: Würden dort nicht die zwölf Bäume gepflanzt werden, steige im Prinzip die Überflutungsgefahr für einen großen Teil der Bamberger.
Wasserwirtschaftsamt Kronach äußert sich
Der Baureferent verweist zugleich auf den Zusammenhang zwischen Hauptsmoorwald und Siemensstraße. Ein Graben am Wald sei nur auf ein fünfzigjähriges Hochwasserereignis ausgelegt. Und weiter: "Ist die Flutwelle aus dem Wald größer, wird diese wahrscheinlich auch die Siemensstraße erreichen. Der naheliegende Wald stellt also die Gefährdungsursache für die Siemensstraße dar."
Eine Nachfrage direkt beim zuständigen Wasserwirtschaftsamt ergab: Die Stadt Bamberg habe sich in der Vergangenheit um den Hochwasserschutz bemüht und sei im Kontakt mit dem Amt. Der Umlaufgraben am Hauptsmoorwald sei ein Beispiel dafür. Es sei richtig, dass der Hauptsmoorwald ein Risiko bei Starkregenereignissen darstelle, auch für bebaute Bereiche, da er eine Hanglage aufweist und sein Boden eine enge Bodenstruktur aufweist, sodass Wasser nur langsam versickern könne, erklärt Hans Joachim Rost vom Wasserwirtschaftsamt. "Die geplante Pflanzung von zwölf Bäumen in der Siemensstraße hat auf ein Starkregenereignis und damit auf ein Hochwasserereignis keine großen Auswirkungen."
Parken wird attraktiver
In der Vorlage steht zudem: Neue Bäume würden "die Attraktivität des Parkens" erhöhen und die Siemensstraße sei eine Wohnstraße und von der Breite "überdimensioniert". Dies wiederum bewirke "eine besonders große Versiegelungssituation in diesem Bereich und erhöht damit natürlich auch die Risiken im Falle von Starkregenereignissen. Auf sieben Seiten wird ausführlichst erklärt, wie wichtig diese zwölf Bäume für ganz Bamberg seien.
Bundesfördermittel für mehr Klimaschutz
Die Stadt Bamberg kann durch die Bundesfördermittel aus dem Fonds der Nationalen Klimaschutzinitiative 3,3 Millionen Euro für die Umwelt einsetzen. Das Ziel dabei: Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral werden.
Erst vor kurzem wurden Projekte anderer Städte prämiert. Zum Beispiel Stuttgart ist darunter. Die Stadt entwickelte eine Schule aus den 50er-Jahren zu einem Plusenergiegebäude, das den Energieverbrauch auf ein Minimum reduziert. Die Stadt Freiburg hat den ersten Solar-Radweg Deutschlands. Auf 300 Metern wurde dort die Strecke für Radfahrer mit PV-Modulen überdacht. Die Module erzeugen so viel Solarstrom, um den Bedarf von 180 Personen zu decken.
Eine Delegation des Bamberger Stadtrats hat erst vor kurzem Tübingen besucht, um sich dort Anregungen für den Klimaschutz zu holen. Aber die Stadt in Baden-Württemberg hat ein entscheidendes Motto ausgegeben: Den Bürger mitnehmen. Tübingen legt großen Wert auf Bürgerbeteiligung und hat vor dem Start seiner Klimaschutzmaßnahmen umfangreiche Befragungen in der Bevölkerung erstellen und sogar zum Teil Bürgerentscheide durchführen lassen.
Im Video: Bäume statt Parkplätze: Bürger leisten Widerstand
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