Bauherren Martin und Theresa Baar vor ihrer Baustelle
Bildrechte: Uli Hagmann
Videobeitrag

Bauherren Martin und Theresa Baar vor ihrer Baustelle

Videobeitrag
>

Risiko Bauen: Bankrott statt Wohnraum?

Risiko Bauen: Bankrott statt Wohnraum?

Lieferengpässe, hohe Rohstoffpreise und steigende Zinsen haben eine Pleitewelle am Bau ausgelöst. Für Privatpersonen besteht zugleich das Risiko von eventuellem Baupfusch. Kontrovers - Die Story schaut hinter die Kulissen der Baukrise.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Theresa Baar kann schon lange nicht mehr ruhig schlafen. "Ich wache nachts auf und mein Leben dreht sich nur noch um dieses Haus. Aus einem Traum wurde ein Albtraum." Gemeinsam mit ihrem Mann wollte Baar für die Familie ein neues, größeres Haus in Dachau bauen, um es dann zu beziehen.

Das alte, kleinere Haus sollte vermietet werden, um den Neubau zu finanzieren. Doch diese Rechnung scheint zumindest vorerst nicht aufzugehen. "Das Geld, das wir gar nicht gehabt haben, ist jetzt auch noch weg", sagt Martin Baar in Kontrovers - Die Story.

Massiver Pfusch

Von außen scheint das Gebäude auf den ersten Blick fast fertig zu sein. Doch der Eindruck täuscht. Im August 2023 gab es hier einen Baustopp. Das Dach ist offen und nur notdürftig mit Planen abgedeckt. Bauherr Martin Baar erklärt, warum es hier nicht weitergeht: "Das Haus ist versetzt drauf gestellt, der Keller ist nass und das Haus ist so in der Form nicht bewohnbar."

Offenbar hatte ein Messfehler dazu geführt, dass die Fugenbänder der Bodenplatte des Kellers falsch gegossen wurden. Sie liegen zu nah an der Wand zum Nachbarn der Doppelhaushälfte. Folglich passten die Fertigelemente nicht – jetzt ist der Keller undicht. Und die Probleme setzen sich im Erdgeschoss fort. Denn das Fertighaus liegt nicht richtig auf den Kellerwänden auf. Eine Hauswand schwebt teilweise in der Luft. Das ganze Gebäude ist um 20 Zentimeter verschoben.

Gutachter-Empfehlung: Abriss

Die Schäden sind so gravierend, dass ein Gutachter den Abriss empfohlen hat. Doch davon will der Bauträger nichts wissen. Für Familie Baar bedeutet die Baustelle den Super-GAU. Statt das neue Zweifamilienhaus im Herbst zu beziehen, stehen sie jetzt nicht nur vor einer Bauruine, sondern auch vor einer finanziellen Katastrophe. "Die ganze Finanzierung ist aufgebaut auf Mieteinnahmen. Und jetzt: Das Haus steht nicht, man muss es abreißen", so Martin Baar.

Die Kredite liefen weiter und müssten bezahlt werden. Gleichzeitig fielen die eingeplanten Mieteinnahmen weg. "Das ist nicht stemmbar", so Baar. Die Banken wollen außerdem auch Zinsen für Geld, das sie bereithalten, aber noch nicht ausbezahlt haben, den sogenannten "Bereitstellungszins".

Im Video: Pleitewelle von Baufirmen - Bankrott statt Wohnraum?

Baubranche in der Krise

Familie Baar und ihre Nöte sind jedoch kein Einzelfall. Hunderttausende Menschen investieren in Neubauten, verwenden ihr Erspartes und gehen damit derzeit ein besonders hohes Risiko ein. Denn die Baubranche steckt in einer ihrer schwersten Krisen seit der Nachkriegszeit. Lieferengpässe, explodierende Rohstoffpreise und steigende Zinsen haben eine Pleitewelle unter den Bauträgern ausgelöst. Große Projektentwickler mussten in den vergangenen Monaten Insolvenz anmelden. Mit fatalen Folgen nicht nur für die Käufer, deren Finanzierungen nun oft auf der Kippe stehen, sondern letztlich auch für die Mieter - denn es werden derzeit insgesamt zu wenige Wohnungen gebaut.

Insolvenzverwalter Volker Böhm wickelt große Baupleiten ab – unter anderem auch die von "Project-Immobilien": "Das ist doch ein recht großes Konglomerat an Unternehmen, rund 160 Gesellschaften, die betroffen sind, insgesamt ein Investitionsvolumen von über einer Milliarde, die hier investiert ist. Bei den aktuell laufenden Projekten haben wir Wohnungen für rund 1.400 Käufer, die in der Entstehung sind. Dann kommt eine Vielzahl von bereits abgewickelten und abgeschlossenen Objekten hinzu", erklärt er in Kontrovers – Die Story.

Zumindest für eine Baustelle in Nürnberg konnte er eine Lösung finden: Einen neuen Bauträger. Kein Totalverlust für die Käufer der Wohnungen. Trotzdem bedeuten die Verzögerungen für sie eine enorme Belastung, denn die Mieteinnahmen verzögern sich und sie müssen die Kredite vorläufig aus eigenen Mitteln bedienen.

Pleitewelle noch nicht am Ende

Insolvenzverwalter Böhm fürchtet, dass das Ende der Insolvenzen in der Bauwirtschaft noch nicht erreicht ist. "Wir müssen einfach damit rechnen, dass 2024 noch einiges nachkommt. Dafür ist jetzt einfach der Absturz, sowohl in der Baubranche, als auch käuferseitig durch die Zinserhöhungen zu dramatisch, zu extrem gewesen. Da kommt sicherlich was. Auch bei den Handwerkern wird es vermutlich Insolvenzen geben und auch im Baunebengewerbe."

Zwischen Aufgeben und Hoffen

Bauherr Baar hatte eigentlich nach Rücksprache mit der Bank gemeinsam mit seiner Frau beschlossen, nicht gegen den Bauträger zu klagen. Das Risiko, die Kosten und die zu befürchtende Länge des Verfahrens hatten das Ehepaar abgeschreckt. Sie wollten das Bauvorhaben schließlich beenden. Doch an der Baufirma hat sich zwischenzeitlich eine große, österreichische Gesellschaft mehrheitlich beteiligt.

Nach dem ersten Gespräch mit Familie Baar, erklärt deren Anwalt, Rüdiger Götz: "Das war das Gespräch, auf das wir eigentlich seit sechs Monaten warten. Ein lösungsorientiertes Gespräch." Die Achterbahnfahrt der Familie Baar geht offensichtlich weiter. Es wird neue Gespräche geben und das werden sicher schwierige Verhandlungen. Denn der Schaden ist groß. Das Haus, seit Sommer ohne Dach, voll Feuchtigkeit und Schimmel modert derweil weiter vor sich hin.

Dieser Artikel ist erstmals am 31.01.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!