Als erste der drei deutschen Heeresdivisionen sollte die 10. Panzerdivision wieder in ihrer Gänze einsatzbereit werden. Ursprünglich sollte das Ziel bis 2027 erreicht werden. Infolge der russischen Invasion in der Ukraine wurde es um zwei Jahre vorverlegt – auf 2025. Divisionskommandeur Generalmajor Jörg See bekräftigte nun im BR-Interview die Einsatzbereitschaft der Division: "Wir haben schon viel geschafft, aber es ist noch viel zu tun", sagte er.
10. Panzerdivision: Mehr als 20.000 Soldaten
Befehligt wird die Division von Veitshöchheim in Unterfranken aus. Ihr unterstehen mehr als 20.000 Soldatinnen und Soldaten, verteilt auf Standorte in Bayern und in anderen Bundesländern sowie im Ausland. Im Einsatzfall kämen tausende Unterstützer dazu.
Jörg See hat das Kommando im vergangenen September übernommen. Unter seinem Vorgänger, Generalmajor Ruprecht von Butler, durchlief die Division eine Umgliederung. Zudem wurde im Heer Material zu Gunsten der 10. Panzerdivision umverteilt. Andere Verbände haben aktuell noch das Nachsehen. Das Ergebnis war laut von Butlers Aussagen ein Grad an Einsatzbereitschaft von etwa "85 Prozent".
Größte Lücke: Flugabwehr
Eine der größten und gravierendsten Lücken stellt derzeit allerdings noch immer die Flugabwehr dar. Das Heer hat diese Fähigkeiten vor etwas mehr als zehn Jahren nahezu vollständig aufgegeben. Im Rahmen von mandatierten Einsätzen außerhalb des NATO-Gebiets schien sie verzicht- und damit einsparbar.
Dass sich die Zeiten grundlegend gewandelt haben, machte auch Jörg See im Interview mit dem BR klar. Im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung käme es auf jede Soldatin und auf jeden Soldaten an: "Wir haben kein Kontingentsystem mehr, bei dem man aus einem relativ großen Topf einen relativ kleinen Topf an Frauen und Männern zusammenholen konnte. Landes- und Bündnisverteidigung ist anders. Das sind wir alle." Wenn es erforderlich sei, werde seine Division ausrücken, zur Abschreckung oder gar zur Verteidigung, "und zwar so, wie wir sind".
Blick aufs Baltikum
Im Rahmen der Abschreckungsdoktrin der NATO spielt die 10. Panzerdivision im Hinblick aufs Baltikum eine wichtige Rolle. Dorthin könnte sie bei Bedarf verlegt werden. Im vergangenen Jahr wurde das bereits trainiert. Ein entsprechendes Großmanöver habe dazu beigetragen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken, sagt See: "Wir haben keinen Grund, uns zu verstecken." Nach Lesart der NATO sollen solche Übungen zur Abschreckung beitragen und somit einen Angriff aufs Bündnis verhindern.
Insbesondere die Balten fürchten russische Expansionspläne. Ihr NATO-Beitritt vor rund 20 Jahren ist Wladimir Putin ein Dorn im Auge. Der russische Präsident will alten Einfluss wiederherstellen, wie er wiederholt deutlich machte. Manche Beobachter fürchten, Putin sei gewillt, den Zusammenhalt der Allianz Schritt für Schritt zu testen. Zunächst etwa durch gezielte kleine Angriffe auf NATO-Gebiet und die Annexion einzelner Ortschaften in Grenznähe – etwa solche, in denen russischstämmige Menschen leben. Russische Cyberangriffe sind deutschen Sicherheitsbehörden zufolge indes längst an der Tagesordnung.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, bekräftige im BR-Interview vor wenigen Tagen seine Warnungen vor verstärkten russischen Rüstungsanstrengungen. Aufgrund dessen, so die Prognose Breuers und weiterer Militärs, könne Russland ab 2029 militärisch zu einem größeren Angriff auf die NATO in der Lage sein.
"Volatile Sicherheitslage"
Eine so "volatile Sicherheitslage" wie derzeit habe er in fast vierzig Dienstjahren nicht erlebt, schildert auch Jörg See. Für den Herbst hat Russland Militärmanöver in Belarus angekündigt. Der General beobachtet diese Entwicklungen in der Region genau, denn: "Wir alle wissen, wie es vor drei Jahren vor dem Angriff auf die Ukraine begonnen hat." Der Truppe attestiert er eine größere Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Bedrohung.
Angesichts der derzeitigen Materiallage sage er seinen Soldatinnen und Soldaten aber "die Wahrheit", das werde auch so gewollt, so See: "Das, was wir haben, ist schon gut, und es ist schon viel und es wird mehr werden über die Zeit." Er spielt damit auf den Zulauf weiteren Materials an, das aus dem Sondervermögen Bundeswehr beschafft wird, aber noch nicht bei der Truppe angekommen ist.
Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern?
Indes ist die US-amerikanische Unterstützung mit konventionellen Kräften auch für die 10. Panzerdivision wichtig. Spielt sie doch – nach allem, was darüber bekannt ist – eine Schlüsselrolle in der NATO-Verteidigungsplanung. Jörg See, der mit Divisionsführung gerade erst vom letzten Abschnitt einer US-Übungsserie zurückgekehrt ist, erlebt in der Zusammenarbeit noch keine Unterschiede, seit Trump an der Macht ist. Er weist darauf hin, dass eine strategische Neuausrichtung der USA seit Jahren erwartbar war.
Mehr zur besonderen Rolle der 10. Panzerdivision erfahren Sie in der BR24 Reportage. Die können Sie schon jetzt als Podcast in der ARD Audiothek hören oder im Radioprogramm von BR24 (Sendung vom 30. März, Ausstrahlung um 14:30 Uhr).
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