US-Präsident Trump war fleißig seit Beginn seiner Amtszeit. Er regiert mit sogenannten "executive orders". Und einige davon widersprechen der US-Verfassung.
Zum Beispiel ist dort verbrieft, dass, wer auf US-amerikanischem Boden geboren wird, automatisch die US-Staatsangehörigkeit bekommt. Franz Mayer, Rechtswissenschaftler an der Universität Bielefeld, sieht darin im Gespräch mit BR24 einen Weg in eine autoritäre Herrschaftsform, "in der eben die Freiheit von Wahlen nicht mehr ohne Weiteres gesichert ist, in der Grundrechte und Gleichheit insbesondere nicht mehr gesichert sind." In den USA sorgen sich Minderheiten um ihrer Reche, zuletzt hatte Trump verfügt, dass Trans-Personen das US-Militär verlassen müssen - das wurde richterlich gestoppt.
Im Video: Macht Trump die USA zur Diktatur? Possoch klärt!
"Wir nähern uns einer Verfassungskrise", sagt Russell Miller. Er lebt in den USA und ist Verfassungsrechtler. Er hoffe allerdings, dass die Demokratie noch stark genug ist, eine Verfassungskrise zu vermeiden. Für ihn entscheide sich das auch daran, ob die Exekutive die richterliche Anordnung befolgt: "Und es sieht aus, als ob Präsident Trump das testen wird, auf jeden Fall".
"Checks and Balances" in Gefahr
Die Verfassung von 1787 gründet sich ja auf den Prinzipien von "Checks and Balances" – also Gewaltenteilung und Kontrolle. Das heißt, auf der einen Seite hat ein Präsident dadurch viel Macht. Rechtswissenschaftler Franz Mayer: "Die USA sind ein Präsidialsystem, das 1787 so konzipiert wurde, dass man sich vom britischen Herrschaftssystem abgrenzen wollte. In gewissem Sinne ist es eine Art Monarchie auf Verfassungsgrundlage, bei der der König alle vier Jahre gewählt wird." Das Gegengewicht sind die Richter – in den 50 Bundesstaaten und auf Bundesebene. Und dort werden Trumps Beschlüsse zum Teil behandelt: "Das ist mittlerweile eine dreistellige Anzahl von Gerichtsverfahren, und die müssen jetzt sich ihren Weg durch die Instanzen bahnen", sagt Mayer.
Der Supreme Court wird zeigen, wohin die USA steuern
Zuletzt entscheiden die Richter des Supreme Court: Dann werde sich zeigen, wie es um die Demokratie steht, so Mayer. Und auch, falls sie Trump widersprechen, ob sich der US-Präsident daran gebunden sieht. Besonders brisant: Der Supreme Court ist mehrheitlich konservativ besetzt und hat Trump durch eine Grundsatzentscheidung im Juli 2024 weitreichende Immunitäten zugestanden.
Russell Miller sieht, dass Trump testen wolle, inwieweit er sich an richterliche Anordnung halten muss. Das bestätigt auch Franz Mayer, Professor am Lehrstuhl für Rechtspolitik in Bielefeld: "Wenn man sich nicht an Gerichtsentscheidungen halten will, dann ist das auch für viele Beobachter der entscheidende Schritt, ab dem man dann doch von einer Verfassungskrise sprechen muss, weil das die Gewaltenteilung aushebelt".
Trump, die "Abrissbirne, die durch Washington fliegt"
Der Präsident geht gezielt gegen staatliche Errungenschaften vor. Er kündigte die Auflösung des Bildungsministeriums an und will Forschungsgelder für Wissenschaftler und Universitäten streichen. Oder er entlässt Tausende Bundesbeamte und baut die Bürokratie um, die Beobachter als vorbildhaft bezeichnen. Julian Müller-Kaler, Politikforscher am Stimson Center in Washington, beschreibt Trump als "Abrissbirne, die durch Washington fliegt und das System zum Einsturz bringt". Trump sei aber nun mehrheitlich gewählt worden und seine Anhänger fänden sein Gebaren gut: "Und es gilt: Eine Demokratie kann man nicht gegen die eigene Bevölkerung verteidigen."
System der Einschüchterung
Warum gibt es kaum Gegenwehr? Demokraten scheinen gelähmt, in Schockstarre versuchen sie sich immer noch zu sortieren, so Müller-Kaler. Die Opposition ist schwach organisiert. Große Demonstrationen, beispielsweise gegen die Einsparungen im Bildungssystem, blieben bislang aus. Franz Mayer, der letztes Jahr auch in den USA als Gastprofessor gelehrt hat, analysiert:
"Die Menschen haben Angst, vom herrschenden System auf den Radarschirm genommen zu werden." Franz Mayer, Universität Bielefeld.
Mayer beschreibt ein System der Einschüchterung: "Trump ist es gelungen, ein Klima der Furcht zu erzeugen. Anwälte und Universitäten fragen sich: Lohnt es sich, sich zu exponieren? Will man wirklich die eigenen Lebensumstände aufs Spiel setzen?"
Internationale Parallelen und Zukunftsszenarien
Internationale Beobachter vergleichen Trumps Vorgehen mit autoritären Entwicklungen in Ländern wie Ungarn oder der Türkei. Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege, deutet bereits an, dass Trump auch 2028 noch Präsident werden könnte. Damit würde die Verfassung gänzlich ausgehebelt werden. Politikwissenschaftler Julian Müller-Kaler stellt dennoch klar, dass man mit dem Begriff 'Diktatur' behutsam umgehen müsse: "Wenn wir tatsächlich in diktatorischen Verhältnissen landen, wird die eigentliche Warnung unwirksam."
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