Passanten in der Kaufinger Straße in München, aufgenommen Anfang Dezember 2021 (Symbolbild).
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Passanten in der Kaufinger Straße in München, aufgenommen Anfang Dezember 2021 (Symbolbild).

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Corona-Regeln: "Exit-Strategie" oder Abwarten?

Corona-Regeln: "Exit-Strategie" oder Abwarten?

Noch sind es zwei Wochen bis zum nächsten Bund-Länder-Treffen, aber die Debatte über Öffnungsschritte nimmt weiter Fahrt auf. CSU-Chef Söder will einzelne Lockerungen, FDP-Vize Kubicki geht deutlich weiter. Kanzler Scholz äußert sich zurückhaltend.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

In der Debatte um Sinn und Verhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahmen machen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai Druck. "Wir sollten konsequente Öffnungsschritte jetzt angehen", sagte der CSU-Vorsitzende Söder. Djir-Sarai forderte eine "Exit-Strategie" mit klar definierten Schritten. Diese müsse bereits vorliegen, sollten die Infektionszahlen wie von Experten prognostiziert Ende Februar wieder sinken, sagte Djir-Sarai.

Söder will bundesweit die 2G-Regel im Handel abschaffen, die Testpflicht in Restaurants streichen und die Besucher-Obergrenzen für Stadien erhöhen. In Bayern hat die Staatsregierung die 2G-Regel im Handel ausgesetzt - nachdem der Verwaltungsgerichtshof Mitte Januar die Zugangsbeschränkung vorläufig gekippt hatte. Davor hatten Ministerpräsident Söder und Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) trotz massiver Kritik von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) an der 2G-Regel im Handel festgehalten. Die Testpflicht in der Gastronomie hatte Bayern nie eingeführt, anders als andere Bundesländer.

Lockerungen: Vorbild Dänemark?

Aktuell nimmt die Debatte über Corona-Lockerungen trotz steigender Infektionszahlen an Fahrt auf, weil bisher die Zahl der Covid-Intensivpatienten anders als in vorangegangenen Wellen der Pandemie nicht steigt. Befeuert wird die Diskussion zusätzlich durch weitreichende Öffnungen in Ländern wie Dänemark oder Tschechien.

Für den 16. Februar - etwa zum erwarteten Höhepunkt der Omikron-Welle - sind die nächsten Krisengespräche zwischen den Ministerpräsidenten der Bundesländer und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant. Dort könnten bundesweite Lockerungen vereinbart werden. Bei ihren letzten Beratungen am 24. Januar hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, "Öffnungsperspektiven" zu entwickeln, sobald eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann.

Scholz: "Leider noch nicht angekommen"

Bundeskanzler Scholz äußert sich aktuell zurückhaltend - und will dem Kurs der Regierung in Kopenhagen vorerst nicht folgen. Entscheidungen über Lockerungsschritte könne es nach dem Höhepunkt der Infektionen geben. "Aber da sind wir leider noch nicht angekommen", sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend im ZDF-"heute-journal".

Auf die Frage, ob die Regierung in Dänemark mit dem jüngsten Verzicht auf praktisch alle Einschränkungen mehr Mut habe, sagte Scholz: "Ich glaube, wir machen das, was für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande richtig ist: nämlich dafür zu sorgen, dass wir möglichst viele Leben und möglichst viel Gesundheit schützen durch diese Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben." Die Maßnahmen sind laut Scholz einvernehmlich mit den Ländern beschlossen worden - "mit Beschlüssen im Deutschen Bundestag als Grundlage dafür und auch von einem sehr großen Konsens in Deutschland getragen".

Buschmann: "Raus aus dem Modus des Improvisierens"

Derweil sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in den ARD-"Tagesthemen", die Politik müsse "raus aus dem Modus des Improvisierens" und "der spontanen Mitternachtsentscheidungen". Ob man allerdings Mitte Februar schon so weit sei, wenn sich Deutschland vermutlich auf dem Höhepunkt der Welle befinden werde, sei fraglich. "Trotzdem müssen wir jetzt mit den Vorarbeiten beginnen", sagte Buschmann. Auch FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte, man solle sich jetzt "konkret auf Öffnungsschritte vorbereiten, zum Beispiel was Messen und größere Veranstaltungen betrifft".

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen riet am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger" dagegen zu Vorsicht. "Das Motto der nächsten Wochen muss doch heißen: vorausschauende Planbarkeit, aber nicht vorschnelles Lockern." Handlungsmaxime sei eine "realistische Planung mit einem Stufenschema, angepasst an eine Datengrundlage, die das hergibt und nicht an Daten gekoppelt, die vorschnelle Versprechen sind, die man nicht einhalten kann, weil sich die Situation möglicherweise doch noch weiter verschlimmert".

Kubicki: "Näher an diesem Punkt als viele meinen"

In der Ampel-Koalition in Berlin gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki drängte darauf, die Corona-Maßnahmen zeitnah zu lockern. "Wenn es keinen sachlichen Grund gibt, müssen die Maßnahmen enden, und zwar nicht zu einem bestimmten Datum, sondern sofort", sagte Kubicki dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wir sind wohl näher an diesem Punkt als viele meinen."

Ärztekammer: Einschränkungen noch nötig

Die Bundesärztekammer fordert ebenfalls einen Stufenplan für Öffnungsschritte. Bund und Länder sollten auf sinkende Fallzahlen von Ende Februar an vorbereitet sein und "möglichst schon jetzt Stufenpläne für Öffnungen vorbereiten", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Zugleich betonte Reinhardt, dass im Moment noch Einschränkungen nötig seien: "Die Situation hierzulande ist einfach eine andere als in England oder Dänemark. Deutschland hat die zweitälteste Bevölkerung in Europa und eine im Vergleich zu Dänemark und England niedrige Impfquote unter Älteren."

Der Vorstandvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sprach sich für den jetzigen Zeitpunkt gegen Lockerungen aus. "Die Krankenhäuser verzeichnen stark steigende Fallzahlen auf den Normalstationen und selbst auf den Intensivstationen werden wieder mehr Covid-Patienten eingeliefert", sagte Gaß dem RND. "Aber natürlich benötigen wir für die nahe Zukunft, wenn wir die Omikron-Welle hinter uns gebracht haben, klare Perspektiven für Öffnungen."

Söder: Bei FFP2-Pflicht Kontaktbeschränkungen "runterfahren"

Unterdessen regte Söder auch an, die derzeit geltenden Kontaktbeschränkungen grundsätzlich zu überprüfen. "Wo FFP2-Masken getragen werden, kann man Kontaktbeschränkungen runterfahren. Dafür muss der Bundesgesundheitsminister einen Stufenplan erstellen", sagte er der "Bild". Reformbedarf sieht der CSU-Chef zudem bei den Reiseregelungen. "Die Inzidenz hat bei Omikron als Maßstab ausgedient. Bei so hohen Werten, wie wir sie derzeit haben, machen zum Beispiel auch Reiseregelungen mit Verweis auf Risiko-Gebiete wenig Sinn." Sinnvoll seien dagegen Tests nach der Rückkehr. "Das muss angepasst werden", forderte Söder.

Kritik an Söder kommt von der SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens. "Das Verrückte ist doch, dass Markus Söder und Michael Kretschmer, die noch vor wenigen Monaten einheitliche, scharfe Maßnahmen gefordert haben, jetzt das Gegenteil machen", sagte die SPD-Politikerin dem RND mit Blick auf die Ministerpräsidenten aus Bayern und Sachsen. Die unterschiedlichen Botschaften seien "ein Teil unseres Problems". Baehrens selbst plädierte dafür, sich bei möglichen Lockerungen und Öffnungsplänen Zeit zu lassen - "weil wir sonst Erwartungen wecken, die wir nicht halten können".

Bayern zwischen Abwarten und Aiwanger-Forderungen

In Bayern, wo Söder als Ministerpräsident diverse Lockerungen selbst in die Wege leiten könnte, traf das Kabinett am Dienstag keine entsprechenden Entscheidungen. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU), der Söder auf den vergangenen Kabinetts-Pressekonferenzen vertrat, betonte zuletzt mehrmals, dass man die Lage zunächst weiter beobachten wolle. Allerdings gehen Söders aktuelle Forderungen auch nicht über das hinaus, was in Bayern bereits gilt.

Derweil spricht sich Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger für baldige Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Freistaat aus. "Wir müssen die Rückkehr zur Normalität vollziehen, sobald es die Krankenhauslage irgendwie zulässt", sagte Aiwanger der "Augsburger Allgemeinen". Aktuell werde sehr stark gefordert, die Sperrstunde zu lockern oder gleich ganz aufzuheben. Auch die derzeit strengen Kontaktbeschränkungen für Geimpfte wie für Ungeimpfte und das Verbot von körpernahen Dienstleistungen wie den Friseurbesuch für Ungeimpfte könne man nicht monatelang aufrechterhalten, wenn die Intensivbelegung weiter deutlich sinke.

(mit Informationen von dpa und AFP)

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