Archiv: Algerischer Flüchtling in einer Schmiedewerkstatt (Aufnahme von 2017).
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Algerischer Flüchtling in einer Schmiedewerkstatt.

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Das bayerische Handwerk setzt auf Flüchtlinge in Ausbildung

Das bayerische Handwerk setzt auf Flüchtlinge in Ausbildung

Sollen Flüchtlinge verpflichtet werden, gemeinnützige Arbeiten zu leisten? Vor Kurzem wurde die Abschiebung eines Pflege-Azubis in letzter Minute gestoppt. Der Bayerische Handwerkstag hat sich jetzt klar positioniert: für Flüchtlinge als Azubis.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Dieter Vierlbeck, der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Handwerkstags, fordert von der Politik, dass niemand abgeschoben werden soll, wenn er sich in einer Ausbildung befindet. Außerdem mahnte er im BR-Interview, dass alle Register der Ausbildung zu ziehen seien. Und dass bei Flüchtlingen sofort Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen beginnen müssten. Denn das sei wichtiger als eine schnelle Arbeitsaufnahme.

Gute Erfahrungen mit Flüchtlingen

Das bayerische Handwerk brauche Geflüchtete und habe bisher gute Erfahrungen gemacht, so Vierlbeck. Anlass für das Interview ist der Fall des 26-jährigen Pflegeazubis aus dem Kongo, dessen Abschiebung am Montag erst auf Intervention des Bayerischen Innenministeriums abgesagt worden war. Das sei sehr erfreulich für den jungen Mann, und es wäre sein Appell an die Politik, dass eine begonnene Ausbildung fortgesetzt werden könne, so der der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Handwerkstags. Der Fachkräftemangel sei im bayerischen Handwerk offensichtlich.

"Wir haben quer über alle Regionen in Bayern, quer über alle Gewerke, die das Handwerk vertritt, einen Fachkräftemangel. Deswegen brauchen wir dringend mehr Menschen, die bereit sind, für unsere Betriebe tätig zu werden. Und vor diesem Hintergrund stehen wir natürlich auch ganz massiv für das Thema Zuwanderung." Dieter Vierlbeck, der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Handwerkstags

Die geflüchteten Menschen, die nach Bayern kommen, seien eine ganz wichtige Zielgruppe, "für die wir Ausbildungsplätze bereitstellen. Wir müssen die Hürden beseitigen, die da noch im Wege stehen, dass wir mehr Beschäftigte in das Handwerk auch reinbringen", so Vierlbeck wörtlich.

Geflüchtete interessieren sich für Mangelberufe

Die Erfahrung aus den Jahren 2015 und 2016 war, dass "zunächst nicht die Engpass-Gewerke" für die jungen Menschen, die aus Syrien und den anderen Ländern zu uns gekommen sind, infrage kamen, sondern auch sehr häufig technische Gewerke: Heizung- Sanitär, Elektro und KFZ, so Dieter Vierlbeck. "Wir haben ganz tolle Erfolge in die Integration in der Ausbildung, aber auch am Arbeitsmarkt ziehen können." Jetzt habe sich die Basis verbreitert und es sei auch Interesse da für Berufe im Lebensmittelhandwerk, die Engpässe darstellen. Das sind etwa Bäcker oder Metzger. Für alle Geflüchteten habe das Handwerk Beschäftigungsmöglichkeiten, betont der Geschäftsführer des Bayerischen Handwerkstags.

Sprachkompetenz auch im Handwerk wichtig

Wenn es in Richtung 'Job-Turbo' gehe, sei als allererstes die Frage der Sprachkompetenz wichtig. "Wir sind im Handwerk ganz häufig so ausgerichtet, dass die deutsche Sprache in Grundzügen beherrscht werden muss, um Arbeitsaufträge zu verstehen, um im Bereich Arbeitssicherheit auch auf einem guten Weg zu sein." Weil Sprachkompetenz aber dauere, müsse die Dauer des Verfahrens genutzt werden, um diese Kompetenzen zu vermitteln. Auch bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen muss es laut Vierlbeck schneller gehen.

Qualifizierung für Handwerk wichtiger als sofortige Arbeitsaufnahme

Sprachunterricht und Anerkennung von mitgebrachten Qualifikationen brauche Zeit. Ebenso brauche es Zeit, die fachlichen Qualifikationen zu vermitteln, so Vierlbeck. "Insofern würde ich weniger das Augenmerk auf die sofortige Arbeitsaufnahme richten". Vielmehr komme es auf den "sofortigen Einstieg in die Qualifizierungsmaßnahme" an. Priorität sei, darüber nachzudenken, wie wir mit Menschen umgehen, die aus einer Fluchtsituation zu uns kommen.

Das Nächste sei die Bleibeperspektive: "Diejenigen, die mit einer guten Bleibeperspektive zu uns kommen, sollten bestmöglich integriert werden. Und da steht meines Erachtens die Qualifizierung, das Hinführen zu dem Arbeitsmarkt im Vordergrund und nicht die ganz schnelle Aufnahme einer Beschäftigung. Insofern würde ich eher dazu tendieren, bei den Strukturen zu bleiben: Erst die Qualifikation und dann die Arbeitsaufnahme."

Appell zum Bürokratie-Abbau und der Förderung von Wohnungen

Neben der allgemeinen Forderung der Wirtschaft an die Politik, Bürokratie abzubauen, wird laut dem Geschäftsführer des Bayerischen Handwerkstags die Wohnungsfrage wichtig: "Wenn wir dann konkreter werden, ist gerade in Ballungsräumen das Wohnen wichtig." Denn es gebe zwar in allen Regionen Bayerns gute Beschäftigungsmöglichkeiten, aber es fehle an Wohnmöglichkeiten für die Auszubildenden, so Vierlbeck. "Wir brauchen günstige Wohnungen, wir brauchen passende Wohnungen, die dann arbeitsplatznah sind. Insofern würde ich eben als größten Appell an die Politik wenden, die Wohnmöglichkeiten zu schaffen neben der Bürokratieentlastung, die natürlich über all den Dingen auch steht." Denn eines sei klar: "Wir brauchen die Geflüchteten. Das ist eine Win-Win-Situation."

Vierlbeck will "gute Integrationsmaßnahmen"

Die Menschen kämen ja nicht in erster Linie, um Arbeit oder Ausbildung bei uns aufzunehmen, sondern aus einer Fluchtsituation, aber "wenn sie eine gute Bleibeperspektive haben, dann brauchen wir diese Menschen". Vierlbeck verweist auf Erfolge: "Wir hatten in den Jahren 2019 beinahe zehn Prozent unserer Ausbildungsplätze mit Menschen aus den Hauptflüchtlingsländern besetzen können." Das sei ein Gewinn für das Handwerk und für die Menschen.

Auch der Blick auf die Flüchtlinge aus der Ukraine biete da Lehren. So müsse die Gesellschaft weiter daran arbeiten, "dass wir eine gute Integration hinbekommen, dass wir die Sprachkompetenzen vermitteln, da brauchen wir noch mehr Angebote, und dass wir die Anerkennungsverfahren auch beschleunigen können und dann sehe ich auch einen guten Weg für gute Integrationsmaßnahmen."

Klare Absage an AfD-Forderungen

Im Umkehrschluss gefragt nach Forderungen beispielsweise der AfD, aus der Europäischen Union auszutreten oder die Zuwanderung maximal beschränken zu wollen, war Dieter Vierlbeck klar und deutlich: Für die Unternehmen im Handwerk in Bayern seien seit vielen Jahrzehnten Menschen aus anderen Ländern die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg. "Wir brauchen Zuwanderung, wir brauchen Arbeitskräfte, wir brauchen Fachkräfte aus anderen Ländern, wir können all die Bedarfe längst nicht mehr erfüllen aus den Schulabgängern, die wir in Deutschland haben." Insofern sei die aufgezeigte Forderung nach strikter Zuwanderungsbegrenzung ein vollkommen falscher Weg, so Dieter Vierlbeck.

"Wir würden die Wirtschaft gegen die Wand fahren"

"Wir würden der Wirtschaft, wir würden dem Handwerk die Arbeitskräfte entziehen, die wir dringend brauchen. Wir würden die Wirtschaft gegen die Wand fahren", so Vierlbeck. Man müsse sich klar sein: "Unsere Wirtschaft ist offen für alle Menschen, egal aus welcher Nation sie kommen. Wir freuen uns über alle, die zu uns kommen und eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz aufnehmen wollen."

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