Anno '24! Für BR24 sicher ein gutes Jahr - zahlenmystisch betrachtet. Göttliche Harmonie: dafür stand die 24 schon bei den Griechen mit ihren 24 Buchstaben. 24 Karat Gold. 24 Rippen, 24 Nasenlöcher der Apostel. 24 Mannschaften bei der Sommermärchen-Gedächtnis-EM. Frohes Neues!
Andererseits ... schaumermal.
Schon der Januar wird heiß
Zwei sehr unterschiedliche Arten von Protest ziehen im Winter 2024 durch die frostharte Polit-Landschaft. Als Erste sind die Bauern auf den Beinen. Respektive auf dem Bulldog.
Sie kommen vom Acker über die Autobahn in die Innenstädte, ihre raumgreifenden Landmaschinen erinnern staunende "Stoderer" an Transformers. Wutauslöser sind Einsparmanöver der Bundesregierung, denen (unter anderem) auch die Agrardieselsubventionen zum Opfer fallen. In Bayern finden 208 solcher "Traktorversammlungen" statt, in der Oberpfalz an einem Vormittag 34.
- Blick hinter die Kulissen: Landwirt für einen Tag
- Kritik an Bürokratie: "Landwirte sind keine Schreibwirte"
Bauernwut gegen die "Experten aus dem 8. Stock"
Die Stimmung ist aufgeheizt, auch im BR24-Forum. "Notwehr", sagen die einen, "Nötigung" die anderen. "Ist den Landwirten eigentlich bewusst, wie gut es ihnen geht: haben alle eine gute Erbschaft mit ins Berufsleben bekommen, müssen sich nicht um Mieterhöhungen oder Wohnungsnot kümmern", postet Colombia222. Forist Ludwig-Thoma hält dagegen: "Da plärren wieder viele aus dem 8. Stock der urbanen Welt." Hamletmaschinist spottet: "Blockade mit Vollkomfort. Ohne tonnenschwere Trecker zu demonstrieren, dazu fehlt der Mumm".
Es hat sich was angestaut; was genau, geht im Getöse oft unter. In Dillingen marschieren Rechtsradikale mit, in München verschwinden Traktoren hinter Reichskriegsflaggen. In Ingolstadt lädt der Bauernverband Vertreter der Ampelparteien von seinem Ball aus und tanzt (trotz deren Nein zur Agrardieselsubvention) lieber mit AfD-Politikern - die ihrerseits beim Faschingsball der CSU unerwünscht sind. Das aber hat nichts mit Feldarbeit zu tun.
Unwort des Jahres: "Remigration"
Ein "Correctiv"-Bericht über ein Geheimtreffen von "Identitären" und AfD-Leuten bei Potsdam erschüttert viele. In der Villa eines Zahnarztes, nicht weit vom Schauplatz der "Wannseekonferenz" entfernt, schwadronieren Rechtsradikale über "Remigration": Massenabschiebung von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund. Anderswo - etwa in Ingolstadt und Dasing - wird von ähnlichen Treffen berichtet.
- Remigration: Ein Begriff und was dahintersteckt
- Potsdamer Geheimtreffen: Querverbindungen nach Bayern?
Doch genau das, was Ideologen wie Martin Sellner sich erhoffen - das allmähliche Einsickern rechtsextremer Vokabeln und Ideen ins Denken der Mehrheit - stößt 2024 auf ein Stoppsignal der Zivilgesellschaft: Nie wieder ist jetzt.
Auf kalten Füßen für die Demokratie
Millionen Menschen in Deutschland gehen auf die Straße - in Großstädten, Kleinstädten, auf dem Land. In München muss die Großdemo "Gemeinsam gegen rechts" am 21. Januar abgebrochen werden, weil viel mehr Teilnehmer kommen als erwartet - Schätzungen reichen von 100.000 bis 250.000. Auch andernorts sind es die größten Demos seit langem: Passau, Burghausen, Landsberg, Cham, Gunzenhausen, Hilpoltstein, Karlstadt ...
Die schweigende Mehrheit müsse sich endlich zeigen, sagt ein Demonstrant in Eckental. Nicht immer ist sich diese Mehrheit einig, wofür und wogegen genau es geht. Aber es bleibt friedlich - und deutlich. Vielerorts gilt: Wenn demonstriert wird, ist im kalten Februar 2024 fast ein Zehntel der Einwohner auf den Beinen. Dinkelsbühl: 1.000 Demonstrierende. Traunstein: 2.500. Coburg: 4.000. Landshut: 7.000.
Auf nassen Füßen durch den Mai
Was eine schöne Überleitung zum weltoffenen Gastgeber der Fußball-EM 2024 wäre. Doch erstmal ist Bayern vor allem das, was Engländer verstehen, wenn sie das Wort "Wetter" hören: "nasser". Schuld ist eine "Vb-Wetterlage". Unaufhörlich steigen die Flußpegel, Dämme brechen, Landschaften werden Seenplatten, Straßen und Orte sind überschwemmt.
Es kommt zu dramatischen Szenen. Im Silberwald bei Neu-Ulm sitzt eine vom Wasser überraschte Spaziergängerin zwei Tage in einer Baumkrone, ehe ein Rettungshubschrauber sie aus ihrer Lage befreit. In Deggendorf fischen Einsatzkräfte eine Schwimmerin im Badeanzug aus einer vollgelaufenen Unterführung, die sie als Pop-Up-Pool nutzen wollte. Im hochwassererfahrenen Passau bleibt eine Frau gelassen, als sie im Keller eine Entenfamilie findet; die ziehen schon wieder aus.
Der Schlamm leider nicht. Ihn loszuwerden, ist eine Herkulesarbeit. Die Feuchtigkeit bleibt und schleppt ihren Bruder, den Schimmel, mit ein; nicht zu reden von lecken Öltanks und Toiletten im Rückwärtsgang.
Galerie: Die Flut und die Folgen
- Ab morgen in Teil 2 unseres Jahresrückblicks: Ein Sommer der Superlative, gesprengte Kühltürme, alte Knochen und was sonst noch los war in Bayern.
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