Die Wortmeldungen der aufgebrachten Landräte sind teilweise so laut, dass sie durch die geschlossene Türe des Veranstaltungsraums im Münchner Hofbräukeller zu hören sind. 33 der 71 bayerischen Landräte sind zum Krisengespräch in die Landeshauptstadt gekommen, um 58 Abgeordneten der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern ihre Nöte zu schildern. Denn: An allen Ecken und Enden fehlt das Geld.
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Große Sorgen: Emotionales Treffen
"Die Lage ist sehr ernst, und das hat man natürlich auch am Verlauf der Diskussion gemerkt", schildert der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin (CSU), nach dem gut zweistündigen Treffen. Es gehe ans Eingemachte. "Da ist es natürlich auch emotional geworden".
Denn die Kommunen stünden vor "dramatisch erhöhten Kosten", während die Finanzmittel annähernd gleichgeblieben seien. Nach Berechnungen der Kommunen ist das Defizit der Bezirke, Landkreise, Städte und Gemeinden auf 5,1 Milliarden Euro geklettert.
Soziale Standards auf dem Prüfstand
Freiwillige Leistungen hätten sich die Landkreise "schon lange abgeschminkt", sagt Karmasin. Mittlerweile müsse der Rotstift auch bei Pflichtausgaben angesetzt werden, beispielsweise bei der Feuerwehr. Hoch seien vor allem die Ausgaben für Soziales. Er stellt klar: "Natürlich werden einige soziale Standards abgesenkt werden müssen."
Noch deutlicher wird der Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen, Josef Niedermaier (Freie Wähler). Die Politik müsse den Bürgern erklären, "dass wir weit über unsere Verhältnisse leben", betont er. "Das wird weh tun. Aber wir müssen es tun. Das hat man die letzten Jahre vermieden."
Die Sozialkosten hätten sich aus zwei Gründen "extrem entwickelt", erklärt Niedermaier: Zum einen sei die Zahl der Fälle gestiegen, zum anderen seien die Standards erhöht worden. Natürlich werde es einen Aufschrei geben, wenn über einen Abbau von Sozialstandards gesprochen werde. "Aber nichts zu tun, ist noch viel schlimmer." Die Strukturprobleme müssten "bei der Wurzel" gepackt werden. "Es wird Einschränkungen geben, da wird es auch Menschen betreffen."
Beispiele: Jugendhilfe und Pflege
Als Beispiel für stark gestiegene Kosten nennt Landkreispräsident Karmasin die Jugendhilfe - konkret Schulbegleiter für Kinder mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen. Es gebe Klassen, "in denen fünf, sechs erwachsene Schulbegleiter stehen", schildert er. "Eine vielleicht erfreuliche Sache, aber nicht mehr zu finanzieren in dem Ausmaß."
Zweites Beispiel: die Kosten für Pflege. Früher seien die Bezirke bei einem Drittel der Pflegebedürftigen für Kosten aufgekommen. "Heute sind es zwei Drittel der Menschen, die das wegen der hohen Kosten in Anspruch nehmen müssen. Auch das ist nicht mehr zu finanzieren."
Holetschek: Wo sind die Prioritäten?
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek versichert, die Regierungskoalition stehe an der Seite der Kommunen. Aber auch beim Staat seien die Mittel nicht mehr so üppig. Deswegen müsse man auch diskutieren: "Was muss der Staat noch leisten? Wo sind die Prioritäten?" Soziale Kälte komme für ihn nicht in Frage. Aber es brauche "neue, kreative Ansätze, wie wir die Menschen unterstützen".
Im Video: Den Kommunen fehlt Geld - Beispiel Regen
Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl betont, die Suche nach Lösungen werde "ein längerer Prozess werden". Bis jetzt habe der Staat immer neue Aufgaben an die Landkreise delegiert, ohne dass es mehr Geld gegeben hätte. Jetzt müsse man schauen, welche Aufgaben wirklich notwendig seien, "sich aufs Wesentliche" besinnen. Was aber ist das Wesentliche? Worauf müssen Bürger künftig verzichten? Auf Nachfragen dazu antworten die Politiker eher ausweichend.
Im Video: Interview mit Finanzminister Füracker
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