"Jeden Morgen kämpfe ich mit dem Scheißdeckel", klagte CSU-Chef Markus Söder bereits vor Monaten. Am Wochenende hat sich auch der CSU-Parteitag des Themas angenommen, genauer: der EU-Richtlinie 2019/904. Sie regelt, dass viele Getränkeverpackungen inzwischen einen befestigten Deckel haben müssen. Den Christsozialen missfällt das – sehr.
CSU: Deckel-Vorgabe "umständlich und störend"
Den entsprechenden Antrag der Jungen Union hat der Parteitag mit großer Zustimmung angenommen. Darin heißt es: "Die EU-Pflicht für befestigte Deckel an Flaschen nervt. Sie stellt eine unnötige Belastung für Verbraucher dar, die als umständlich und störend empfunden wird." Mehr noch: Es handle sich um ein Beispiel für Überregulierung, das die "Zustimmung für unser Herzensprojekt eines geeinten Europas" reduzieren könne.
Die CSU hat auch inhaltliche Bedenken. Der Mehrwert sei gering, "insbesondere in Ländern wie Deutschland, wo gut funktionierende Pfandsysteme bereits die Rückgabe von Flaschen und Deckeln gewährleisten". Kurzum: Die CSU-Europagruppe in Brüssel soll sich dafür einsetzen, dass die Pflicht für dauerhaft befestigte Deckel an Getränkeverpackungen gestrichen wird.
Grüne wünschen sich anderswo auch "so viel Leidenschaft"
Die Grünen haben kein Verständnis. "Flaschendeckel, Verbrenner und Atomkraftwerke, da schlagen die Herzen schneller in der CSU", sagt Bayerns Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze auf BR24-Anfrage. "So viel Leidenschaft wünschen wir uns auch beim Kita-Ausbau, bezahlbarem Wohnen und dem Schutz unserer Umwelt. Den Themen, die die Menschen in Bayern wirklich bewegen."
Freie Wähler: "Verlogene Scheindebatte"
Auch die Freien Wähler (FW), in Bayern Koalitionspartner der CSU, sind skeptisch. Allerdings aus anderen Gründen. FW-Generalsekretär Hans Martin Grötsch teilt auf BR24-Anfrage zwar mit, man habe die Einführung der verpflichtend befestigten Flaschendeckel stets kritisch gesehen. Der zusätzliche ökologische Mehrwert sei gering, Deutschland habe bereits "eines der effizientesten Pfand- und Recyclingsysteme weltweit".
Die EU-Vorgabe vollständig rückgängig zu machen, hält Grötsch aber für "unrealistisch und wirtschaftlich kontraproduktiv". Die Getränkeindustrie habe in den vergangenen Jahren erheblich in neue Produktionsanlagen und Logistikprozesse investiert. Sinnvoll seien deshalb Pragmatismus und Freiwilligkeit: Jedes Unternehmen solle selbst entscheiden können. Der FW-Generalsekretär spart nicht mit Kritik an der CSU: Es handle sich um eine "verlogene Scheindebatte über bereits umgesetzte und finanzierte Projekte". Eine Rückabwicklung würde neue Kosten auslösen.
Bund Naturschutz: "Sinnvolle Maßnahme für weniger Plastikmüll"
Vom Bund Naturschutz in Bayern heißt es auf BR24-Anfrage: "Die CSU macht Stimmung gegen eine sinnvolle Maßnahme für weniger Plastikmüll." Befestigte Flaschendeckel seien kein bürokratischer Selbstzweck, sondern ein einfacher, wirksamer Beitrag gegen Plastik in der Umwelt. Zudem sei die Regelung von der Industrie längst umgesetzt und tue niemandem weh. "Der aufgebauschte Kampf gegen Flaschendeckel ist eher Symbolpolitik für den Stammtisch."
Flaschendeckel: EU-Richtlinie greift seit 2014
Seit Juli 2024 müssen Einweg-Getränkeverpackungen bis drei Liter, in erster Linie Plastikflaschen, EU-weit einen befestigten Deckel haben. Grundlage dafür ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 (externer Link). Darin steht: "Aus Kunststoff bestehende Verschlüsse und Deckel, die für Getränkebehälter benutzt werden, zählen zu den Einwegkunststoffartikeln, die an den Stränden der Union am häufigsten als Abfall vorgefunden werden."
Die fest mit der Getränkeverpackung verbundenen Deckel sollen genau das verhindern: jede Menge kleinteiliger Plastikmüll in der Natur. Stattdessen sollen Flasche und Deckel gemeinsam recycelt werden. Unumstritten ist die Maßnahme aber nicht, auch in anderen Ländern gibt es immer wieder Kritik daran. Bei der Sitzung im Bundestag 2023, bei der die EU-Vorgabe in nationales Recht umgesetzt wurde, stimmte nur die damalige Ampel-Mehrheit dafür – die CSU war dagegen.
Und im EU-Parlament, wo die Richtlinie bereits vor Jahren auf der Tagesordnung stand? Dort gab es keine namentliche Abstimmung über die finale Version der Richtlinie. Im Jahr 2018 stimmten aber vier von fünf CSU-Abgeordneten im Plenum für einen Textentwurf der Richtlinie, der die Pflicht für befestigte Deckel schon beinhaltete.
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