Zofia Oglaza neben ihrem alten Koffer im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg
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Zofia Oglaza neben ihrem alten Koffer im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg

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Ein Koffer der Erinnerung: Polnische Zeitzeugin besucht Museum

Ein Koffer der Erinnerung: Polnische Zeitzeugin besucht Museum

Im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg steht ein alter Koffer für die Geschichte der ehemaligen KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter in Bayern. Es ist der Koffer von Zofia Oglaza. Jetzt hat die 86-jährige das erste Mal das Museum besucht.

Nachdenklich steht Zofia Oglaza, geborene Karpuk, im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg vor der Vitrine, in der ihr Koffer ausgestellt wird. "Zofia Karpuk, Pinsk" steht gut lesbar in großer schwarzer Schrift auf dem dunkelbraunen Koffer. Die Familie Karpuk stammte aus Pinsk, das früher in Polen lag und heute zu Belarus gehört. Mit diesem Koffer kam die Familie 1944 nach Deutschland und mit diesem Koffer kehrte Zofia nach Polen wieder zurück. Zofia Oglaza war gespannt, wie ihr Koffer hier präsentiert wird und zeigte sich sehr zufrieden.

Koffer steht für Geschichte der "Displaced Persons"

Der Koffer steht im Museum für das Kriegsende in Bayern, für die Geschichte der "Displaced Persons", ehemaliger KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, die aus ihren Ländern verschleppt worden waren. Der Koffer wird präsentiert neben einem amerikanischen Jeep, der für die Niederlage von Nazi-Deutschland steht und dem ehemaligen Gestühl des Bayerischen Landtags, das den demokratischen Neubeginn symbolisiert.

Verschleppt zur Zwangsarbeit nach Niederbayern

Der Koffer und sein Inhalt waren alles, was Zofia Karpuk geblieben war. Mit dem Koffer und seinem Inhalt erzählt das Museum die Geschichte der Familie Karpuk, eine traurige Geschichte. Marc Spohr vom Museum der Bayerischen Geschichte weist auf Fotos der Familie hin und den letzten erhaltenen Brief des Vaters, die in der Vitrine zu sehen sind. Der Vater war im polnischen Widerstand aktiv und war bereits verschollen, als die Mutter mit ihren beiden Kindern auf einen Bauernhof nach Niederbayern kam.

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Die Familie Karpuk noch vereint (Foto im Museum der Bayerischen Geschichte)

Der Vater verschollen, die Mutter starb im Krankenhaus

1944 kam Zofia mit ihrem Bruder Janusz und ihrer Mutter Janina auf einen Bauernhof bei Malching im Landkreis Landshut, berichtet die Historikerin Anna Andlauer, die den Kontakt zu Zofia Oglaza hergestellt hat. Auf dem Bauernhof wurden sie "normal" behandelt, berichtet Zofia Oglaza. Die Mutter musste arbeiten, auch die beiden Kinder halfen auf dem Hof mit. Dann ein weiterer Schicksalsschlag. Die Mutter der beiden Kinder starb im Krankenhaus in Rotthalmünster, berichtet Anna Andlauer. Eine junge Polin, die auf demselben Hof arbeitete, nahm sich der Kinder an. Das hat ihnen in dieser schwierigen Zeit sehr geholfen, sagt Zofia Oglaza.

Nach dem Krieg als Waisen ins Kloster

Nach der Befreiung kamen die beiden Kinder in das Kloster Indersdorf bei Dachau. Dort versorgte die internationale Hilfsorganisation UNRA Waisenkinder. Zofia Karpuk kann sich gut an Indersdorf erinnern; dort hatten sie es gut, sagt sie. Mehrere Fotos zeigen die Geschwister in Indersdorf, berichtet Anna Andlauer, die seit vielen Jahren die Geschichte der Waisenkinder von Indersdorf erforscht und weltweit Kontakte zu Überlebenden aufgebaut hat. Auf den Fotos sieht man, wie Zofia und Janusz gewogen werden, neue Kleidung bekommen oder von ihren Erlebnissen berichten. Die UNRA suchte auch nach Angehörigen ihrer Schützlinge.

Suche mit Fotos nach Angehörigen

Berührende Aufnahmen zeigen die Waisenkinder mit einer Schiefertafel in der Hand, auf der mit Kreide ihr Namen geschrieben war. Auch von Zofia und Janusz Karpuk gibt es diese Fotos. Es fanden sich in ihrem Fall aber keine Angehörigen, so wuchsen die Geschwister in einem Waisenhaus in Kattowitz auf. Erst 1955 fand sie eine Tante wieder, aber da war sie schon erwachsen, berichtet Zofia Oglaza, die heute in Lodz lebt. Zuerst zog sie wegen der Arbeit nach Lodz, dann kam die Liebe dazu, deshalb ist sie in Lodz geblieben, sagt die frühere Chemikerin.

Erinnerungsreise nach Bayern, mit dem Erlebten abgeschlossen

Die Rückkehr nach Bayern fällt ihr nicht schwer Es sind so viele Jahre vergangen und sie hat damit abgeschlossen, erklärt die 86-jährige. Auf ihrer Erinnerungsreise wurde sie von ihrer Familie begleitet. Die erste Station war Indersdorf bei Dachau. Dort fand die Geschichte der Familie Karpuk auch Eingang in einen "Weg des Erinnerns". Zofia Oglaza war aber auch in Rotthalmünster. Das Grab, in dem ihre Mutter beerdigt worden war, ist inzwischen aufgelassen, aber auf dem Friedhof wurde jetzt ein Kreuz aufgestellt, in Erinnerung an Janina Karpuk - für sie war das ein sehr wichtiger und bewegender Moment, sagt Zofia Oglaza.

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Zofia Oglaza auf ihrer Erinnerungsreise nach Bayern vor dem Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg

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