In dieser Woche beginnen in Bayern die Abschlussprüfungen für etwa 32.000 Auszubildende, darunter über 23.000 im kaufmännischen Bereich. Eine von ihnen ist Eva Hildebrandt, 20 Jahre alt, die ihre Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel in München ablegt. Trotz einer bereits erhaltenen Jobzusage hängt ihre berufliche Zukunft vom Bestehen dieser Prüfung ab. "Wenn ich bestehe, bleibe ich und bekomme eine Führungsposition. Dann werde ich darauf vorbereitet, in zwei bis drei Jahren", sagt sie. Aber: Laut Industrie- und Handelskammer (IHK) schaffen bundesweit rund ein Viertel der Azubis im kaufmännischen Bereich die Abschlussprüfung nicht.
Gründe für die hohe Durchfallquote
Wolfgang Frietsch, Schulleiter der Berufsschule für den Einzelhandel Nord in München, nennt mehrere Gründe für die hohe Durchfallquote. Laut Frietsch wächst der Anteil junger Menschen ohne Berufsabschluss. Oft fehle es an Ausbildungs- oder Lernbereitschaft, was eine Herausforderung für die Ausbildung darstelle. Zudem benötigen zunehmend mehr Auszubildende mit nicht-deutscher Muttersprache zusätzliche Unterstützung im Unterricht. Auch die Aufmerksamkeitsspanne der Lernenden leidet, unter anderem durch die Nutzung von Smartphones.
Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt der Beruf im Einzelhandel für viele attraktiv. "Man kann wertvolle erste Berufserfahrungen sammeln, um in ein Unternehmen reinzukommen und zu verstehen, wie eine Organisation funktioniert", so Frietsch weiter. Die Ausbildung bietet eine solide kaufmännische Basis für den Berufsstart. Sowohl Verkäufer als auch Kaufleute im Einzelhandel werden immer gesucht:
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Ausbildungsberufen liegt in der Ausbildung und den Aufgabenbereichen. Verkäufer absolvieren in der Regel eine zweijährige duale Ausbildung, die sich auf den direkten Verkauf, die Kundenberatung und die Warenpräsentation konzentriert. Im Gegensatz dazu durchlaufen Einzelkaufleute eine dreijährige Ausbildung, die umfassendere betriebswirtschaftliche Inhalte umfasst. Neben dem Verkauf sind sie auch für die Organisation des Verkaufsprozesses, die Warenwirtschaft und das Rechnungswesen zuständig. Dadurch eröffnen sich für Einzelkaufleute häufig bessere Aufstiegsmöglichkeiten im Einzelhandel.
Anstieg der Ausbildungsvergütungen
Laut einer aktuellen Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sind die Ausbildungsvergütungen im Jahr 2023 um 3,7 Prozent gestiegen. Im Durchschnitt verdienen Auszubildende etwa 1.100 Euro brutto im Monat. In der Metall- und Elektroindustrie erhalten Azubis in Bayern mit 1.100 bis 1.200 Euro die höchsten Vergütungen, während die Ausbildungsvergütungen im Einzelhandel zwischen 800 und 950 Euro liegen. Diese Zahlen verdeutlichen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausbildungsberufen und deren Attraktivität.
Aktuell absolvieren rund 250.000 Menschen in Bayern eine IHK-Berufsausbildung. (Im Handwerk, in freien Berufen, im öffentlichen Dienst und der Landwirtschaft gesondert ausgebildet.) Ein Fünftel von ihnen strebt bereits den zweiten beruflichen Bildungsabschluss an, und etwa ein Drittel hat das Abitur. Dennoch bleibt der Einzelhandel ein Bereich mit vielen unbesetzten Ausbildungsplätzen: Bundesweit sind es laut Statistischem Bundesamt über 10.000.
Eva Hildebrandt und ihre Mitprüflinge haben nach zwei Stunden ihre schriftliche Prüfung hinter sich. Jetzt müssen sie etwa einen Monat auf ihre Ergebnisse warten. Die Hoffnung der Prüflinge: Dass die Durchfallquote dieses Jahr besser ausfällt.
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