Der 6. März 2025 war ein sonniger Tag mit Temperaturen um 18 Grad. Viele Menschen waren am Eibsee unterwegs und genossen das Naturschauspiel, denn der See war zugefroren.
Vom Ufer aus gesehen wirkte das Eis stabil, nur an manchen Stellen schimmerte es schon verdächtig blau. Eine Gruppe mit jungen Studenten aus Indien war besonders weit auf dem See. Sie versuchten, auf die andere Seite zu kommen.
Christian Fischl fiel die Gruppe auf. "Ob das wohl gut geht?", fragte er noch seine Freundin, dann passierte es.
Eine Webcam hält den Moment kurz vorm Einbruch fest. Die Gruppe bewegt sich immer weiter in den See hinein.
Panik, lautes Geschrei: 16 Menschen brechen ein
Ein lautes Knacksen und im nächsten Augenblick war ein Großteil der Gruppe weg. Ein Teil der indischen Studentengruppe war eingebrochen. Einige konnten sich selbst retten. Doch eine Frau und zwei Männer waren gefangen im Eisloch.
Christian Fischl sieht, wie sie verzweifelt versuchen, sich an der Oberfläche zu halten. Der 43-Jährige aus Ohlstadt reagiert intuitiv. Ihm ist klar: Er muss helfen. "Doch Selbstsicherung war mir auch wichtig", sagt er. Während seine Freundin einen Notruf absetzt, rennt er zu einem nahen Bootsverleih. Fischl springt über den Zaun und löst ein Kettenglied eines Metallbootes. Wenig später ist das Boot frei und Fischl erinnert sich nur noch daran, dass er es mit aller Kraft übers Eis schob.
Retter: "Ohne das Boot hätte ich mich nicht aufs Eis getraut"
Auch Sven Bügel hat das Drama beobachtet. Der 37-jährige Thüringer ist Schreiner und hatte einen Ausflug zum Eibsee gemacht. "Dann habe ich Sven gesehen, er hatte ein Boot. Das war echt eine gute Idee. Ich bin zu ihm rüber und habe geholfen". Bügel erzählt, dass das Eis schon verdächtig krachte. "Das Boot gab uns Sicherheit, wir wussten, wir können jederzeit reinspringen, wenn das Eis bricht."
"Ohne das Boot hätte ich mich nicht auf das Eis getraut", sagt auch Christian Fischl. Das Eis war einfach schon zu labil und die Strecke bis zur Einbruchstelle war weit vom Ufer entfernt, "locker 400 bis 500 Meter".
Tief im Eibsee drin ist die Einbruchsstelle. Die Spuren zeigen noch, wo Sven und Christian das Metallboot gezogen haben.
Indischer Student treibt bewusstlos im Eisloch – Retter reanimieren ihn
Als Sven und Christian das Eisloch nach zehn Minuten erreichen, fällt ihnen sofort ein 25-jähriger Inder auf, er treibt regungslos an der Oberfläche. "Seine Arme waren weit ausgestreckt, er hatte großes Glück, seine Daunenjacke hielt ihn über Wasser", erinnert sich Christian Fischl.
Die beiden anderen Inder sind ansprechbar und werden von den beiden Rettern aus dem eiskalten Wasser geholt. Doch um den 25-Jährigen steht es schlecht. "Sein Kopf war schon längere Zeit unter Wasser, als wir zu ihm kamen", beschreiben die Retter. Christian und Sven ziehen den jungen Inder ins Boot und beginnen mit der Reanimation. Fischl war zwölf Jahre lang Berufssoldat. Darum hat er solche Situationen geübt. "Das hilft ungemein", so Fischl. "Du weißt, einfach, was zu tun ist."
25 Minuten Kampf ums Leben
"Anfangs zeigte der Inder keine Reaktion auf Beatmung und Herzmassage", erinnert sich Fischl. Nach ungefähr zehn Minuten, dann erste Lebenszeichen. "Er hat auf einmal nach Luft geschnappt, da wussten wir, er lebt noch", so Fischl. "Das hat uns wieder Kraft gegeben".
Auch wenn die ersten Einsatzkräfte schon bald am Ufer erscheinen, dauert es noch. Die Retter von Feuerwehr und Wasserrettung stehen vor einer echten Herausforderung, weil die Einbruchsstelle so weit im See ist. Ein Eisrettungsschlitten muss vorbereitet werden und dann wagen sich die Helfer im Neoprenanzug auf das Eis. Eine weitere Viertelstunde verstreicht. Sven und Christian reanimieren weiter: 25 lange Minuten. Erst dann kommt professionelle Hilfe. Der Inder ist zu dem Zeitpunkt noch immer nicht bei Bewusstsein.
Die Einbruchsstelle tief im See forderte die Einsatzkräfte - mit Eisrettungsschlitten näherten sie sich.
Unbeschreibliches Glücksgefühl
Unter laufenden Reanimationsmaßnahmen kommt der 25-Jährige ins Krankenhaus. Sven und Christian hoffen, dass er überlebt. "Keiner weiß, wie lange er keinen Sauerstoff bekam, daher machte ich mir schon Sorgen, ob er es schafft", erzählt Sven Bügel. Doch am nächsten Tag ruft die Polizei an, "er sei über dem Berg", hieß es, so Sven. "Das Gefühl war unbeschreiblich", doch er wollte es mit eigenen Augen sehen. "Mir war wichtig, vielleicht auch um das Erlebte zu verarbeiten, den Inder zu treffen". Darum besuchte er in im Krankenhaus.
Geretteter ist komplett gesund
Die Dankbarkeit, die ihm entgegenkam, war unglaublich, so beschreibt er das Aufeinandertreffen. Der 25-Jährige konnte mittlerweile das Krankenhaus verlassen. "Er ist komplett gesund und hat keine Schäden", so der Retter. Alle drei überlegen, den 6. März zu ihrem Tag zu machen. "Vielleicht treffen wir uns zum Jahrestag wieder am Eibsee, um das zu feiern", so Fischl.
Im Audio: Die Lebensretter vom Eibsee berichten über ihre Rettungsaktion
Sven Bügel und Christian Fischl sind die Lebensretter vom Eibsee. Sie erzählen BR24 exklusiv die dramatische Rettung.
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