CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag
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Es gärt unter den CSU-Abgeordneten: Kritik am Fraktionschef

Es gärt unter den CSU-Abgeordneten: Kritik am Fraktionschef

Die Stimmung sei schlechter als vor dem Seehofer-Sturz, sagt ein Abgeordneter. Ein anderer gibt Fraktionschef Thomas Kreuzer noch "sechs Wochen". Kaum jemand bestreitet die große Unzufriedenheit. Es gärt in der CSU-Fraktion.

Voraussetzung für einen Gärprozess ist das Fehlen von Sauerstoff. Dass es in der CSU-Fraktion gärt, hängt mit dem Mangel an Handlungsfähigkeit zusammen, den Abgeordnete beklagen. Handlungsfähigkeit, Wahrnehmung – das ist der Sauerstoff für Politiker.

Namentlich zitieren lassen wollen sich nur wenige. Nach zahlreichen Gesprächen ergibt sich ein recht einheitliches Stimmungsbild. Von "großer Unzufriedenheit" und "Unruhe" ist die Rede, "das gute Miteinander zwischen Fraktion und Regierung funktioniert nicht mehr", heißt es. Und: Diese "Hochphase der Unzufriedenheit dauert schon seit Wochen und ist nicht besser geworden nach der Kabinettsumbildung". Die Unzufriedenheit richtet sich zwar auch gegen Ministerpräsident Markus Söder, aber direkt bekommt sie Fraktionschef Thomas Kreuzer zu spüren. Der lasse keine Debatten zu, lautet ein Vorwurf. Und er verhindere Abstimmungen.

Ärger über Fraktionschef Kreuzer

Wie können Abgeordnete einer Regierungsfraktion ihre Punkte anbringen, wenn sie weder Gelegenheit haben, Kritik und Ideen offen zu äußern, noch die Chance bekommen, über Abstimmungen Druck aufzubauen? Keine. Genau dagegen begehren jetzt offenbar einige auf.

Einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Ernst Weidenbusch, CSU-Landtagsabgeordneter seit 2003. Er sagt: "Mit Thomas Kreuzer werden wir die Wahl nicht gewinnen." Damit zielt Weidenbusch auf die Landtagswahl im Herbst 2023 ab, die in der CSU als Mutter aller Wahlen gilt.

Kein Anführer, kein Zeitplan

Noch bekennt niemand offen, Kreuzer ablösen zu wollen. "Es gibt keinen Anführer", sagte einer, der sich gut auskennt in der Fraktion. Und es gibt auch keinen Zeitplan: "Es gärt, aber es dauert noch. Die Frage ist, wann es überschäumt", meint ein Abgeordneter.

Thomas Kreuzer wurde erst vor knapp einem Jahr als Fraktionschef wiedergewählt. Die Satzung der Fraktion sieht es vor, dass der Vorstand nach der Hälfte der Legislaturperiode neu gewählt wird. Auf 78,5 Prozent der Stimmen kam er da, deutlich weniger als bei der Wahl zu Beginn der Legislatur, da waren es noch 97,5 Prozent. Der Allgäuer sitzt seit 1994 im Landtag, 2011 war er Kultusstaatssekretär, danach zwei Jahre lang Staatskanzleiminister. Seit Oktober 2013 führt er die CSU-Fraktion.

Viele, die wollen, dass Kreuzer geht, sagen, es müsse eine gesichtswahrende Lösung für den 62-Jährigen geben. "Meiner Meinung nach bleiben Thomas Kreuzer noch etwa sechs Wochen Zeit, von sich aus seine Nachfolge zu organisieren, sonst wird es eine Dynamik in der Fraktion geben, die er nicht mehr aufhalten kann", bringt es Weidenbusch auf den Tisch. Und weiter: "Spätestens die Sommerpause wird für die CSU-Fraktion zur Zäsur."

Wer kann führen und Brücken bauen?

Sollte Weidenbusch Recht haben, würde das die Frage aufwerfen, wer Kreuzer nachfolgen könnte. Schon für das Amt des Generalsekretärs musste sich Parteichef Markus Söder in der Bundestagsfraktion bedienen, mangels Personalangebot im Landtag. Und das, obwohl in eineinhalb Jahren eine Landtagswahl ansteht. "Es gibt keine Personalentwicklung mehr in der Fraktion, das ist nicht gewollt", sagt der oberfränkische CSU-Abgeordnete Jürgen Baumgärtner. Ohne Luft zum Atmen kann sich keiner profilieren, so seine Analyse.

Als Kriterium für einen Fraktionschef nennen einige Kabinettserfahrung. Ex-Justizminister Winfried Bausback käme da in Frage. Genannt werden auch Ex-Bauministerin Kerstin Schreyer und Ex-Finanzstaatssekretär Josef Zellmeier.

Weidenbusch plädiert für Nussel

Geht es nach Weidenbusch, kann es nur einen geben: Walter Nussel. Der Mittelfranke ist Landesbeauftragter für Bürokratieabbau und bekam im Zuge der Kabinettsumbildung im Februar weitere Kompetenzen. Als Vorsitzender des Normenkontrollrats soll er nach den Worten Söders eine Art Bürokratie-TÜV aufbauen, der den Alltag der Menschen erleichtert.

"Die CSU Fraktion will jemanden, der alle integriert, der die Menschen versteht. Walter Nussel bringt diese Eigenschaften mit", ist Weidenbusch überzeugt. Nussel selbst lässt keine Ambitionen erkennen: "Wir haben einen Fraktionsvorsitzenden. Ich stehe hinter Thomas Kreuzer", sagt er auf Anfrage von BR24. Er sieht die Stimmungslage "nicht so dramatisch" und will alles Weitere intern besprechen.

Fraktionsvize verteidigt Kreuzer

Es gibt also auch die, die Kreuzer den Rücken stärken. Kreuzers Stellvertreter Alexander König etwa: "Ich bin sehr damit zufrieden, dass wir einen Vorsitzenden haben, der eine klare Linie verfolgt und der die Fraktion souverän führt, und ich sehe niemanden, der das besser tun könnte."

Trotz solcher Solidaritätsbekundungen steht Kreuzer unter Druck. Einen freiwilligen Rücktritt können sich auch viele seiner Kritiker nicht vorstellen. Eine Frage ist auch, wie sich Parteichef Söder verhalten wird. Er hatte bei der Kabinettsumbildung vor einigen Wochen Thomas Kreuzer eng eingebunden, was durchaus als Beleg für ein Vertrauensverhältnis gewertet werden kann.

Wird Kreuzer tatsächlich zurücktreten, sollte der Druck steigen? Auf entsprechende Nachfrage von BR24 äußert er sich nicht. Generell gilt, dass Personalstreitigkeiten der konservativen Wählerschaft nicht gefallen, und das wissen sie natürlich in der CSU. Aber lassen sich die Unzufriedenen davon bremsen?

Lässt sich der Gärprozess stoppen?

Dass Söder jemanden aus seinem Kabinett an die Spitze der Fraktion setzt, schließen so gut wie alle aus. Bei der Umbildung des Kabinetts vor wenigen Wochen hat er Kreuzer im Amt belassen. "Er hat die Stimmung in der Fraktion falsch einschätzt", sagt ein Abgeordneter. Die Frage ist, ob der Gärprozess gestoppt werden kann, dadurch, dass die Fraktion sich ernster genommen fühlt von ihrer Spitze und dem Ministerpräsidenten. Und ob die dazu bereit wären.

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