- Anfangs sei es eine große Überwindung für sie gewesen, sich zu melden, sagt Irene, eine alleinerziehende Mutter rückblickend. Sie hatte Angst. Dass jemand kommen würde, der alles besser weiß. Der sieht, dass sie aktuell überfordert ist, und ihr möglicherweise ihr Kind wegnimmt.
- Aber Irene litt akut unter einer Depression und sie wusste, dass sie Hilfe braucht. Und genau die bekam sie. Bevormundet, sagt sie heute, hätte sie keiner. Beim Arbeitsamt hatte sie erfahren, dass es beim Kinderschutzbund "Familienpaten" gibt. Irene gab sich einen Ruck und meldete sich. So kam Familienpatin Monika Grimminger vom Dillinger Kinderschutzbund in Irenes Leben und das ihrer zwölf Jahre alten Tochter.
Unterstützung - statt Bevormundung
- Gemeinsam das Zimmer putzen oder umräumen, so wie sich die Zwölfjährige das wünschte, Schuhe kaufen oder mal ein Eis essen, all diese Aufgaben können Familienpaten übernehmen. Und wenn die Familie nicht in den Urlaub fahren kann, können sie mit den Kindern in den Ferien einen Ausflug machen, spielen oder auch ins Freibad gehen. Gerade für Alleinerziehende kann das eine spürbare Entlastung bringen. Das hat Monika Grimminger immer wieder so erlebt. Über zwölf Jahre lang hat sie Eltern begleitet, die Unterstützung brauchten. Im Schnitt jeweils ein gutes Jahr lang, jede Woche für ein bis zwei Stunden.
Ausbildung zum Familienpaten über drei Wochenenden
- Familienpaten arbeiten ehrenamtlich. Zuvor machen sie eine Ausbildung, etwa beim Kinderschutzbund Dillingen: dreimal je einen Freitag und Samstag. Und diese Ausbildung, sagt Maria Seiler, ebenfalls Familienpatin im Landkreis Dillingen, habe sie auch selbst weitergebracht. "Man schaut seine eigene Kindheit nochmal an, welche Erfahrung man selber mit der Familie gemacht hat. Außerdem gibt es Gruppenarbeiten, auch Gesprächsführung ist bei der Ausbildung dabei". Mit diesem Wissen gehen die Familienpatinnen und -paten danach ihre Aufgabe an. Verena Sporer, pädagogische Fachkraft beim Kinderschutzbund Dillingen (externer Link), sucht eine passende Familie für sie aus. So kam Monika Grimminger zu Irene und ihrer Tochter.
- Schon bald spürte Mutter Irene: Die Familienpatin ist für sie beide da, für sie und ihre Tochter. Es hätten sich intensive Gespräche ergeben. Sie hätten sich über die Probleme mit der pubertierenden Tochter, aber auch ihre eigenen Bedürfnisse und Sorgen unterhalten. Irene hat das viel gebracht: "Ich habe bald verstanden, dass Monika nicht nur für mein Kind, sondern auch für mich da ist. Ich konnte ihr sagen, von erwachsener Frau zu erwachsener Frau, wie unsicher ich mich fühle, wie schlecht. Dass jemand mal zuhört – ohne zu verurteilen – das hat mir unglaublich viel geholfen" In der Folge hat Irene den Mut gefasst, eine Therapie zu machen. Heute ist sie wieder gesund. Nach gut einem Jahr konnte sie sich wieder ganz alleine um ihre Tochter kümmern: "Ich hab dann einfach gemerkt - es ist ok. Ich rede noch gerne mit Monika, aber ich habe es nicht mehr unbedingt gebraucht".
Bedarf an Familienpatinnen und -paten steigt
- Etwa 500 solcher Familienpatinnen und - paten gibt es in Bayern, sagt Daniela Riedel vom Netzwerk Familienpaten Bayern (externer Link), einer Kooperation des Kinderschutzbundes Landesverband Bayern und des Landesbildungswerks des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Betreut werden so um die 700 Familien, sie erreichen damit etwa 1.500 Kinder. Doch der Bedarf steigt, sagt Riedel "Wir sehen aktuell eine spürbare Zunahme an Belastungen in Familien, sei es durch finanzielle Unsicherheit, psychische Herausforderungen oder fehlende Unterstützung im Alltag. Gleichzeitig werden gerade im Bereich der Familienhilfe zunehmend Mittel gekürzt, Hilfen greifen später oder gar nicht mehr. In dieser Lücke leisten Familienpaten einen immer wichtigeren Beitrag."
- Wer Interesse an einer Ausbildung zum ehrenamtlichen Familienpaten hat, kann sich auf den Online-Seiten des Kinderschutzbundes informieren. In Dillingen etwa (externer Link) startet im Herbst wieder eine entsprechende Ausbildung.
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