"Meine Frau sah sich nicht nur bedroht, sondern hatte Angst um Leib und Leben." Mit diesen aufrüttelnden Worten begründet Günther Felßner (CSU), Präsident des Bayerischen Bauernverbands, warum er nicht länger Bundeslandwirtschaftsminister werden will. Mitglieder der Gruppe "Animal Rebellion" hatten Anfang der Woche auf seinem Hof Plakate gegen ihn präsentiert und Bengalos gezündet. Laut Felßner ein Schockmoment für seine ganze Familie.
Solche und ähnliche Vorfälle sind leider nicht neu. Immer wieder attackieren Menschen Politikerinnen und Politiker, teils auch in deren privatem Umfeld. Wo genau ist die Grenze, wann endet legitimer Protest? Und braucht es neue Gesetze oder reichen die bestehenden aus?
Demonstrationen: Auch scharfe Kritik gegen Politiker ist möglich
Öffentliche Demonstrationen gegen Parteien oder Regierungen gehören zur Demokratie. Dabei gilt: Die Versammlung muss rechtzeitig angemeldet werden. Friedlicher Protest ist möglich und vom Grundgesetz garantiert. Nur wenn die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, können die Behörden Auflagen erlassen oder eine Versammlung als letztes Mittel verbieten – wenn es etwa klare Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Ablauf nicht friedlich bleiben wird.
Auf Demonstrationen dürfen Politikerinnen und Politiker kritisiert werden, auch scharf. Wann genau die Grenze zu Straftaten wie Beleidigung oder Bedrohung überschritten wird, müssen im Zweifel Gerichte entscheiden. Im öffentlichen Raum können bei angemeldeten Demos auch Straßen blockiert werden, allerdings kann die Versammlungsbehörde eingreifen, falls die Beeinträchtigung zu groß ist.
Nicht erlaubt: Gewalttaten, Beleidigungen, Hausfriedensbruch
Auf einem privaten Grundstück wie im Fall von Bauernpräsident Felßner gelten andere Regeln. Wer sich dort unerlaubt aufhält, begeht Hausfriedensbruch. Nicht hinnehmen müssen Politikerinnen und Politiker auch Delikte wie Körperverletzung, Nötigung oder Bedrohung (also das Androhen bestimmter Straftaten). Klare Gewaltankündigungen, gar tätliche Angriffe wie auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke vergangenen Sommer – das alles sind Fälle für Staatsanwälte und Richterinnen.
Komplizierter ist die Sache bei einem Vorfall mit Robert Habeck im Januar 2024. Rund 250 wütende Bauern hatten den Grünen-Politiker, dessen Familie und andere Reisende damals am Verlassen einer Fähre gehindert. Dabei wäre das Schiff offenbar beinahe gestürmt worden. Die Staatsanwaltschaft sprach schnell vom Verdacht auf Nötigung und Landfriedensbruch.
Ein Jahr später stellte die Behörde das Verfahren überwiegend ein – mit Blick auf die Vorwürfe der Nötigung, Bedrohung und Beleidigung habe man keine Protestteilnehmer identifizieren können. Das Problem: Die Polizei hatte laut Medienberichten vor Ort keine einzige Personalie aufgenommen.
Braucht es neue Gesetze und einen neuen Straftatbestand?
Das Beispiel Habeck zeigt: Oft geht es um juristische Fragen, deren Klärung monatelang dauert und die von verschiedenen Gerichten oder Staatsanwaltschaften unterschiedlich eingeschätzt werden. Entscheidend ist auch, ob Tatverdächtige überhaupt namentlich ermittelt werden können.
Und es gibt Graubereiche. Bis wann ist Protest auf der Straße vor dem Privathaus eines Politikers zulässig? Wo beginnen Einschüchterungsversuche, wann wird es unfriedlich? Welcher Kommentar in sozialen Netzwerken überschreitet eine Grenze, was ist "nur" provokant und zugespitzt formuliert?
Von einigen Akteuren wie der früheren sächsischen Justizministerin Katja Meier (Grüne) stammt die Forderung nach einem neuen Straftatbestand – der "Beeinflussung staatlicher Entscheidungsträger". Laut Meier soll "politisches Stalking" damit verhindert werden, etwa Kundgebungen vor Privathäusern von Politikern oder Misthaufen in der Einfahrt. Also Vorfälle, die bisher eher unter der Schwelle des Strafrechts liegen. Der vom Bundesrat verabschiedete Gesetzentwurf liegt seit Monaten beim Bundestag (externer Link), bisher gibt es keine Entscheidung.
Kommunalpolitik: Oft besonders bedrohliche Situationen
Besonders schwierig ist die Situation oft für ehrenamtlich tätige Menschen in der Kommunalpolitik. Anders als Bundesminister oder andere wichtige Mandatsträger leben sie in der Regel ohne Polizeischutz bei Veranstaltungen oder gar eigene Personenschützer. Die Forderung nach härteren Strafen kommt deshalb auch vom Städte- und Gemeindetag.
Die traurige Wahrheit lautet: Wegen Einschüchterungsversuchen und Übergriffen ziehen sich immer wieder Politikerinnen und Politiker zurück – wie zuletzt Günther Felßner.
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