Symbolbild: Verkehrsschilder Tempo 30
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert
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Ist Tempo-30 bereits der eigentliche Standard auf den Straßen in Bayerns Städten?

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Flächendeckend Tempo 30: Gibt's doch längst – oder?

Flächendeckend Tempo 30: Gibt's doch längst – oder?

Die Diskussion um Tempo-30-Limits in Städten beschäftigt regelmäßig Politik, Kommunen und Interessensverbände. Aus der BR24-Community ist zu hören: Sind nicht ohnehin schon die meisten Straßen in Bayerns Städten Tempo 30? Ein Blick auf die Karten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

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Am 21. März bestätigte der Bundestag eine neue Verordnung. Sie soll es Städten einfacher macht, verkehrsberuhigende Maßnahmen einzuführen. Prompt entzündete sich wieder die Debatte um Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten: Befürworter argumentieren mit mehr Sicherheit, Lärmschutz und weniger Abgasen – Gegner mit eingeschränkter Mobilität und Stau.

BR24-User "KlausJuergen" blickte vor ein paar Wochen kritisch auf die Debatte: "Ich habe das eh nicht verstanden, z.B. in München sind doch de facto nur noch die größeren zweispurigen Straßen nicht Tempo 30. (…) War demnach eine Scheindebatte."

Wie häufig gibt es schon Straßen mit dem Limit? BR24 hat bei den elf größten bayerischen Städten nachgefragt – und selbst nachgerechnet.

Ist Tempo 30 bereits "gefahrene" Realität?

Insgesamt haben sich zehn der elf angefragten Städte zurückgemeldet. Allerdings konnten nur drei präzise Antworten geben:

Das Straßenverkehrsamt in Regensburg schreibt, dass etwa 90 Prozent der Straßen als Tempo-30 oder weniger ausgeschrieben seien. Aus Nürnberg heißt es, schätzungsweise seien "80-90 Prozent des Straßennetzes in Tempo 30 integriert". Das Mobilitätsreferat München berichtet Ähnliches: Im Radlstadtplan [externer Link] werden alle Tempo-30-Straßen auf einer Karte erfasst. Auch hier das Ergebnis der Stadt: über 80 Prozent der Stadtstraßen sind Tempo 30 oder drunter.

Lässt sich das durch frei zugängliche Daten bestätigen?

Die meisten Städte wollen sich jedoch nicht auf einen genauen Wert festlegen. Also haben die BR24-Datenjournalistinnen mit frei zugänglichen Datensätzen eine eigene Auswertung erstellt. Die Geodaten stammen von OpenStreetMap (OSM) [externer Link], einem Online-Kartenprojekt, dessen Datenbank von Freiwilligen befüllt wird – ähnlich wie ein Wikipedia für Karten. Die Informationen beinhalten Straßen, Gebäude, Wege – und auch Tempolimits. Allerdings haben sie auch Lücken und Einschränkungen.

Das Ergebnis der Berechnungen liegt dementsprechend nicht so hoch, wie die Angaben der Städte. Dennoch: In den meisten Fällen sind mindestens 50 Prozent der befahrbaren Straßenkilometer Tempo 30 oder weniger. Spitzenreiter ist die Landeshauptstadt – in München dürfen die Autofahrerinnen und Autofahrer laut OSM-Daten auf mindestens zwei Dritteln der Straßen nicht mehr als 30 Kilometer pro Stunde fahren, gefolgt von Augsburg und Nürnberg.

Die folgenden Karten zeigen auf einen Blick, welcher Anteil des Straßennetzes Tempo 30 und weniger hat:

In den kleineren Städten ist Tempo 30 nicht zwangsläufig seltener: Die niederbayerische Regierungsstadt Landshut liegt auf Platz fünf. Auch hier sind mindestens 59 Prozent der Straßenkilometer Tempo-30 oder darunter. In Ingolstadt dagegen sind es nur knapp 50 Prozent. Den kleinsten Anteil hat Bayreuth.

Tempo 30 schon lange Streitthema

In Nürnberg fühlt man sich gut aufgestellt. Seit den 80er Jahren gibt es dort das Instrument der Tempo-30-Zonen. 2011 begann die Stadt dann sukzessive auch für einzelne Strecken mit besonderem Gefahrenpotenzial als Tempo-30 anzuordnen.

Nicht ohne Gegenwehr, wie Frank Jülich, Leiter des Verkehrsplanungsamtes der Stadt Nürnberg berichtet. Ein Autofahrer klagte und die Stadt bekam, zu ihrer eigenen Überraschung, Recht: Tempo-30 vor Schulen etwa seien angebracht, die Anordnung der Stadt war gerechtfertigt.

Könnte man mit Regelgeschwindigkeit 30 Schilder sparen?

Heute, sagt Frank Jülich, sind etwa 80 bis 90 Prozent der Straßen in der Stadt Nürnberg Tempo-30. Paradoxerweise ist die Debatte damit aber noch nicht vom Tisch. "Ich kenne auch viele Befürworter, die sagen, na ja eigentlich, wenn wir ehrlich sind, beschildern wir ja quasi jetzt die Regeln", sagt Jülich.

Ähnlich argumentiert BR24-User "Florian_R" in den Kommentarspalten: "Der Elefant im Raum wird immer wieder übersehen: Es spart Beschilderung! Über 90 Prozent innerörtlicher Straßen und Wege sind für Tempo 50 ungeeignet, aber man erklärt sie alle generell zu Tempo 50, und muss sie dann mit Tempo 30 ausschildern (…)."

Eine Sprecherin des Mobilitätsreferats München erklärt, dass sich das so pauschal nicht sagen lässt: "Auf Hauptverkehrsstraßen würde weiterhin Tempo 50 für ein leistungsfähiges Hauptverkehrsstraßennetz gelten und eine entsprechende Beschilderung erfordern."

Keine Pauschallösung, sondern mehr Spielraum für die Kommunen

Auch Frank Jülich spricht sich nicht für die "radikale" Tempo-30-Regelung aus: "Ich bin ein großer Anhänger davon, dass den Städten die Kompetenz zugewiesen wird, weil wir als Verkehrsplaner in den Städten schon sehr genau wissen, wo was angemessen und richtig ist."

Der eigentliche Streitpunkt der letzten Jahre war, dass die Kommunen kaum Spielraum hatten, verkehrsberuhigende Regelungen selbst zu bestimmen – die Entscheidungsmacht obliegt nämlich dem Bund.

Ab diesen Monat ändert sich nun etwas: mit dem Beschluss [Externer Link] des Bundesrates zur StVO-Novelle vom Herbst 2024, haben Städte, Gemeinden und Landkreise [Externer Link] nun mehr Freiheit und Flexibilität, Maßnahmen zugunsten des ÖPNV, des Rad- und des Fußverkehrs umzusetzen. Dazu gehören nun also auch Straßen in der Nähe von Spielplätzen und hoch frequentierten Schulwegen.

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