Günter Hormann auf dem sanierungsbedürftigen Dach seiner WEG
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Günter Hormann auf dem sanierungsbedürftigen Dach seiner WEG

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Fragwürdiges Geschäft mit Rücklagen von Wohnungseigentümern

Fragwürdiges Geschäft mit Rücklagen von Wohnungseigentümern

Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe haben nach Recherchen von BR und hr auf Ersparnisse von Wohnungseigentümergemeinschaften zugegriffen und Gelder in offenbar riskante Anleihen investiert. Teils ohne zu informieren. Das Ausmaß ist unklar.

Über dieses Thema berichtet: report München am .

Günter Hormann ist empört über seine ehemalige Hausverwaltung – die Consigma München GmbH. Im Dezember 2021 hat diese 180.000 Euro vom Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft Heidering in Hannover abgebucht und in eine offenbar riskante Anleihe investiert. Günter Hormann sagt, ohne Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und nur wenige Tage, bevor ein neuer Hausverwalter übernommen hat.

Über Jahre haben die überwiegend älteren Eigentümer jeden Monat in die sogenannte Instandhaltungsrücklage eingezahlt. Die WEG Heidering hat zum Zeitpunkt des Interviews Ende Oktober keinen Zugriff auf das Geld. Dabei stehen dringende Sanierungsarbeiten an. Unter anderem müssen die Fahrstühle erneuert werden, einen hat der TÜV schon stillgelegt.

Hausverwaltungen verwalten bundesweit Milliarden

Eigentümer verwalten ihre Wohnanlagen in der Regel nicht selbst, sondern vertrauen diese einem Hausverwalter an, den sie dafür bezahlen. Der hat auch Zugriff auf die WEG-Konten. Darauf liegen deutschlandweit rund 72 Milliarden Euro, schätzt der Verband Wohnen im Eigentum in Bonn.

Rücklagen müssen "mündelsicher" angelegt werden, so sieht es der Gesetzgeber vor. Das bedeutet, das Geld muss so angelegt und abgesichert sein, dass es im Notfall rasch verfügbar und eine hundertprozentige Rückzahlung garantiert ist.

Consigma-Gruppe ist Teil eines Unternehmensnetzwerks

Die Consigma-Gruppe kauft seit 2017 Hausverwaltungen auf. Sie gehört zu einem Unternehmensnetzwerk, dessen einzelne Teile nach Recherchen von BR und hr ineinandergreifen: Im Zentrum stehen die Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe. Hausverwalter investieren WEG-Gelder in Anleihen der DR Deutsche Rücklagen GmbH, die bis Mitte November in München registriert ist.

Von der Deutsche Rücklagen, so steht es auf deren Homepage, fließen die Gelder an Projektgesellschaften, die damit Bauprojekte und Immobilien finanzieren sollen. In dem Netzwerk gibt es personelle Verflechtungen, auch über Beteiligungen und Geschäftsbeziehungen sind die Unternehmen teils miteinander verbunden.

Ein hochrangiger Consigma-Manager wirbt 2021 mehrfach bei WEG für die Anleihen. Auf Anfrage schreibt er, dies sei nicht korrekt. BR und hr liegen Werbeschreiben mit seiner Unterschrift vor.

Schlüsselfiguren in dem Unternehmensnetzwerk sehen keine Interessenskonflikte. Ihre Namen wollen sie nicht veröffentlicht sehen. Auf erste Anfragen reagieren sie mit einem gemeinsamen Rechtsanwaltsschreiben an BR und hr.

Weitere Abbuchungen in Bayern und Baden-Württemberg

Die Consigma München GmbH bucht 2022 auch bei einer bayerischen WEG eine sechsstellige Summe ab, ebenfalls kurz vor einem Verwalterwechsel und wieder ohne Zustimmung aller Eigentümer. Auch dieses Geld fließt in eine Anleihe der Deutsche Rücklagen, entsprechende Dokumente liegen BR und hr vor. Der neuen Hausverwaltung fällt der Vorgang auf, sie protestiert. Die WEG hat ihr Geld inzwischen zurück. Es gibt Hinweise, dass weitere WEG in Bayern und Baden-Württemberg betroffen waren.

Mehr als 30 Millionen Euro hat die Deutsche Rücklagen von Wohnungseigentümergemeinschaften eingesammelt. Das steht so auf ihrer Homepage. Das Unternehmen schreibt auf Anfrage, man biete Hausverwaltungen die Möglichkeit, für ihre WEG-Kunden Rücklagengelder gesetzeskonform anzulegen: "Ursprünglich war das als exklusives Angebot für Consigma Kunden gedacht. Mittlerweile wird es auch von anderen Hausverwaltungen genutzt."

Dass WEG-Gelder teils ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer zu Anleihen der Deutsche Rücklagen wurden, bestreiten mehrere Schlüsselfiguren des Netzwerks. Auf Nachfragen zu konkreten Fällen antworten sie nicht.

Deutsche Rücklagen fällt durch Unstimmigkeiten auf

Im Laufe der Recherchen verändert die Deutsche Rücklagen ihre Homepage: Zunächst heißt es, sie sei 2021 gegründet worden, nun steht dort 2014. Auch Angaben zu Anleihen werden verändert. Laut Impressum und Handelsregistereintrag sitzt die Deutsche Rücklagen Anfang November in München.

Vor Ort stoßen Reporter von BR und hr lediglich auf einen Briefkasten, auf dem insgesamt neun Firmen stehen. Das Schild der Deutsche Rücklagen ist mit Tesafilm aufgeklebt. Und die Deutsche Rücklagen ist verzogen: Wenige Tage später ist sie in Tauberbischofsheim registriert – als Untermieter einer Tochterfirma der Volksbank Main-Tauber. Die Bank führt Depots für Anleihen der Deutsche Rücklagen. Die Bank verweist auf das Bankgeheimnis und will sich nicht äußern.

Anlegerschützer ist alarmiert

Daniel Bauer ist Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK). Er schätzt die Anleihe als riskantes Papier ein. Dass die WEG Heidering in Hannover nicht über die Anleihe informiert wurde, hält Daniel Bauer für alarmierend.

Als heikel bewertet Bauer auch den Aufbau des Unternehmensnetzwerks: Die Verbindungen zwischen den Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe, dem Anleihengeschäft der Deutsche Rücklagen und den Projektiergesellschaften sehen für ihn nach einem System aus, um Gelder von Wohnungseigentümern "abzugreifen": "Aus meiner Sicht müsste sich das die Staatsanwaltschaft mal anschauen."

Auf Anfragen schreiben Manager des Netzwerks, das Geschäftsmodell sei juristisch überprüft. Es bestünden keine Interessenskonflikte und unfreiwillige Anleger gebe es nicht.

Schon 2020 fragwürdiger Umgang mit WEG-Geldern

Im Großraum München berichten Wohnungseigentümer, die Consigma München GmbH habe 2020 unberechtigt Sonderhonorare abgebucht – ohne Wissen und Zustimmung der WEG. Allein der Münchner Fachanwalt Burkhard Rüscher hat an die 30 Mandanten gegen die Hausverwaltung vertreten. Diese habe Sonderhonorare von bis zu 15.000 Euro ohne jegliche Rechtsgrundlage abgebucht, so der WEG-Rechtler: "Das habe ich noch nie erlebt, bei Verwaltern ist das bisher einmalig."

In Bayern stoßen Reporter von BR und hr auf 16 rechtskräftige Urteile von Amts- und Landgerichten. Darin werden Consigma-Hausverwaltungen durchweg zur Rückzahlung der Sonderhonorare verurteilt. Ein Consigma-Manager schreibt, die Abbuchungen seien aus Sicht der Mitarbeitenden in der Buchhaltung vertragskonform gewesen und die Fälle bereits geklärt. Dabei laufen auch Ende November wegen der Abbuchung von Sonderhonoraren rechtliche Auseinandersetzungen und Verfahren.

Auf Nachfragen von BR und hr zum Fall der WEG in Hannover antworten die verantwortlichen Manager der Consigma-Gruppe und der Deutsche Rücklagen nicht. Doch kurz darauf haben Günter Hormann und seine Miteigentümer die 180.000 Euro wieder auf ihrem Konto.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde am 15.1.2024 aktualisiert. In der ursprünglichen Fassung hieß es, die Consigma München GmbH habe ohne Wissen der WEG Heidering 180.000 Euro in Anleihen der DR Deutsche Rücklagen GmbH investiert. Tatsächlich hatte die Consigma München GmbH drei Beiräten der WEG in einer E-Mail angekündigt, das Geld transferieren zu wollen. Dass das Geld dort tatsächlich angelegt wurde, erfuhren die Beiräte nach eigenen Angaben erst bei einer Belegprüfung nach dem Verwalterwechsel im Frühjahr 2022. Zugestimmt haben sie der Transaktion demnach nie. - Inzwischen haben sich bei BR und hr etliche Wohnungseigentümergemeinschaften gemeldet, die angeben, dass Consigma-Hausverwaltungen auch Gelder ihrer WEG in Anleihen der Deutsche Rücklagen investierten. Es gibt Hinweise auf Unstimmigkeiten, denen wir nachgehen. Wir recherchieren weiter.

Wenn Sie Missstände melden wollen, können Sie sich per Mail an das Investigativteam des Bayerischen Rundfunks wenden: brrecherche@br.de

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