Klimaaktivsten, Gewerkschafter, linke Gruppierungen oder Einzelpersonen mit großen Regenbogen-Friedensflaggen um die Schultern: Es ist nicht leicht, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie unterschiedlichen Bündnisse beim Münchner Ostermarsch am Marienplatz auf einen Nenner zu bringen.
"Wir waren in Europa auf einem wunderbaren Weg zum Frieden, jetzt läuft alles aus dem Ruder"
Ein 85-jähriger Teilnehmer aus dem Landkreis München beispielsweise berichtet, dass er schon seit den 1960er-Jahren am Münchner Ostermarsch teilnehme. "Warum ich hier bin? Weil ich durch meine persönliche familiäre Erfahrung ein strikter Kriegsgegner bin. Weil es damals hieß: 'Für ein in Frieden und Freiheit geeintes Europa'. Wir waren auf einem wunderbaren Weg zum Frieden und jetzt läuft alles aus dem Ruder", sagt er und erzählt dann, dass er selbst seinen Vater und andere Mitglieder seiner Familie im Zweiten Weltkrieg verloren habe.
"Verhandlungen, Dialoge und jeder muss vielleicht doch mal ein bisschen zurückstecken", fordert eine andere Teilnehmerin des Ostermarsches in München und eine Gruppe von drei Münchnern antwortet auf die Frage, warum sie gekommen sind: "Wir sind heute da, weil wir immer da sind. Jedes Jahr, weil es uns so wichtig ist. Naturschutz und Umwelt ist natürlich genauso wichtig, aber wenn Krieg ist, dann ist das alles im Hintergrund".
Im Video: Ostermarsch – 800 Teilnehmer in München
Ostermarsch: 800 Teilnehmer in München
Münchner Friedensbündnis: Kriegsgefahr ist real
"Wir leben weltweit im gefährlichsten Jahrzehnt seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Gefahr, in einen atomaren Abgrund zu taumeln oder durch einen konventionellen Krieg umzukommen, ist real", so das Münchner Friedensbündnis, das den Ostermarsch organisiert. "Gleichzeitig explodiert der Militärhaushalt und füllt die Taschen der Rüstungslobby. Wir protestieren gegen die ungehemmte Aufrüstung und nehmen den Ostermarsch zum Anlass, unsere friedenspolitischen Forderungen auf die Straße zu bringen".
Forderung: Soziales rauf – Rüstung runter
Das Friedensbündnis ist der Ansicht, dass ein Aufrüstungstopp und diplomatische Konfliktlösungen "enorme Ressourcen" schaffen würde, die stattdessen in Bildung, Gesundheit, Soziales oder Klimaschutz investiert werden könne. Europa habe dabei eine Vorbildfunktion. "Wenn Europa diesen Weg geht, werden andere sich schnell anschließen". Zudem solle das Recht auf Kriegsdienstverweigerung geschützt werden und die Wehrpflicht endgültig abgeschafft werden, statt sie zu reaktivieren.
In Bezug auf die aktuellen Kriege fordert das Münchner Friedensbündnis einen Waffenstillstand und Verhandlungen für "nachhaltigen Frieden" in der Ukraine, im Nahen Osten, im Sudan und an anderen Kriegsschauplätzen.
Topthema in München: Krieg im Nahen Osten
Beim Münchner Ostermarsch gab es nur wenige Plakate, die sich auf den Krieg in der Ukraine bezogen. Topthema war der Krieg im Nahen Osten. Mehrere Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung trugen sogenannte "Palästina-Tücher". Sie hatten Schilder und Plakate dabei, auf denen beispielsweise "75 Jahre Nakba und kein Ende" stand, "Free Palestine" oder "Besatzung und Apartheid beenden". Ein älterer Teilnehmer trug ein selbstgebasteltes Schild mit der Forderung: "Partnerschaft mit Russland".
Kritik an Friedensbewegung: Ideologisch unterwandert?
In den vergangenen Jahren wurde vermehrt Kritik an den bundesweiten Ostermärschen laut. Beispielsweise, wenn sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer solidarisch mit Russland zeigen, wie auch heute vereinzelt in München.
In München wurden in den vergangenen Jahren auch Osterdemonstrationen von Gruppen organisiert, denen Verbindungen zur Querdenkerszene und eine Offenheit zum rechten Rand vorgeworfen wird. Das Münchner Friedensbündnis will sich klar davon abgrenzen. So steht etwa auf der Homepage: "Die Friedensbewegung ist international und antifaschistisch. Sie wendet sich entschieden gegen nationalistische, militaristische, völkische, rassistische, sexistische, antisemitische oder rechtspopulistisch-islamophobe Politik".
1961: Erster Ostermarsch in München
Am Karfreitag 1960 startete erstmals von Hamburg, Bremen, Hannover und Braunschweig ein mehrtägiger Sternmarsch zum Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide, um gegen Atombomben zu protestieren. Ein Jahr später, 1961, demonstrierten in München erstmals Friedensaktivisten zu Ostern gegen Krieg und Aufrüstung. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Königsplatz des ersten Münchner Ostermarsches sprach damals auch der Schriftsteller Erich Kästner. Genau an dem Ort, an dem am 10. Mai 1933 auch einige seiner Bücher verbrannt wurden.
Auch in anderen bayerischen Städten haben sich heute Menschen zum Ostermarsch getroffen, so etwa in Traunstein, Würzburg und Augsburg. In Nürnberg findet er erst am Ostermontag statt.
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