Hebammen werden intensiv ausgebildet für ihre Arbeit im Kreißsaal.
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80% der Geburten in Bayern begleiten Beleghebammen

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Geburtshilfe: Kreißsaal bald ohne Hebamme?

Geburtshilfe: Kreißsaal bald ohne Hebamme?

Am internationalen Hebammentag sind vielerorts in Bayern Proteste geplant. Denn Hebammen, die freiberuflich in Geburtskliniken arbeiten, fürchten um ihre Existenz. Sie fordern andere Vergütungsregeln im sogenannten Hebammenhilfevertrag.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

"Jemand, der einfach beim Kaiserschnitt die Hand hält und sagt: alles ist in Ordnung, eine Hebamme, die Rat gibt, das gibt einfach sehr viel Sicherheit", erzählt die Mutter der kleinen Greta-Marie. Die junge Frau ist froh, dass Hebammen sie auch auf der Wöchnerinnenstation einer Schwabinger Geburtsklinik begleiten und bei allen Fragen rund um die ersten Lebenstage ihrer Tochter für sie da sind.

Doch die Hebammen selbst sind in Sorge: Ein Großteil arbeite freiberuflich an den Klinken, und der bundesweit geltende Hebammenhilfevertrag gehe zulasten dieser sogenannten Beleghebammen, warnt Mechthild Hofner, Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbands. Sie rechnet vor: "Freiberufliche Beleghebammen, die in Bayern 80 Prozent der klinischen Geburtshilfe sicher und verlässlich leisten, werden ab November 20 Prozent weniger verdienen als 2008. Das heißt, die Existenz der Beleghebammen ist akut gefährdet."

Die Neuregelung betrifft in Bayern rund 3.700 Hebammen. Auch der Deutsche Hebammenverband sieht die Entscheidung als Rückschritt für die Geburtshilfe in Krankenhäusern.

Hebammen: Geburtshilfe ist bedroht

Der neue Vertrag legt Abrechnungsbeträge mit den gesetzlichen Krankenkassen fest, beispielsweise für Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft, Geburtshilfe, Nachsorge und Stillberatung. Die neue Stundenvergütung berücksichtige nicht den Alltag in Geburtskliniken, sagt Evelyn Zach. Sie arbeitet freiberuflich am Klinikum Großhadern, wo Beleghebammen jährlich rund 1.000 Geburten betreuen.

Das Kreißsaal-Team regelt den wechselnden Personalbedarf. Treffen viele Risikoschwangere gleichzeitig ein oder häufen sich Geburten, organisieren sie Verstärkung, erklärt Lisa Dörner, die ebenfalls in Großhadern arbeitet. Doch diese Flexibilität zahle sich künftig nicht mehr aus, ebenso wenig wie Nacht- oder Feiertagsschichten: "Uns macht traurig, dass eben vor allem die Hebammen in den Kliniken betroffen sind. Und für unsere Arbeit bedeutet das keinerlei Wertschätzung", beklagt Evelyn Zach.

GKV: Geburtshilfe wird gestärkt

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) widerspricht: Die Kassen würden den freiberuflichen Hebammen insgesamt deutlich mehr zahlen. Der GKV-Spitzenverband rechne mit einem dreistelligen Millionenbetrag, vor allem für die durchgehende sogenannte 1:1-Betreuung von einer Frau durch eine Hebamme. Studien zeigten, die Geburtsbegleitung schütze vor einer traumatischen Entbindung.

Für die 1:1-Betreuung einer Versicherten werde der Stundensatz mehr als verdoppelt, erklärt Jens Ofiera vom GKV-Spitzenverband: "Das bedeutet, dass die Hebamme sich ausschließlich um die Frau kümmern kann, ohne von einem Zimmer ins nächste zu springen und gegebenenfalls noch andere zu betreuen." Künftig würden auch andere Leistungen besser vergütet, so Ofiera. Der Hebammenhilfevertag sei fair. Eine paritätisch besetzte Arbeitsgruppe soll ab November die finanziellen Auswirkungen des neuen Vergütungssystems überprüfen.

Uneinigkeit über das Verhandlungsergebnis

Der Hintergrund: Nach langen Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Verbänden freiberuflich tätiger Hebammen entschied Anfang April ein Schlichterspruch. Seit dem 1. Mai bekommen die Hebammen einen Aufschlag, ab 1. November ändert sich das Abrechnungssystem. Der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V. (BfHD) und das Netzwerk der Geburtshäuser (NWGH) stimmten mit dem GKV-Spitzenverband für die neue Regelung. Ihre Mitglieder betreuen ambulant Hausgeburten, übernehmen die Nachsorge und geben beispielsweise Kurse.

Hauptkritikpunkt: Fehlende Strukturen

Es gebe zwar eine Förderung um die Hebammen-Teams auszubauen, doch nötigen Strukturen seien noch nicht vorhanden, betont Evelyn Zach. Unter diesen Bedingungen mehr Hebammen für die Klinikschichten zu begeistern, sei unrealistisch. Für besonderen Ärger sorgt die geplante "Abstaffelung" pro betreuter Geburt: Betreut eine Hebamme parallel zur ersten Frau noch weitere Schwangere soll der Vergütungssatz sinken. Am Ende zahlten die Frauen den Preis, wenn sich ihre Arbeit nicht mehr lohne, beklagt der Deutsche Hebammenverband.

Am Internationalen Hebammentag haben unter anderem Proteste in München, Landshut und Nürnberg stattgefunden. Zur Demo in Augsburg kamen trotz Regen und Kälte etwa 70 Menschen. Auf ihren Schildern war unter anderem zu lesen "Midwife Crisis - weil Wunder starke Hände brauchen", "Unsere Hände - euer Anfang" und "100 % Arbeit - 100 % Lohn".

Im Video: Hebammen demontrieren gegen neue Vergütungregeln

Heute sind vielerorts Hebammen auf die Straße gegangen, um gegen neue Vergütungsregeln zu demonstrieren.
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Heute sind vielerorts Hebammen auf die Straße gegangen, um gegen neue Vergütungsregeln zu demonstrieren.

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