Lupe über einem Duden mit der Aufschrift "Die deutsche Rechtschreibung" (Symbolbild)
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Bayerisches "Genderverbot": So bewertet es der Rechtschreibrat

Bayerisches "Genderverbot": So bewertet es der Rechtschreibrat

Emotionale Meinungen zu Bayerns "Genderverbot" gibt es viele. Der Rechtschreibrat sieht es nüchterner. Man hätte sich kein Verbot gewünscht, sagt Geschäftsführerin Krome auf BR24-Anfrage. Geschlechtergerechtes Schreiben gehe auch ohne Sonderzeichen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Liebe Leser*innen: Eine Anrede wie diese ist im Schriftverkehr von Verwaltung, Schulen und Hochschulen in Bayern seit diesem Monat offiziell untersagt. Das bayerische "Genderverbot" sorgt für hitzige Diskussionen. Das gilt besonders für die Frage, inwieweit Schulbriefe mit Gendersternchen, Unterstrich oder anderen Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache im Freistaat künftig Ärger für die verantwortlichen Lehrkräfte nach sich ziehen.

Geschäftsführerin des Rechtschreibrats: Kein Verbot, keine Pflicht

Auf BR24-Anfrage meldet sich in der Debatte jetzt der Rat für Deutsche Rechtschreibung zu Wort. Der Rat ist, laut Eigenbeschreibung, "ein zwischenstaatliches Gremium, das von den staatlichen Stellen damit betraut wurde, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln". Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) verweist darauf, dass das beschlossene "Genderverbot" den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung entspreche.

Mit Blick auf Bayerns neue Vorgaben für den dienstlichen Schriftverkehr betont die Geschäftsführerin des Rechtschreibrats, Sabine Krome, das Gremium hätte sich kein Verbot gewünscht. Andererseits solle die "Verwendung der verkürzenden Sonderzeichen" auch nicht gefordert werden, etwa in Schulen. Die deutsche Rechtschreibung sei aus gutem Grund amtlich. "Und daran sollten sich auch die Bereiche, für die die Orthografie gilt, halten."

Geschlechtergerechtes Schreiben: Andere Möglichkeiten

Im Dezember hat sich der Rechtschreibrat laut Krome nach intensiver und kontroverser Diskussion darauf verständigt, "dass die Sonderzeichen 'nicht zum Kernbestand der Orthografie gehören' und daher auch nicht Teil von Regeln im Amtlichen Regelwerk sind". Gleichzeitig betonte der Rat damals, "dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll".

Als Beispiele für geschlechtergerechtes Schreiben (externer Link) nennt das Gremium Formulierungen wie "Bürgerinnen und Bürger". Häufig verwendet würden auch "Begriffe ohne geschlechtsspezifische Benennung von Personen wie Lehrpersonen, Fachkräfte, Mitglieder, Studierende". Passivkonstruktionen seien eine weitere Möglichkeit. All das sei inzwischen im deutschen Sprachgebrauch allgemein verbreitet – und "kennzeichnend für eine allen Menschen und ihrer Würde entsprechende Sprache und Schreibung".

"Aufgeheizte Debatte endlich zur Ruhe kommen lassen"

Weil die Sonderzeichen in der deutschen Schriftsprache aber verstärkt vorkämen, hat der Rat laut seiner Geschäftsführerin beschlossen, die Entwicklung weiter zu beobachten. Allgemein fordert Krome, "die aufgeheizte Debatte endlich ein wenig zur Ruhe kommen zu lassen und auch die wissenschaftlichen Studien, die keineswegs einheitliche Lösungen bieten, genauer zu prüfen". Der Rat werde "in jedem Fall reagieren, wenn es grundlegende Veränderungen geben sollte".

Der Rat für deutsche Rechtschreibung besteht aus 41 ehrenamtlichen Mitgliedern. Nur knapp die Hälfte stammt aus Deutschland. Die anderen Mitglieder kommen aus Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Bozen-Südtirol, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens sowie Luxemburg. Aktueller Vorsitzender ist Josef Lange, CSU-Mitglied und früherer Kultusstaatssekretär in Niedersachsen.

"Strategien, die nicht rechtschreibschwierig und fehlerträchtig sind"

Kritik äußert Sabine Krome an der Bezeichnung "Genderverbot". Für geschlechtergerechtes Schreiben gebe es jenseits von Sonderzeichen wie Sternchen oder Binnen-I "etliche andere Strategien, die nicht rechtschreibschwierig und fehlerträchtig sind". Diese Strategien würden Bundesländer wie Bayern offenbar auch nicht ausschließen. "Wenn die bayerische Staatsregierung also vom 'Verbot des Genderns in Schulen und Verwaltung' spricht, ist ausschließlich das Gendern mit Sonderzeichen wie Doppelpunkt, Asterisk oder Unterstrich gemeint."

Aus Sicht des Rechtschreibrats ist freilich klar: Genderstern und ähnliche Sonderzeichen beeinträchtigen die Verständlichkeit und Lesbarkeit der deutschen Sprache. Vor allem gelte das für Personengruppen, die mit der deutschen Sprache weniger vertraut sind. "So sind Sätze wie 'Der*die Vertreter*in des*der behandelnden Ärzt*in…' sowohl schlecht lesbar wie auch grammatisch nicht korrekt", betont Krome. Solche Sätze seien auch nicht in andere Sprachen übersetzbar. Das sei zum Beispiel ein Problem für mehrsprachige Länder wie die Schweiz, Belgien oder Bozen-Südtirol.

"Privat kann jede Person schreiben, wie sie will"

Was in der hitzigen Debatte mitunter vergessen wird: Bayerns "Genderverbot" beschränkt sich auf Schriftliches in Verwaltung, Schulen und Hochschulen. Auch die Geschäftsführerin des Rechtschreibrats betont auf BR24-Anfrage: "Privat kann jede Person schreiben, wie sie will. Es ist dann die eigene Sache, ob man verstanden wird."

An den Schulen sei die Nutzung der Sonderzeichen aber "bei strikter Auslegung des Amtlichen Regelwerks" ein Rechtschreibfehler. "Dies bundesweit und im deutschen Sprachraum einheitlich umzusetzen, ist Aufgabe der Politik", sagt Krome. "Auf keinen Fall sollten solche grundsätzlichen Dinge an verschiedenen Schulen unterschiedlich gehandhabt werden." Für die Kinder und Jugendlichen an Bayerns Schulen soll laut dem Kultusministerium weiter die bisherige Regel gelten: Gendersternchen und Co werden als Fehler angestrichen, fließen aber nicht in die Bewertung ein.

Schulen: Gleichberechtigung nicht nur über Rechtschreibung

Aktuell geht es im Ringen um geschlechtergerechte Sprache vor allem um das Gendersternchen und vergleichbare Sonderzeichen. Krome zufolge könnten Schulen vielleicht eingehender reflektieren, ob es nicht Möglichkeiten gebe, "die Gleichberechtigung von Menschen aller Geschlechtsidentitäten, die Achtung und den Respekt gegenüber ihnen auf andere Weise zum Ausdruck zu bringen als beinahe ausschließlich über die Rechtschreibung".

Generell betont die Geschäftsführerin, welche herausragende Bedeutung der Rat für deutsche Rechtschreibung hat: "Die im Amtlichen Regelwerk normierte Rechtschreibung ist verbindlich für Schulen und Behörden." Sollte das Gremium eines Tages die offizielle Sprachtür für Gendersternchen und Co öffnen, müssten demnach Bundesländer wie Bayern ihr "Genderverbot" wieder abschaffen.

Stand jetzt ist das allerdings laut der Staatskanzlei nicht geplant: Im Freistaat soll das Verbot "unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen" gelten. Krome sagt zu dieser Festlegung: "Niemand weiß, welche Entwicklungen sich in einigen Jahren vollzogen haben – gesellschaftlich, sprachpolitisch und dann eben auch orthografisch."

Bildrechte: pa/CHROMORANGE/Christian Ohde
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Gendersternchen auf einer Zeitungsseite (Symbolbild)

Dieser Artikel ist erstmals am 3. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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