Die Fraktionsvorsitzende der Grünen war zu Gast in der Münchner Runde.
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Katharina Schulze hat von ihren Erfahrungen mit Hass im Netz berichtet.

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Hass gegen Politiker im Netz: "Tut manchmal sehr, sehr weh"

Hass gegen Politiker im Netz: "Tut manchmal sehr, sehr weh"

Weil Politikern im Netz viel Hass entgegenschlägt, fordert Grünen-Fraktionschefin Schulze eine "digitale Polizeiwache". Minister Eisenreich will die Justiz verstärken. Der Journalist Fleischhauer warnt, die Grenzen des Sagbaren würden immer enger.

Über dieses Thema berichtet: Münchner Runde am .

Fast jede zweite Person in Deutschland wurde schon einmal online beleidigt – vor allem für Politikerinnen und Politiker gehören Anfeindungen im Netz zum Alltag. In der "Münchner Runde" diskutieren Politiker und Experten über mögliche Lösungen - und die Grenzen des Sagbaren.

Schulze: "Es tut manchmal sehr, sehr weh"

Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, hat in der Münchner Runde über ihre Erfahrungen mit Hass im Netz gesprochen. "Ich würde gerne sagen, es macht mir nichts", sagte Schulze. Aber das sei nicht der Fall: "Es tut manchmal sehr, sehr weh." Ans Aufhören denke sie deswegen aber nicht: "Ich lass' mich da nicht unterkriegen!"

Schulze verwies auf ihr Team, das sie als Spitzenpolitikerin unterstütze: "Ich muss nicht jede Hassnachricht und jede Vergewaltigungsandrohung selbst lesen." Ehrenamtliche Kommunalpolitiker würden ebenfalls oft "von Hass und Hetze überschüttet" – und hätten diese Unterstützung mitunter nicht.

Im Video: Schulze in der Münchner Runde

Zwischen Hass und Meinungsfreiheit: Wie gehen wir miteinander um? Dazu die Münchner Runde mit Georg Eisenreich (CSU), Katharina Schulze (Grüne), Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Kabarettist Christian Springer und Autor Jan Fleischhauer.
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Zwischen Hass und Meinungsfreiheit: Wie gehen wir miteinander um? Darüber diskutierte die Münchner Runde.

Deutlich mehr Straftaten gegen Kommunalpolitiker

Straftaten gegen Kommunalpolitiker haben in Bayern zuletzt stark zugenommen. 2022 gab es 362 Straftaten, fast 100 Fälle mehr als noch im Vorjahr. Schulze warnte: "Wenn die sich dann zurückziehen, vor allem Frauen, dann geht etwas verloren in unserer Demokratie." Sie forderte, dass Opfer von Hate Speech die Möglichkeit haben sollten, diese sofort online zur Anzeige zu bringen: "Ich würde mir eine virtuelle Polizeiwache wünschen." Beleidigungen sollen "per Screenshot" direkt an die Ermittler geschickt werden können. Eine solche Meldestelle für Hassnachrichten im Netz gibt es bereits in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Baden-Württemberg.

Eisenreich kündigt 350 neue Stellen für die Justiz an

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärte: "Wenn Politiker angegriffen werden, ist das ein Angriff auf die Demokratie." Es gebe in Deutschland zwar Meinungsfreiheit, aber: "Eine Grenze, die nicht überschritten werden darf, ist das Strafrecht."

In der Sendung wurde auch über die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte und die Handlungsfähigkeit des Staats diskutiert. Eisenreich versicherte, der Freistaat investiere in die Sicherheit – das sei sein "Markenkern". Und er machte eine Ankündigung: "Wenn der bayerische Landtag dem Beschluss der bayerischen Staatsregierung folgt, dann werden im nächsten Doppelhaushalt nochmals 350 Stellen zusätzlich für die Justiz in Bayern geschaffen." Dies würde Ermittlungen künftig beschleunigen, so der Justizminister,

Grüne sind am häufigsten Ziel von Angriffen

Zur Zielscheibe von Hass und Hetze werden bestimmte Politiker häufiger als andere. Im vergangenen Jahr waren Vertreterinnen und Vertreter der Grünen am häufigsten das Ziel von Angriffen: So registrierte das Bundeskriminalamt 219 Angriffe. Auch bei Angriffen auf Parteieinrichtungen wie Abgeordnetenbüros oder Geschäftsstellen waren die Grünen in der Statistik am häufigsten betroffen.

Einigkeit herrschte in der Runde darüber, dass der Staat bei entsprechenden Straftaten hart durchgreifen müsse. Uneinig waren sich die Gäste jedoch bei der Frage, wie weit politischer Streit gehen darf. Und ob besonders während des bayerischen Landtagswahlkampfs Grenzen verschoben – oder gar überschritten wurden.

Expertin kritisiert "Fehlinformationen" über Grüne

Dass man sich als politische Gegner nicht gegenseitig liebkose, sei selbstverständlich, erklärte die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Sie kritisierte jedoch die konsequente Verbreitung von "Fehlinformationen" über die Grünen vom politischen Gegner – speziell den häufig wiederholten Vorwurf, diese wollten alles verbieten.

Georg Eisenreich (CSU) hielt dagegen. "Politik muss Unterschiede klarmachen." Man müsse "pointiert Kritik formulieren können". Er habe den Wahlkampf als unproblematisch wahrgenommen, da dürfe man auch nicht "zu empfindlich sein". Von seiner Partei seien alle Regeln eingehalten worden.

Katharina Schulze entgegnete, selbst "sicherlich nicht zimperlich" zu sein. Ein harter Wettkampf sei essenziell für die Demokratie, aber: Wenn Politiker "an der Wahrheit sägen, die Wahrheit dehnen, falsche Informationen weitergeben - dann erodiert etwas in der Gesellschaft." Sie verwies auf die Vorbildfunktion, die Politiker in der Gesellschaft hätten.

Journalist Fleischhauer: Grenzen des Sagbaren werden enger

Während die einen eine Ausweitung der Grenzen des Sagbaren beobachteten, vertrat der Journalist Jan Fleischhauer die Gegenposition: Seiner Meinung nach trauen sich immer mehr Menschen nicht das zu sagen, was sie denken. Er verwies auf eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Dieser zufolge glauben 44 Prozent der Deutschen, dass sie ihre politische Meinung nicht frei äußern könnten. Er halte das für einen "dramatischen Befund".

Georg Eisenreich erklärte, die Rechtslage habe sich nicht verändert. Aber er äußerte Verständnis für die Wahrnehmung vieler Leute, sich nicht mehr frei äußern zu können: "Wir haben natürlich schon die Entwicklungen Cancel Culture, Wokeness und die Versuche, konservative Positionen als rechtsradikal zu diffamieren."

Dass man in Deutschland "selbstverständlich" weiterhin alles sagen könne, fand hingegen Katharina Schulze. "Aber man muss auch aushalten, wenn man Gegenwind bekommt", so die Grünen-Politikerin. Wichtig sei, nicht nur auf der eigenen Position zu verharren, sondern anschließend "in den Dialog zu gehen".

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