"Ich hab' vor knapp sechs Jahren schon hier gesprochen und bin entsetzt, dass ich hier wieder sitzen muss" - Jacqueline Haugg war bereits 2019 zu Gast bei "jetzt red i". Und damals wie heute ist das Thema: Tierschutz in der Landwirtschaft. Ihre Kritik bleibt scharf: "Es ist bis heute nichts passiert." Bayerns Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber habe damals zahlreiche Versprechungen gemacht, so Haugg. "Mehr Kontrolle, Überwachung, blablabla. Ich sag's salopp: Ich hab' die Schnauze voll".
Es war keine leichte Diskussion gestern in Trunkelsberg im Unterallgäu. Anlass für die "jetzt red i" Sendung waren Ende März veröffentlichte Aufnahmen von Tiermisshandlungen, die die Tierrechtsorganisation "SOKO Tierschutz" verdeckt auf einem Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach gemacht hatte. Die dazugehörigen Ermittlungen laufen noch.
Bereits 2019 gab es dort schwere Verstöße – der Prozess gegen den Betreiber ist noch nicht abgeschlossen. Auch in anderen Regionen Bayerns wurden kürzlich tote Tiere auf Höfen gefunden. Die Hintergründe sind noch unklar. In der BR-Sendung wurde deshalb hitzig über die Missstände im Kontrollsystem und die daraus folgenden Konsequenzen diskutiert – und auch darüber, welche Landwirtschaft wir uns in Zukunft wünschen.
Glauber zeigt sich offen für Tierschutzbeauftragten
Die Kontrollen in den Betrieben liegen im Zuständigkeitsbereich des bayerischen Umwelt- und Verbraucherschutzministers Thorsten Glauber (Freie Wähler). Bei "jetzt red i" betonte er, seit seinem Amtsantritt über 100 neue Amtstierärztinnen und -ärzte eingestellt zu haben – und zeigte sich offen, für die Forderung der Grünen nach einem bayerischen Tierschutzbeauftragten: "Ich stehe der Debatte sehr offen gegenüber", so Glauber. Er habe Anfragen aus dem Landtag und die Debatte könne man führen.
Zwischen Frust und Verteidigungsreflexen
Viele Bauern teilten an diesem Abend das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht genug wertgeschätzt wird. Landwirt Richard Prinz, der rund 45 Kühe in seinem Familienbetrieb hält, wehrte sich vehement gegen eine pauschale Verurteilung seines Berufsstands. Seiner Meinung nach, müssten die Bauern eher vor den Tierschützern geschützt werden: "Das kann nicht sein, dass irgendeine kleine Minderheit einen ganzen Berufsstand verfolgt, gewalttätig an die Wand stellt und zum Abschuss freigibt." Auch Junglandwirt Johannes Pfanner erklärte: "Nur gesunde Tiere sind für uns brauchbar - und das ist ja unser allerhöchstes Gut".
Grüne fordern weitere Maßnahmen, statt reiner Kontrolle
Gisela Sengl, Landesvorsitzende der Grünen, sprach sich in der "jetzt red i" -Sendung für einen verpflichtenden Sachkundenachweis für alle aus, die mit Tieren arbeiten, sowie für eine Umstrukturierung des Kontrollsystems. Weniger repressive Kontrollen, mehr präventive Unterstützung – das sei der Weg: "Wenn man mal von dem Kontrollbegriff wegkommt und hinkommt zur aufsuchenden Beratung – ich glaube, präventiv könnte man viel machen", sagte sie.
Für Sengl, die selbst Biobäuerin ist, steht Tierschutz laut eigener Aussage an oberster Stelle: "Schwarze Schafe will ich in unserem Bayern nicht in Kauf nehmen." Über den Fall in Bad Grönenbach zeigte sie sich empört: "Der Betrieb gehört endlich dichtgemacht."
Keine Kameraüberwachung in Ställen
Auch die CSU-Politikerin Petra Loibl, selbst Tierärztin und Mitglied im Landwirtschaftsausschuss des Landtags, stellte sich der Diskussion. Dass dort auch eine Videoüberwachung von Ställen gefordert wurde, ging für sie zu weit: "Überwachung, Kamera im Stall; das geht gar nicht. Wir müssen uns überlegen, was wir tun, um für die Landwirte einen Mehrwert zu generieren. Nicht, um sie noch mehr zu gängeln, noch mehr zu kontrollieren." Ein Frühwarnsystem auf Basis der ohnehin schon gesammelten Betriebsdaten könne laut Loibl eine Alternative sein.
Bayerns Milchviehbetriebe im Fokus
Im Unterallgäu gibt es rund 1.300 Milchviehbetriebe. Landrat Alex Eder berichtete, dass im Veterinäramt seines Landkreises derzeit nur fünf von sieben Veterinärstellen besetzt sind – das sei für ihn jedoch nicht allein das Problem. "Wir müssen eine Stufe zurückgehen: Was macht die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft so schwierig, dass Betriebe sterben? Was macht diesen Preisdruck so extrem?"
Auch Trunkelsbergs Bürgermeister Roman Albrecht glaubt, dass die Preistreiberei im Handel für die Bauern problematisch ist: "Lebensmittel sind keine Konsumartikel, aber wir behandeln sie wie einen Konsumartikel: Billig, billig, billig." Er findet: Wer sich Alufelgen leisten kann, könne auch 20 Cent mehr für einen Liter Milch bezahlen.
Die Debatte in Trunkelsberg zeigt: Der Wunsch nach einer tiergerechteren Landwirtschaft ist groß – aber der Weg dorthin bleibt umkämpft.
Grünen-Chefin Gisela Sengl und Maria Loibl (CSU), Mitglied im Landwirtschaftsausschuss im Landtag - vor Ort bei "jetzt red i" aus Trunkelsberg.
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