Für Tobias Richter und Sebastian Reich ist der Schichtbeginn so etwas wie ein Sprung ins Ungewisse. Um 6 Uhr morgens betreten die beiden Sanitäter die Integrierte Leitstelle Straubing, zwölf Stunden Rettungsdienst liegen vor ihnen. Wie dieser aussehen wird, lässt sich nicht voraussagen. "Es gibt Tage, wo man meint, es könnte ruhiger werden und dann fährt man den ganzen Tag einen Einsatz nach dem anderen", sagt Tobias Richter. Manchmal aber laufe es genau andersherum. "Es ist immer eine Wundertüte." "Kontrovers – Die Story" durfte das Team der Leitstelle Straubing eine ganze Schicht lang bei der Arbeit begleiten.
Arbeitslast für Rettungsdienste nimmt deutschlandweit zu
Die beiden Rettungskräfte Tobias Richter und Sebastian Reich sind für das Stadtgebiet Straubing und den umliegenden Landkreis eingeteilt. Der Job wird von Jahr zu Jahr härter, denn die Arbeitslast für Rettungsdienste nimmt deutschlandweit zu. Grund dafür ist vor allem der Personalmangel, aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle.
Immer mehr Anrufe ohne echten Notfall
"Was mich überrascht, ist, dass wir zu relativ vielen Einsätzen gerufen werden, die sich für den normalen Menschen dramatisch anhören, aus medizinischer Sicht aber tatsächlich gar nicht dramatisch sind", erzählt Sebastian Reich – eine Beobachtung, die viele seiner Kollegen teilen. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) und andere Leitstellen-Betreiber bestätigen, dass die Zahl der Anrufe, bei denen eigentlich der Haus- oder Bereitschaftsarzt zuständig ist, zugenommen hat.
Im Video: Leitstelle und Rettungsdienst: Das passiert, wenn wir die 112 rufen | Kontrovers – Die Story
Nach "112": Leitstelle koordiniert Einsätze und schätzt Gefahren ein
Integrierte Leitstellen wie die in Straubing nehmen Notrufe entgegen, schätzen Gefahren ein und koordinieren anschließend zahlreiche Rettungswagen parallel zu deren Einsätzen. In Straubing sind Leitstelle und Wache an einem Ort, die Leitstelle wird im Auftrag des entsprechenden Zweckverbandes vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) betrieben – so wie sieben weitere der 26 Leitstellen im Freistaat.
Wer in den Landkreisen Straubing-Bogen, Regen und Deggendorf den Notruf "112" wählt, hört wenige Sekunden später unter anderem die Stimme von Martin Götz. Er ist Disponent beim BRK und koordiniert gemeinsam mit bis zu vier Kollegen an diesem Tag die Leitstelle.
"Hier ist der Notruf für Feuerwehr und Rettungsdienst. Götz, Grüß Gott." Götz hält kurz inne. "Kann sie noch Antwort geben, wenn Sie mit ihr sprechen?" Der Disponent stellt mehrere Fragen, am anderen Ende beschreibt eine weibliche Stimme die Symptome ihrer Angehörigen: verdrehte Augen, Atemnot, Erbrechen. Götz entscheidet sich, Rettungskräfte zu ihr zu schicken. Die beiden Sanitäter Reich und Richter fahren zu ihrem ersten Einsatz in die Wohnung der Patientin. Die ältere Dame im Rollstuhl hat offenbar Kreislaufstörungen und muss zur Überwachung ins naheliegende Krankenhaus.
Unnötige Anrufe erschweren Arbeit der Rettungskräfte
Unterdessen klingelt das Telefon bei Martin Götz in der Leitstelle fast durchgehend. Mit einer Art Fragenkatalog tasten sich seine Kollegen und er in den Gesprächen voran, um herauszufinden, wie sie den Einsatz bestmöglich planen können.
Immer wieder ärgern sie sich auch über unnötige Anrufe: Ein Mann etwa hat lediglich Bedienungsprobleme mit seinem Holzofen und die "112" gewählt. Disponent Götz versucht in solchen Fällen, telefonisch zu besänftigen. Doch wenn das nicht hilft, muss er trotzdem Rettungskräfte vorbeischicken – die im Ernstfall dann woanders fehlen könnten.
Alkoholprobleme und Verletzungen: Alltag für Rettungskräfte
Für die Rettungskräfte Reich und Richter folgt an diesem Tag ein Einsatz nach dem anderen: Sie fahren zu einem alkoholisierten Obdachlosen, der in einer Unterkunft für Probleme sorgt. Sie versorgen eine Frau, die plötzlich nicht ansprechbar ist. Und kurz vor Schichtende einen Mann, der mit einer Kettensäge drei seiner Finger verletzt hat und schnellstmöglich in einer Chirurgie operiert werden muss. Ausgerechnet in diesem zeitkritischen Fall kommt es in der Leitstelle zu einem Rettungswagen-Engpass und die Fahrt dauert länger als nötig.
Doch für die beiden Rettungskräfte sind solche Situationen Alltag. "Es war eine normale Schicht, mit normal vielen Einsätzen", sagt Tobias Richter am Ende seines Zwölf-Stunden-Arbeitstages. "Es waren alles Patienten, die Hilfe gebraucht haben, von daher bin ich sehr zufrieden. Alles ist gut gegangen."
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