Archivbild: Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern
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Knobloch: "Deutschland droht ein anderes Land zu werden"

Knobloch: "Deutschland droht ein anderes Land zu werden"

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, ist erschüttert über die AfD-Wahlerfolge. Deutschland drohe, kälter und weniger lebenswert zu werden. Das Auschwitz-Komitee nennt die Wahl "unvorstellbar".

Die starken Zugewinne der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind nach Einschätzung der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, ein Einschnitt in der deutschen Geschichte. "Die Ergebnisse markieren eine Abkehr von der bisherigen politischen Kultur der Bundesrepublik", teilte Knobloch mit. "Mit diesem Tag, obendrein genau 85 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, droht Deutschland wieder ein anderes Land zu werden: instabiler, kälter und ärmer, weniger sicher, weniger lebenswert."

Die AfD legte bei den Landtagswahlen in beiden Bundesländern deutlich auf mehr als 30 Prozent zu. In Sachsen landete die Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, knapp hinter der CDU, in Thüringen wurde sie sogar klar stärkste Kraft. Unabhängig davon, ob es zu einer Regierungsbeteiligung der AfD komme oder nicht - der Schaden sei angerichtet, beklagte Knobloch, die als kleines Mädchen den Terror der Nationalsozialisten erlebt hatte.

Knobloch: Mehr als ein politischer Betriebsunfall

Wenn die Parteien der demokratischen Mitte beispielsweise in Thüringen nur noch eine Minderheit der Wähler überzeugen könnten, sei das mehr als ein politischer Betriebsunfall, betonte die IKG-Präsidentin und Holocaust-Überlebende. "Niemand möge jetzt noch von 'Protest' sprechen oder andere Ausflüchte suchen." Die zahlreichen Wähler hätten ihre Entscheidung bewusst getroffen. "Viele wollten die Extremisten an den Rändern in Verantwortung bringen."

Die politischen Folgen dieser Wahl bekomme das ganze Land zu spüren - weit über Thüringen und Sachsen hinaus, sagte Knobloch. Nicht nur Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft müssten sich nun die Frage stellen, wohin die gesellschaftliche und politische Lage in Deutschland sich entwickle und was das für jeden Einzelnen bedeute: "Wie hier die Zukunft aussieht, ist ab heute wieder eine große und schwierige Frage."

Zentralrat der Juden: "Deutschland taumelt"

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, warnt vor der AfD und auch dem BSW. "Deutschland taumelt. Können wir uns von diesem Treffer erholen?", schreibt Schuster in einem Gastkommentar bei "Bild". "Ungeschminkte Wahrheiten - Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit - sind gefragt, keine populistischen Scheinantworten radikaler Parteien." Den Wahlerfolg der AfD bezeichnet Schuster als "Wirkungstreffer historischer Dimension". Immer mehr Menschen wählten die AfD aus politischer Überzeugung.

Auch die noch neue Wagenknecht-Partei sieht Schuster kritisch. "Ein populistisches BSW lässt noch vieles unbekannt, aber das, was wir von dieser neuen Partei und seinem Spitzenpersonal wissen, lässt nichts Gutes erahnen", schreibt er. "Es ist an der Politik der Mitte, Klartext zu sprechen - Tacheles. Kontern wir endlich."

Auschwitz-Komitee: "Zutiefst deprimierend"

Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, betonte, das AfD-Abschneiden sei für Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager "zutiefst deprimierend" - und ein Schlag gegen das Vertrauen, das sie mittlerweile wieder in Deutschland hätten.

"Dass gerade in Deutschland so viele Menschen einer Partei vertrauen, die mehr als braun gesprenkelt ist und sogar von anderen rechtsextremen Parteien in Europa als zu vergangenheitsbehaftet ausgegrenzt wird, ist für die Überlebenden bisher unvorstellbar gewesen", sagte Heubner. Vor der Mehrheit der Demokraten stehe jetzt die wichtige Aufgabe, die Demokratie zu verteidigen.

Im Video: Die Wahlen in Thüringen und Sachsen

BR-Korrespntenen zur Landtagswahl in Sachsen und Thüringen
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BR-Korrespondenten zur Landtagswahl in Sachsen und Thüringen

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