Die Bayern waren im dritten Quartal öfter, aber kürzer krank. Darauf deuten Krankschreibungszahlen der Krankenkasse DAK hin. Auf 100 Beschäftigte kamen ihnen zufolge 40 Krankschreibungen – das sind knapp 10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Schnitt waren die Betroffenen 10,1 Tage krankgeschrieben – einen weniger als im Vorjahreszeitraum.
Krankenstand bleibt insgesamt konstant
Der durchschnittliche Krankenstand blieb dadurch konstant. An einem durchschnittlichen Tag waren – wie im Vorjahreszeitraum – 4,4 Prozent der Arbeitnehmer krankgeschrieben. Im bundesweiten Vergleich ist der Krankenstand in Bayern damit weiter unterdurchschnittlich. Der deutschlandweite Wert liegt bei 5,0 Prozent.
Die beiden Hauptursachen für Fehltage waren psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen und Anpassungsstörungen mit 78 Fehltagen je 100 Versicherten. Knapp dahinter folgten Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 76 Fehltagen. Auch Atemwegserkrankungen waren mit 54 Tagen häufig, hier ergab sich zudem ein deutlicher Anstieg um gut 18 Prozent zum Vorjahresquartal. Dies sei "für ein Quartal mit vielen warmen Sommerwochen eher ungewöhnlich", hieß es von der DAK.
Warnung vor "Schnellschüssen" bei telefonischer Krankschreibung
"Der anhaltend hohe Krankenstand erfordert jetzt eine seriöse und gründliche Debatte, um die wirklichen Ursachen klar zu verstehen und eine nachhaltige Lösung für die Gesundheit der Mitarbeitenden zu finden", sagte DAK-Landeschef Rainer Blasutto. "Schnellschüsse wie die Forderung nach einer Abschaffung der telefonischen Krankschreibung oder eine Blaumacher-Debatte helfen den Betroffenen und den Betrieben nicht weiter", erklärte er.
Ärztekammer und Hausärzteverband befürworten Telefon-AU
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, spricht sich für die Beibehaltung der telefonischen Krankschreibung aus. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk (Bayern 2, Die Welt am Morgen) sagte er, das habe er auch Christian Lindner vor einigen Wochen bei einem Treffen gesagt. Er halte es "nicht für klug, das wieder abzuschaffen". Seine Meinung begründet er mit dem hohen Mehraufwand, wenn jeder in die Praxis kommen müsse, "der eine banale Erkältung hat, aber nicht arbeitsfähig ist oder die andere Belegschaft nicht anstecken soll".
Auch Margit Kollmer, die Bezirksvorsitzende Niederbayern des Bayerischen Hausärzteverbands, hat Forderungen nach einer Abschaffung der telefonischen Krankschreibung zurückgewiesen. Das System habe sich bewährt und entlaste den Alltag sowohl für Ärzte als auch für die Mitarbeitenden in Hausarzt-Praxen enorm. Zudem sei es auch gut für die Patienten, weil dadurch weniger Infekt-Patienten andere im Wartezimmer anstecken könnten.
Hemmschwelle bei telefonischer Krankschreibung niedriger?
Der Arbeitgeberverband BDA hatte zuvor davor gewarnt, dass das System "missbrauchsanfällig" sei und eine Abschaffung gefordert. Diese Haltung vertritt auch Johann Kroul. Der gelernte Bäckermeister ist Chef einer Straubinger Bäckerei mit mehreren Filialen und zugleich Obermeister der Bäcker-Innung Straubing Deggendorf: "Die Hemmschwelle, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, ist einfach zu niedrig", sagte er dem BR. In seinem Betrieb spiele das Thema zwar keine Rolle. Gerade Kollegen mit größeren Betrieben würden ihm jedoch berichten, dass das aktuelle System oft ausgenutzt werde. "Von Missbrauch kann keine Rede sein", entgegnet die niederbayerische Hausärztevertreterin Kollmer: "Wir schreiben nur Patienten und Patientinnen krank, die wir gut kennen und auch nur für maximal fünf Tage."
Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband verteidigte die telefonische Krankschreibung zuletzt gegen Kritik. "Die Einführung der Telefon-AU war aus medizinischer Sicht sinnvoll und ist bisher eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens", sagte die Co-Vorsitzende des Verbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, der "Rheinischen Post".
Ärzte: Beschäftigte nutzen das nicht aus
Dies jetzt abzuschaffen, gefährde die Patientenversorgung in den kommenden Monaten mit zahlreichen Infektionserkrankungen, so Buhlinger-Göpfarth. "Die Unterstellungen, dass sich die Menschen mithilfe der Telefon-AU einen schlanken Fuß machen", könnten die Hausärzte "aus unserer täglichen Arbeit nicht bestätigen".
Auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sagt auf Nachfrage des BR, ob er einen Zusammenhang sehe zwischen hohen Krankenständen und der erleichterten Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen: "Nein, den gibt es für mich definitiv nicht."
Lindner sieht Korrelation zum hohen Krankenstand
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte dazu erklärt: "Man wird für die Krankmeldung zukünftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach nur telefonisch erledigen können." Er wolle niemandem vorwerfen, die Regelung auszunutzen. Es gebe aber leider "eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme."
Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) fordert eine Abschaffung. Es läge nahe, dass es dort zu Missbrauch komme, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, der "Rheinischen Post".
Die telefonische Krankschreibung war im Frühjahr 2020 zunächst aufgrund der Corona-Pandemie eingeführt worden, im Dezember 2023 dann als dauerhafte Regelung. Zuletzt war dies jedoch in die Kritik geraten. Im Zuge ihrer Wachstumsinitiative für die Wirtschaft vereinbarte die Bundesregierung wegen erhöhter Krankenstände und wirtschaftlicher Probleme bereits eine Überprüfung der Maßnahme.
Mit Informationen von DPA, KNA und AFP
Im Audio: Debatte um telefonische Krankschreibung geht weiter
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