Hanna S. soll soll Mitglied einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung sein.
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Hanna S. soll soll Mitglied einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung sein.

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Linksradikaler Nürnbergerin droht Auslieferung nach Ungarn

Linksradikaler Nürnbergerin droht Auslieferung nach Ungarn

In Nürnberg ist im Mai eine 29-Jährige festgenommen worden. Sie soll Mitglied einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung sein, so die Bundesanwaltschaft. Nun befürchtet ihr Umfeld eine Auslieferung nach Ungarn.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Im Nürnberger Szenestadtteil Gostenhof ist Anfang Mai Hanna S. durch Zielfahnder der Polizei festgenommen worden. Ihr wird die Mitgliedschaft in einer linksextremistisch motivierten kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Diese Gruppe soll es sich zum Ziel gesetzt haben, mit Gewalt gegen Rechtsextreme vorzugehen, so die Bundesanwaltschaft. Nun droht ihr die Auslieferung für einen Prozess nach Ungarn.

Angriffe mit Schlagstöcken und Pfefferspray

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Gruppe im Februar 2023 in Ungarns Hauptstadt Budapest – am Rande eines rechtsextremen SS-Gedenkmarsches – mit Schlagstöcken und Pfefferspray auf drei Personen des rechten Spektrums eingeschlagen hat. Die Opfer erlitten den Polizeiangaben zufolge multiple Prellungen und Platzwunden, insbesondere im Bereich des Kopfes.

Non-binäre Person bereits nach Ungarn ausgeliefert

Die ungarischen Behörden fahndeten daraufhin nach mutmaßlichen Mitgliedern der Vereinigung und konnten bereits Tatverdächtige festnehmen. Erst kürzlich wurde Simeon T. von deutschen Behörden nach Ungarn überstellt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Auslieferung rechtswidrig ist, kam wenige Minuten zu spät. Auch T. aus Jena soll Teil der Gruppe sein. Die Person identifiziert sich selbst als nicht-binär und tritt unter dem Namen "Maja" auf.

Andere deutsche Tatverdächtige sind untergetaucht. Sie fürchten eine Auslieferung ins autoritär geführte Ungarn, weil ihnen dort im Vergleich zu Deutschland höhere Haftstrafen drohen und die Haftbedingungen in der Kritik stehen.

Verlobter über Ungarn: "Keine unabhängige Justiz"

Der Nürnbergerin Hanna S. droht unterdessen die Auslieferung nach Ungarn, sie sitzt derzeit in der JVA Nürnberg. Obwohl noch kein Auslieferungsantrag vorliegt, ist ihr Verlobter Jakob G. beunruhigt: "Es ist in Ungarn einfach nicht mit einem fairen Verfahren für Hanna und die anderen zu rechnen", so Jakob G. im BR-Interview. Es gebe in Ungarn "keine unabhängige Justiz". Er mache sich "massiv Sorgen um ihr psychisches und physisches Wohl" und wisse nicht, ob er "dieselbe Person" wiederbekomme.

Das bekräftigt auch Yunus Ziyal, der Rechtsanwalt von Hanna S.: "Wir haben es bei Ungarn mit einem staatlichen System zu tun, das rechtskonservativ regiert wird, wo der Prozess in einer politisch aufgeheizten Atmosphäre stattfindet, wo wir bei den Haftbedingungen schlimmste Schilderungen haben aus den Fällen der Mitbeschuldigten."

Schilderungen über große Mängel in U-Haft

Es sind Schilderungen wie die von Ilaria Salis: Die Italienerin soll ebenfalls zur Vereinigung gehören und an Übergriffen auf Neonazis beteiligt gewesen sein. Sie berichtet von mangelnder Hygiene, Bettwanzen und einer engen Zelle in ungarischer U-Haft. Bilder zeigten sie in Ketten, Handschellen, Fußfesseln vor Gericht. Die Bilder sorgten in Italien für Wirbel, weil sie "wie ein Tier" vorgeführt worden sei. Das hatte zur Folge, dass sich selbst die postfaschistische Regierungschefin Giorgia Meloni für Salis einsetzte und bei ihrem ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán intervenierte.

Ungarische Haftbedingungen zum Teil "menschenunwürdig"

Dass die Haftbedingungen in Ungarn durchaus kritikwürdig sind, bestätigt auch der Experte für internationales Strafrecht, Christoph Safferling, von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Demnach hätten der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, die Anti-Folterkommission des Europarates und auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder darauf hingewiesen, dass in ungarischen Gefängnissen zu viele Menschen auf zu engem Raum untergebracht werden. "Nach den Standards, die wir uns in der BRD so vorstellen, menschenunwürdig."

Haftstrafe würde S. in Deutschland absitzen

Safferling betont aber, dass die vorgeworfenen Straftaten in Ungarn begangen wurden, "das heißt Ungarn hat ein vorrangiges Interesse an der Durchführung eines Strafverfahrens". Allerdings, so der Professor, werde in solchen Fällen nach der möglichen Verurteilung eine "Rückstellung nach Deutschland erfolgen, damit hier die Strafhaft dann entsprechend vollzogen werden kann".

Im Falle einer Verurteilung würde Hanna S. ihre Strafe also vermutlich in einem deutschen Gefängnis absitzen. Das zeigt sich auch im Fall von Maja T. Im Beschluss des zuständigen Kammergerichts, der dem Bayerischen Rundfunk und der Rechercheredaktion MDR Investigativ vorliegt, heißt es, dass "die verfolgte Person im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe (…) zur Verbüßung derselben in den Vollstreckungsmitgliedstaat rücküberstellt werden wird".

Umfeld sorgt sich vor Zeit in ungarischer U-Haft

Für das Umfeld von Hanna S. bleibt die Sorge vor der ungarischen U-Haft. "Das Ziel ist es, diese drohende Auslieferung und diese damit verbundene Drohkulisse einreißen zu können. Dafür ist dann hoffentlich ein rechtsstaatliches Verfahren in diesem Land die Lösung", fordert Jakob G., ihr Verlobter. Unterstützer von Hanna S. aus der linken Szene wollen derweil mit Demonstrationen erreichen, dass die 29-Jährige in Deutschland bleiben kann. Die Bundesanwaltschaft hat auf eine BR-Anfrage, ob ein solches Szenario möglich wäre, nicht geantwortet.

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